Andrew M. Smith II: Roman Palmyra. Identity, Community and State Formation, Oxford: Oxford University Press 2013, XIX + 293 S., 45 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-986110-1, GBP 55,00
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Das vorliegende Werk stellt die überarbeitete Fassung einer Dissertation an der Universität von Maryland dar und bemüht sich mit vielfach guten Ansätzen, lange in der Forschung diskutierte Fragen zu Identität, Gesellschafts- und Gemeinschaftsorganisation Palmyras zu beantworten.
Dazu diskutiert Smith zunächst einmal die Begrifflichkeiten, indem im Eingangskapitel Fragen wie "What are Identity and Community" gestellt werden und eine "Framework for Constructing Palmyrene Identity and Community" geschaffen werden soll. Der Autor sieht dabei die Entstehung der Palmyrenischen Gemeinschaft als Folge eines "relatively obscure process of sedentarization and of the relationships between pastoral and sedentary communities in the Roman Near East" (5). Die palmyrenische Identität sei dabei im Wesentlichen von der Rolle der Stadt "in a frontier zone that was politically volatile, economically lucrative, socially stratified, and culturally mixed" geprägt worden, wobei er die Persistenz der erkennbar eigenständigen Identität der Palmyrener bis in die römische Kaiserzeit als Ausdruck von deren "freedom of action" (13) versteht. Die spezifische Rolle Palmyras an der Grenze zwischen den mächtigen Reichen der Römer und Parther habe aus der Stadt "a hybrid form of the Greek polis" werden lassen, die selbst als "regional center of force and power" (16) wirken konnte. Bei einem Blick in die verschiedenen Quellen zur Stadt unterstreicht Smith dann insbesondere anhand der Skulpturen, wie sehr die kulturelle Identität der Palmyrener zwar von Römern und Parthern beeinflusst, letztlich aber eigenständig umgeformt und "distinctively Palmyrene" gewesen sei (18). Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Stadtgeschichte, wobei der Autor sich etwa bei der Frage nach dem konkreten Zeitpunkt der Übernahme römischer Kontrolle über Palmyra nicht festlegt.
Das zweite Kapitel ist der großen Frage nach "Tribes and Tribalism" gewidmet, wobei der Autor, wie bereits angesprochen, die Vorstellung der Gemeinschaftsbildung aus sedentarisierten Stämmen des Umlandes vertritt. So argumentiert er gegen anderslautende Thesen etwa von Scharrer, dass Palmyras Wachstum und Erfolg nur möglich war durch eine enge Verbindung von "desert and sown" und nicht durch einen starken Kontrast zwischen beiden (34). Die angeschnittene Frage, ob die Palmyrener frühe Araber waren oder nicht, führt zu grundsätzlichen Aspekten von Ethnizität in der Antike und den antiken Vorstellungen über die Araber. Hier erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit dem epigraphischen Material aus Palmyra und den dort nachvollziehbaren Begrifflichkeiten sozialer hierarchischer Beziehungen sowie diesen Beziehungen selbst. Smith kommt zu dem in der Forschung unumstrittenen Schluss, dass viele Gemeinschaften in Syrien eine tribale Gemeinschaftsorganisation aufwiesen. Diese seien weniger Relikt einer vergangenen Sedentarisierung als Ausdruck der dimorphen Gesellschaftsstruktur dieser Gemeinschaften, in denen Familien- oder Stammeszugehörigkeiten Individuen mit unterschiedlichen ökonomischen Grundlagen verbanden.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich dann mit "The Growth of Community" und stellt Fragen nach der Rolle Palmyras als politischer Einheit, religiösem Zentrum und Wirtschaftszentrum. Hier geht es zunächst um die frühesten Zeugnisse einer im griechisch-römischen Sinne politischen Organisation der Gemeinschaft, die aus den wenigen frühen Inschriften und der Interpretation ihrer Begrifflichkeiten erschlossen wird. Gerade die Rolle der Stadt als religiöses und ökonomisches Zentrum für ein weiteres Umland habe dann Entwicklung und Wachstum der Stadt möglich gemacht.
