Tim Harris / Stephen Taylor (eds.): The Final Crisis of the Stuart Monarchy. The Revolutions of 1688-91 in their British, Atlantic and European Contexts (= Studies in Early Modern Cultural, Political and Social History; Vol. 16), Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2013, IX + 315 S., ISBN 978-1-84383-816-6, GBP 50,00
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Das in den letzten Jahren stark angewachsene Interesse an der lange Zeit deutlich vernachlässigten 'Glorious Revolution' spiegelt sich auch in einem von Tim Harris und Stephen Taylor herausgegebenen Sammelband wider. Wie Taylor insbesondere in seinem resümierenden "Afterword" betont, eint die Beiträge die Überzeugung, dass die Revolution von 1688/89 (bzw. unter Einschluss von Irland und der atlantischen Kolonien 1688-1691) einen tiefgreifenden Einschnitt in der britischen Geschichte darstellt. Trotz der in verschiedenen Beiträgen zum Ausdruck kommenden Skepsis gegenüber Steve Pincus' Charakterisierung der Ereignisse als "first modern revolution" [1] wird doch deutlich, dass die lange Jahre vorherrschende Tendenz, die 'Glorious Revolution' in ihrer Bedeutung - gerade auch gegenüber den Bürgerkriegen und dem Interregnum der Mitte des 17. Jahrhunderts - herunterzuspielen, als nicht mehr haltbar angesehen wird.
Der Band bietet sicher einerseits eine sehr gute Synthese der jüngeren Forschung, bemüht sich allerdings auch darum, den einen oder anderen neuen Akzent zu setzen. Das wird schon bei einem Blick ins Inhaltsverzeichnis deutlich. Natürlich ist eine Perspektive, die eine anglozentrische Verengung zu vermeiden sucht, nicht mehr ganz neu, hat doch insbesondere Tim Harris selbst in seinen beiden Monographien "Restoration" und "Revolution" [2] seinen Teil dazu beigetragen, eine Three-Kingdoms-Perspektive als Forschungsprogramm auch für die Zeit nach dem Interregnum zu etablieren. Gleichwohl fällt hier auf, wie stark Schottland (Alasdair Raffe, Tim Harris), Irland (John Gibney, Toby Barnard) und das koloniale Amerika (Owen Stanwood und in Teilen auch John Marshall) im Band vertreten sind. Fast scheint England selbst etwas zu kurz zu kommen, wie Stephen Taylor im Schlusswort zugibt. England ist indes vertreten durch die eher ideengeschichtliche Betrachtung von Whig- und Tory-Denken in der Revolution (John Marshall und Mark Goldie) sowie im Prinzip auch durch Tony Claydons Beitrag zur "Revolution in Foreign Policy", der eben weniger auf die europäische Ebene eingeht als vielmehr auf die Veränderungen in der englischen Außenpolitik und ihre innenpolitische Vermittlung.
Die Beiträge selbst kommen eher abwägend-essayistisch daher, unter wohltuendem Verzicht auf allzu plakative Thesen. Hervorzuheben ist insbesondere die gelungene Betrachtung bisheriger Forschungskonzepte zur 'Glorious Revolution' durch Lionel Glassey. Glassey diskutiert verschiedene Zugriffe v.a. über die Attribute, die der Revolution im Laufe der Zeit zugeordnet wurden, von "glorious" über "sensible", "respectable" und "moral" bis hin zu "modern". Hinter solchen Attributen, so Glassey, verbergen sich weitreichende Interpretationen, die Aufschluss geben über sich wandelnde Verständnisse. Während der etablierte Begriff der "Glorious Revolution" aus einer ganzen Reihe von Gründen, und insbesondere aus einer nicht-anglozentrischen Perspektive, heute kaum noch als geeignetes Konzept verstanden werden kann, spiegelt der von George Macaulay Trevelyan eingeführte Begriff der "sensible revolution" den pragmatischen Charakter wider, der in mancherlei Hinsicht treffend erscheint. Doch auch andere Adjektive haben Konnotationen, die einzelne Aspekte des Ereignisses auf den Punkt bringen, und so ist Glassey wohl zuzustimmen, wenn er zu dem Schluss kommt, dass "no one adjective can encapsulate the complexities of the events of 1688-9" (32). Die Revolution war eben vieles zugleich, und vieles hängt vom jeweiligen Blickwinkel ab.
