Irene Fosi / Alexander Koller (a cura di): Papato e Impero nel pontificato di Urbano VIII (1623-1644) (= Collectanea Archivi Vaticani; 89), Città del Vaticano: Archivio Segreto Vaticano 2013, 182 S., ISBN 978-88-85042-92-6
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Alexander Koller (Bearb.): Nuntiaturen des Giovanni Delfino und des Bartolomeo Portia (1577-1578), Tübingen: Niemeyer 2003
Rubén González Cuerva / Alexander Koller (eds.): A Europe of Courts, a Europe of Factions. Political Groups at Early Modern Centres of Power (1550-1700), Leiden / Boston: Brill 2017
Irene Fosi: Convertire lo straniero. Forestieri e Inquisizione a Roma in età moderna, Roma: Viella 2011
Der zum einen für seinen ausufernden Nepotismus und zum anderen für seine große Kunstförderung bekannte Urban VIII. Barberini (1623-1644) hatte mit fast 21 Pontifikatsjahren eine außergewöhnlich lange Regierungszeit. Von Bedeutung für die deutsche Geschichte ist er vor allem, weil sein Pontifikat in der zentralen Phase des Dreißigjährigen Krieges lag. Umso erstaunlicher ist es festzustellen, dass bei einer enormen und mit jedem Jahr anwachsenden Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Papst die Beziehungen der Kurie zum Heiligen Römischen Reich und zum Kaiserhof sowie die dahingehende Politik Urbans VIII. in den letzten 50 Jahren kaum in den Blick der Forschung gerückt sind. [1]
Eine solche Perspektive nahm im Dezember 2010 das in Rom stattfindende internationale Kolloquium Papato e Impero nel pontificato di Urbano VIII (1623-1644) ein, wobei vor allem die Frage der komplexen diplomatisch-politischen Beziehungen zwischen dem Barberini-Papsttum und den deutschen Territorien diskutiert wurde. Die von Irene Fosi und Alexander Koller herausgegebenen Tagungsakten liegen nun vor und geben eine Zusammenschau der dahingehenden bisherigen Forschungsergebnisse, eröffnen gleichwohl aber auch neue Perspektiven. Während dabei das Verhältnis Roms zum Reich sowie zu den Kaisern Ferdinand II. und Ferdinand III. im Vordergrund steht, werden auch die Politik Roms gegenüber Frankreich und Spanien berücksichtigt.
Der Sammelband umfasst insgesamt neun vorwiegend in italienischer Sprache abgefasste Beiträge und kann in drei Sektionen unterteilt werden: Die ersten beiden Beiträge von Alfred Kohler und Heinz Schilling zeichnen den Rahmen der allgemeinen politischen Handlungsmöglichkeiten des Papsttums im Zeitalter der Konfessionalisierung nach. Insbesondere Schilling betrachtet beginnend mit dem Spätmittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die Konditionen politischen Handelns in Europa und blick dabei vor allem auf das Dilemma zwischen der unvermeidbaren Realpolitik und dem anachronistischen Universalanspruch, in dem sich die römische Kurie und das Kaisertum befanden. Im Vordergrund seines Beitrags steht dabei die Stellung des "schiffbrüchig" (naufragato) gewordenen Papsttums, das den inneren Widerspruch zwischen dem universalistischen Programm und den realpolitischen und partikularen Interessen seines Kirchenstaates - insbesondere seit der Mitte des 17. Jahrhunderts - mit einer "irreparablen Marginalisierung" (irreparabile marginalizzazione) seiner politischen Stellung in Europa bezahlt habe (15).
Während Robert Bireley, Bettina Scherbaum und Silvano Giordano in einer zweiten Sektion Urban VIII. und seine Verbindungen zum Haus Habsburg untersuchen, beleuchten die abschließenden vier Beiträge von Alexander Koller, Katrin Keller, Rotraud Becker und Guido Braun Spezialthemen, die die Vielfalt der diplomatischen und politischen Beziehungen zwischen der Kurie und Urban VIII. und dem Reich zum Gegenstand haben. Alexander Koller veranschaulicht in seinem Beitrag den Quellenwert und Informationsgehalt der diplomatischen Relationen der kaiserlichen Vertreter bei der römischen Kurie und beim Papst. Dabei konstatiert er, dass es um 1600 und während des Pontifikats Urbans VIII. eine große Vielfalt von Vertretertypen und Akteuren der diplomatisch-kaiserlichen Repräsentation am Papsthof gab, die mit einer großen Aufgabenvielfalt betraut waren.
