Justin Hart: Empire of Ideas. The Origins of Public Diplomacy and the Transformation of U.S. Foreign Policy, Oxford: Oxford University Press 2013, XIII + 279 S., ISBN 978-0-19-977794-5, GBP 22,99
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Im Epochenjahr 1917 wurden die Weichen für das kurze 20. Jahrhundert gestellt. Mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Weltkrieg schien das "Land der Zukunft" (Hegel) den ihm bereits im 19. Jahrhundert ausgestellten Wechsel auf ein hegemoniales Projekt einzulösen. Und im zaristischen Russland griff eine euphemistisch Bolschewiki genannte Gruppe von Berufsrevolutionären erfolgreich nach der Macht. Doch während der Oktoberumsturz fortan die internationalen Beziehungen bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991 prägen sollte, nahmen die Vereinigten Staaten nach Kriegsende nochmals eine machtpolitische Auszeit. Präsident Woodrow Wilson scheiterte mit seinen Ambitionen, Amerika fest mit der durch den Völkerbund symbolisierten Ordnung der Staatenwelt zu verflechten. Auf Seiten des Westens musste daher das alte Europa als Stabilitätsanker fungieren, wiewohl die geopolitischen Ansprüche Großbritanniens und Frankreichs schon vor 1914 in Konflikt mit deren Ressourcen und imperialen Rivalen geraten waren.
Erst der japanische Angriff auf Pearl Harbor 1941 ermöglichte es der Roosevelt-Administration, den von George Washington mit den Weihen einer ehernen Doktrin versehenen Isolationismus ad acta zu legen. Justin Hart untersucht in seiner schlanken und elegant formulierten Studie, wie die Vereinigten Staaten diese translatio imperii von den alten Kolonialmächten hin zum Amerikanischen Jahrhundert öffentlich zu plausibilisieren versuchten. Dabei kommen ideen- wie institutionengeschichtliche Aspekte aus der Zeit von der Mitte der 1930er Jahre bis zum Ende der McCarthy-Ära zur Sprache.
Die USA mussten Hart zufolge eine imperiale Strategie ersinnen, die ihren Einfluss in der Welt auszudehnen vermochte, ohne die materiellen wie immateriellen Kosten eines Territorialreichs zu verursachen. Der Aufstieg neuer Akteure in der internationalen Arena und die Auswirkungen der Massenkommunikation auf das Arcanum der Außenpolitik erforderten einen frischen Ansatz, mit dem fremde Nationen zum American way of life, dem "holy grail" (9) der US-Politik seit Pearl Harbor, bekehrt werden konnten. Dazu brauchte man jedoch zuerst eine Definition dessen, was Amerika überhaupt sei. Mitte der dreißiger Jahre machte die Roosevelt-Administration in Südamerika die Probe aufs Exempel der soft power. Zwei Jahre nach einer Konferenz in Buenos Aires, auf der Roosevelt 1936 den big stick seines Namensvetters zerbrach und einer neuen Form der Kulturdiplomatie das Wort redete, wurde die Division of Cultural Relations im Außenministerium gegründet. Schon damals gerieten indes Puristen in Harnisch, wenn sie die Kulturdiplomatie gegen plumpe Propaganda abgrenzen wollten - "a line in the sand just waiting for high tide" (24). Unter der Leitung Nelson Rockefellers lotete zudem das Office of the Coordinator of Inter-American Affairs den Spielraum der Public Diplomacy aus. 1942 wurde China zum Zielland erster Anstrengungen auf dem Feld der Kulturdiplomatie außerhalb der westlichen Hemisphäre. In diesem Kontext mussten die Vereinigten Staaten freilich Lehrgeld zahlen: Als Okkupant weiter Teile Ostasiens legte Japan - wie sein Achsenpartner in Berlin - genüsslich den Finger in die Wunde des Rassismus in Amerika.