Das zeigt sich gerade auch dann, wenn man die unterschiedlichen Sichtweisen von Whigs und Tories nebeneinanderstellt, die wiederum selbst heterogen und umstritten waren. John Marshall weist zudem auf die Widersprüchlichkeit von Begrifflichkeiten wie "liberty" und "slavery" hin, die traditionell das Vokabular der Whig-Publizistik prägten, die aber offenkundig nicht im Gegensatz zu einer durchaus positiven Haltung zur Sklaverei und zum Sklavenhandel in den Kolonien standen. Vor allem aber zeigt der Beitrag von Gabriel Glickman, wie umkämpft Deutungen und Haltungen zur Revolution das 18. Jahrhundert hindurch blieben. Glickman wendet sich dabei nicht zuletzt auch gegen die vielfach rezipierte These John Plumbs vom "growth of political stability" im England des 18. Jahrhunderts [3] - im durchaus erkennbaren Widerspruch übrigens zu Stephen Taylors Fazit. Glickmans Analyse der Erinnerung an die Revolution zeichnet jedenfalls das Bild eines überaus konfliktträchtigen Prozesses, der jedoch auch deshalb so konfliktträchtig erscheint, weil Glickman sich zu sehr auf die 'radikale' Erinnerung von Whig-Extremisten und Jakobiten konzentriert und dabei die ideologischen Mittelpositionen ausblendet.
Neben der Angst und Unruhe irischer Protestanten, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erinnerung an das sogenannte "Irish massacre" von 1641 während der Regierungszeit Jakobs II. von massiven Befürchtungen angetrieben wurden (Toby Barnard), ist insbesondere die von langen Nachrichtenwegen und unsicheren Gerüchten geprägte Situation in den Kolonien interessant. Owen Stanwood vergleicht in seinem Beitrag die Ausläufer der Revolution auf Barbados, in Neuengland sowie in den Chesapeake-Kolonien, wobei er neben einigen wichtigen Unterschieden bemerkenswerte Gemeinsamkeiten feststellt. Auffällig sind hier im Vorfeld die Versuche der Regierung Jakobs II., neue Charters in den Kolonien zu etablieren (insbesondere Neuengland), sowie die zunehmende Frontstellung zwischen den kolonialen Administrationen und der Mehrheit der Siedler, die im Verlauf der Konflikte auch religiös aufgeladen werden konnten, wie das Beispiel von Barbados zeigt, wo die Präsenz eines französischen Jesuiten Gerüchte um Katholisierungsmaßnahmen und eine mögliche französische Übernahme der Kolonie anheizte.
Obwohl religiöse Spannungen - zwischen Protestanten und Katholiken in Irland und teilweise auch im kolonialen Bereich; zwischen Presbyterianern und Anhängern der Episkopalkirche in Schottland - sowie religiöse bzw. providentialistische Deutungsmuster in den meisten Beiträgen eine wichtige Rolle spielen - Claydon hebt sie gerade auch in der Vermittlung der Außenpolitik gegenüber den in der bisherigen Forschung stark betonten säkularen Strategien hervor -, ist doch auffällig, wie wenig Beachtung dem kirchlichen Ringen um eine Positionierung zur Revolution geschenkt wird. Lediglich Mark Goldies Beitrag zu den Predigten in der Folge der Monmouth-Rebellion von 1685 thematisiert explizit die Bedeutung von loyalistischen Gehorsamsdoktrinen für die Anglikanische Kirche. Die in der Folgezeit so wichtigen Streitpunkte zwischen Low Church und High Church bleiben indes weitgehend ausgeblendet. Ungeachtet dessen liegt hier ein Sammelband vor, der wichtige Impulse für eine Wiederaufwertung der 'Glorious Revolution' sowohl im Hinblick auf die englische Geschichte als auch darüber hinaus bietet. Dabei geht es nicht nur darum, die Rolle Schottlands oder Irlands im Zustandekommen der Revolution neu zu bewerten (Tim Harris), sondern die Bedeutung der Revolution im Rahmen der komplexen "composite monarchy" zu beleuchten. Zahlreiche Anregungen dazu liefert dieser Sammelband zweifellos.
Anmerkungen:
[1] Steve Pincus: 1688. The First Modern Revolution, New Haven / London 2009.
[2] Tim Harris: Restoration: Charles II and his Kingdoms, 1660-1685, London 2005; ders., Revolution: The Great Crisis of the British Monarchy, 1685-1720, London 2006.
[3] John H. Plumb: Growth of Political Stability in England, 1675-1725, London / Basingstoke 1967.
Ulrich Niggemann