Die Außenbeziehungen Roms zum Reich und zu Europa waren jedoch nicht nur auf politische Themengebiete reduziert. Rotraud Becker und Guido Braun beachten die Bedingungen von Kommunikation und Wahrnehmungen zwischen Rom und dem Reich. Vor allem Braun bietet einen interessanten Untersuchungsansatz, um Perzeption und Wahrnehmung des Reiches und seiner Verfassungsstruktur durch die römische Kurie unter Urban VIII. zu analysieren. Exemplarisch untersucht er die mehr als 1000 Seiten umfassende "Finalrelation" Carlo Carafas (1621 bis 1628 päpstlicher Nuntius am Kaiserhof), eine umfassende Darstellung der jüngeren Geschichte des Reiches, seiner Verfassung und politischen Institutionen sowie der aktuellen Verhältnisse im Reich. Dennoch scheint dieser Rechenschaftsbericht "di ampio respiro" (151) nicht dazu beigetragen zu haben, das Wissen und das Bild, das die Kurialen und der Papsthof über die Germania hatten, tiefgreifend zu erneuern. Braun gibt diesbezüglich zu bedenken, dass es abgesehen von den päpstlichen Vertretern noch weitere Kontakte und Informationskanäle gab, wie zum Beispiel die von Papst Gregor XV. im Jahr 1622 eingerichtete Propagandakongregation, auf deren Basis sich das Bild des Fremden formiert hatte. Rom kannte demnach die politische Struktur des Reiches in punktueller Weise besser als bislang von der Forschung angenommen. Der apostolische Nuntius Carafa bestätigte im Ganzen Bild und Wissen der Kurie über die Situation im Reich.
Nach der Lektüre des Bandes kann im Hinblick auf die deutsche Geschichte festgehalten werden, dass der politische Einfluss Urbans VIII. in Europa mit fortschreitender Dauer seines Pontifikats weiter schwand. Die strikte Einhaltung der Neutralität als padre comune der (katholischen) Christenheit, unter gleichzeitiger Begünstigung Frankreichs provozierte eine Distanzierung von Spanien und dem Kaiser. Letztendlich erwies sich seine antihabsburgische Bündnispolitik, die Förderung einer alternativen katholischen Alternative (gemeint ist die von Rom beabsichtigte Allianz zwischen Frankreich und dem Kurfürstentum Bayern) und der Gedanke um die Freiheit Italiens vor der fremden Vorherrschaft als utopisch.
Die im vorliegenden Band vorgestellten Resultate der Tagung stehen hauptsächlich auf zwei Grundpfeilern, die es erlauben, die päpstliche Politik und die formellen bilateralen Außenbeziehungen der Kurie sowie des Kaiserhofes strukturiert zu erfassen. Zu nennen ist zum einen die zentrale Quellengruppe der Nuntiaturberichte vom Kaiserhof, zum anderen die Hauptinstruktionen der Kurie. Das Panorama der Beiträge hätte durch die Einbeziehung der Kölner Nuntiatur oder des Blicks auf das politisch-diplomatische Handeln der Fürstbischöfe im Reich und ihr Verhältnis zu Rom deutlich erweitert werden können. Auch ein resümierendes Schlusskapitel, das die Einzelbeiträge zueinander in Verbindung setzt und Perspektiven für die künftige Forschung hervorhebt, wäre wünschenswert gewesen.
Insgesamt aber bieten die Einzelbeiträge neben neuen Ergebnissen und Perspektiven eine veritable Bilanz der jüngeren Forschung zu den komplexen Mächtebeziehungen zwischen der Kurie, dem Kaiserhof und den romfernen deutschen Territorien für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts unter Berücksichtigung ihrer Kontinuitäten und Brüche. Abgerundet wird der Tagungsband durch ein Personen- und Ortsregister.
Anmerkung:
[1] Grundlegend ist die Arbeit von Georg Lutz: Roma e il mondo germanico nel periodo della Guerra dei Trent'Anni, in: La corte di Roma tra Cinque e Seicento. "Teatro" della politica europea, hgg. v. Gianvittorio Signorotto / Maria Antonietta Visceglia, (= Biblioteca del Cinquecento / "Europa delle Corti", Centro studi sulle società di antico regime; Bd. 84), Roma 1998, 425-460.
Claudia Curcuruto