Sowenig sich nationale von internationalen Motiven der Public Diplomacy scheiden ließen, so sehr überschnitten sich fortan die Wirkungskreise der Innen- und der Außenpolitik. Damit begann die Karriere des Images als Vehikel, mit dessen Hilfe sich außenpolitische Ziele auf die internationale Szenerie projizieren ließen. Die Vereinigten Staaten mussten sich, auch wenn dies manch altem Fahrensmann in Foggy Bottom widerstrebte, auf dem "worldwide marketplace of ideas" (64) tummeln. Da sich Roosevelts New-Deal-Koalition aber auf eine prekäre Balance zwischen Dixiecrats und dem liberalen Ostküstenestablishment stützte, bewegte sich der Präsident auf einem schmalen Grat. Um seinen konservativen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, verteilte er obendrein die Verantwortung für die Public Diplomacy auf mehrere Institutionen. Dazu zählte das 1942 ins Leben gerufene Office of War Information (OWI), das sich alsbald des Verdachts zu erwehren hatte, primär die Wiederwahl Roosevelts zu fördern. Es musste sich zudem der Frage widmen, ob es selbstherrlich Politik betreibe oder sich mit der Rolle des "highly sophisticated megaphone" (96) der außenpolitischen Koryphäen begnüge. Am Ende des Krieges wurde das OWI aufgelöst, dessen Aufgaben übernahm das State Department.
Mit dem Smith-Mundt-Act von 1948 wurde die Wahrheit - oder was man dazu machte - ganz offiziell zu einer Waffe im aufziehenden Kalten Krieg. Hart schildert präzise, wie sich der Kongress anfangs mit dieser Vorlage wie auch mit dem Marshall-Plan schwergetan hatte, unter dem Eindruck der stalinistischen Flurbereinigung Osteuropas jedoch schließlich die Truman-Doktrin als Blaupause der Public Diplomacy akzeptierte. Deren Sendboten wurden damals regelmäßig auch in Hollywood vorstellig, damit sich Amerika im Systemkonflikt keine cineastische Blöße gab. Für Hart war die Periode von Anfang 1948 bis Mitte 1949 der Zenit von Trumans außenpolitischem Geschick. Immer drängender wurde freilich die Frage, wie sich die postkoloniale Attitüde der Vereinigten Staaten mit der bedingungslosen Unterstützung für Großbritannien und Frankreich in Einklang bringen ließ, ohne einen "collateral psychological damage" (163) anzurichten. Selbst jene, die den USA wohlgesonnen waren, hörten zwar die Botschaft, der Glaube musste jedoch fehlen, wenn schwarze Propaganda etwa verdeckte Operationen weißwaschen sollte. Diese "odd mixture of intensity and ambiguity" (153) wurde toxisch, als Maos Sieg in China 1949 die amerikanische Diplomatie im Mark erschütterte und der Koreakrieg 1950 Ostasien zum Schlachtfeld der Ideologien machte. In gewissem Sinne markierte McCarthys Hexenjagd die ironische Klimax einer anderthalb Jahrzehnte dauernden Diskussion über Sinn und Gehalt einer wirksamen Public Diplomacy. Denn einerseits musste Außenminister John Foster Dulles intervenieren, um die Verbrennung vermeintlich unamerikanischer Bücher ausgerechnet in der jungen Bundesrepublik zu unterbinden, was - wie andere Auswüchse des McCarthyismus - dem Image der USA gewiss nicht zuträglich gewesen wäre. Andererseits riet Dulles Präsident Eisenhower zu, als dieser die Public Diplomacy der United States Information Agency (USIA) übertrug und mithin das Außenministerium von einem schwierigen Erbe befreite. Damit war, so Hart, das "end of the beginning" (198) gekommen.
Harts Studie analysiert stringent die Geburtswehen der amerikanischen Public Diplomacy im Übergang von der Ära des Isolationismus zur Epoche des Interventionismus. Diese hatte Präsident Obama zu Beginn seiner ersten Amtszeit eigentlich für beendet erklärt. Die USIA war bereits 1999 aufgelöst, ihre Aufgaben an das State Department zurückübertragen worden. Doch der Krieg gegen den Terror, der mit dem verstärkten Einsatz unbemannter Drohnen und der Aufweichung der Privatsphäre einhergeht, konfrontiert die Public Diplomacy mit Herausforderungen, die sich seit den dreißiger Jahren nur wenig gewandelt haben. Der Kampf um "hearts and minds" ist so delikat wie eh und je. Zwischen Information und Propaganda liegt dabei oft nur ein Hauch von Wahrheit.
Gerhard Altmann