Kapitel vier, "Mapping Social Identities" beleuchtet Aspekte der palmyrenischen Gesellschaft, so der "Palmyrene Family", "Marriage Patterns", Frauen, Sklaven/Freigelassene, Berufe, Vereine und Gemeinschaftsmähler sowie Patronatsbeziehungen, die epigraphisch erst im 3. Jahrhundert fassbar werden. Im fünften Kapitel werden unter dem Titel "The civic institutions of Palmyra" die Verwaltungsstruktur der Stadt, ihre Institutionen, die Frage nach den vier Phylen und vier Heiligtümern sowie Palmyras Militärorganisation bzw. Karawanenpolizei untersucht. In Bezug auf die vieldiskutierte Frage nach der Rolle der vier Phylen und der vier ihnen vielleicht zugehörigen Heiligtümer bietet Smith eine Reihe von Überlegungen. So hält er fest, dass die über sie berichtenden Inschriften "illuminate a situation unique to the last quarter of the second century A.D. They reveal nothing of institutional reforms under the reign of Nero [...]." (135) Und auch wenn die vier Phylen als "a single social entity comprising four distinct and independent groups" verstanden würden, so würden sie in den Inschriften dem demos, verstanden als "all the tribes", entgegengesetzt (135). Sie seien aus seit der Gründung der Stadt bestehenden vier Heiligtümern mit jeweils eigenen Finanzverwaltern hervorgegangen und hätten sich erst im 2. Jahrhundert aus diesen zu einem wichtigen "institutional body" (143) für Palmyra entwickelt als Antwort auf "local and regional insecurity and [...] expanding Roman interest in the city and in the surrounding countryside" (137).
Als "The Palmyrene Diaspora" behandelt Smith dann im sechsten Kapitel die bekannten Palmyrenischen "Außenposten" in Dura-Europos, dem weiteren Ausland und auch Palmyrener in "Foreign Services". Schließlich analysiert das sehr kurze Kapitel sieben "The Palmyrene Empire: a Crisis of Identity". Hier wird auf wenigen Seiten die Entstehung des Palmyrenischen Sonderreiches referiert, dessen Genese als Folge der Bedrohung von primär ökonomischen Interessen Palmyras angesichts der sassanidischen Expansion interpretiert wird. Der Bogen zur zuvor beleuchteten Frage nach der Identität Palmyras ist zwar erkennbar, wird jedoch in der Argumentation nicht explizit gespannt. So beginnt denn auch das folgende Kapitel damit, die eigentlich entscheidenden Fragen zu diesem Thema aufzuzählen, für die das Buch "a context for answering these general questions" habe bieten wollen (182).
Mit einem noch kürzeren achten Kapitel "Retrospect and Broader Implications" fasst Smith seine Überlegungen auf sieben Seiten zusammen. Dazu werden ausgewählte Ergebnisse der einzelnen Kapitel angesprochen und dann die Überlegungen des Buches in den Kontext aktueller Forschungsfragen zu "Palmyrene, Near Eastern and frontier studies" (184) eingeordnet.
Für das edel gemachte Buch hat man sich - vermutlich durch den Verlag - für eine Endnotenlösung entschieden, wobei die Endnoten jeweils nach Kapiteln gezählt werden. Das mag zwar das Seitenbild drucktechnisch "ordentlicher" erscheinen lassen, für einen an der Forschungsarbeit hinter dem Text interessierten Leser ist es lästig. Schön dagegen sind die umfangreiche und viele internationale Arbeiten einbeziehende Bibliographie und der ausführliche Index. Auch die dem Band zur Illustration beigegebenen Abbildungen und Karten sind von guter Qualität. Das Buch lohnt aber nicht nur optisch zur Anschaffung. Es spricht viele grundsätzliche Fragen zur Geschichte und Gemeinschaftsorganisation Palmyras an und kann gerade durch den intensiven Blick in die Inschriften die Diskussion in vielen Aspekten bereichern. Smith gelingt es dabei, viele wichtige neue Ansätze in der Erforschung Palmyras mit eigenen Impulsen zusammenzubringen und dabei ein in sich stimmiges Gesamtbild zu entwerfen, das zukünftige Arbeiten zu Palmyra aufgreifen werden müssen.
Julia Hoffmann-Salz