Sarah Apetrei / Hannah Smith (eds.): Religion and Women in Britain, c. 1660-1760, Aldershot: Ashgate 2014, IX + 217 S., ISBN 978-1-4094-2919-7, GBP 70,00
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Der Sammelband hat es sich zur Aufgabe gesetzt, das religiöse Erleben und Engagement von Frauen in dem im 17. und 18. Jahrhundert religiös sehr zersplitterten und verunsicherten Großbritannien zu untersuchen. Die Herausgeberinnen Sarah Apetrei und Hannah Smith verordnen das Thema geschickt im gesellschaftspolitischen Kontext, wobei sie auch auf die höchst unterschiedlichen und sich zum Teil widersprechenden religiösen und gesellschaftlichen Strömungen hinweisen, die das Zusammenleben auf den Inseln beeinflussten. Prägend waren besonders die Erfahrungen des Bürgerkriegs und des Interregnums sowie die von königlicher Seite zeitweise geförderte katholische Renaissance und die damit einhergehenden antikatholischen Ängste, die auch nach 1714/15, als der Thron an das protestantische Haus Hannover übergegangen war, weiterbestanden. Hinzu kam eine neue, durch die Ideen der Aufklärung bedingte, Sicht auf Religion, die in vieler Hinsicht konträr zu den bislang vorherrschenden Frömmigkeitsbestrebungen stand.
Entsprechend geht es Apetrei und Smith um die Wechselwirkungen zwischen Glauben und politischem Engagement ihrer Protagonistinnen. Damit verknüpft ist die Frage nach dem Umgang mit den ihnen gesteckten geschlechter- aber auch konfessionell bedingten Handlungsgrenzen. Durch den Fokus auf den weiblichen Erfahrungsraum wollen sie das Verständnis für religiöses Engagement von Laien und deren Verbindung zu klerikalen Debatten generell vertiefen. Damit wenden sie sich gegen das lange dominierende Paradigma eines Rollbacks nach dem starken politischen wie religiösen Engagement von Frauen in der Bürgerkriegszeit. Im Gegenteil argumentieren sie, dass gerade die große religiöse Unsicherheit den Frauen Handlungsspielräume eröffnete.
In einzelnen Fallstudien werden das religiöse Leben und Denken von Frauen mit sehr unterschiedlichen sozialen, konfessionellen und politischen Hintergründen beleuchtet: Dissenters und religiöse Exilantinnen finden ebenso Beachtung wie Vertreterinnen des anglikanischen Establishments; schottische Presbyterianerinnen und englische Nonkonformistinnen ebenso wie Katholikinnen. Eine ähnliche Bandbreite weisen die Quellen auf, die herangezogen werden, um das Denken und Handeln dieser Frauen zu erschließen. Sie reichen von Briefen, philosophischen und gesellschaftspolitischen Schriften sowie Theaterstücken der Frauen selbst bis hin zu biografischen Darstellungen durch Dritte. Eine stärkere methodische Reflexion dieser Vielfalt, zumindest in der Einleitung, wäre mit Sicherheit gewinnbringend gewesen, da sich abhängig von den jeweiligen Quellen doch recht unterschiedliche Perspektiven auf die untersuchten Frauen ergeben.
In den ersten beiden Beiträgen von Alison Searle und Sarah Apetrei stehen verschiedene weibliche Lebensformen im Mittelpunkt. Searle beleuchtet anhand zweier sehr unterschiedlicher Fallbeispiele aus dem protestantischen Nonkonformismus das Erleben einer doppelten Ausgrenzung aufgrund von Geschlecht und Glaube innerhalb der Ehe. In dem einen Fall handelt es sich um eine gescheiterte Ehe, die von der Protagonistin als Analogie zur Beziehung Gottes zur existierenden Kirche interpretiert wird. Der andere Fall beschäftigt sich dagegen mit dem Spannungsverhältnis zwischen spiritueller Ebenbürtigkeit und Geschlechterhierarchie in einer funktionierenden Ehe. Beide Beispiele zeigen, wie Frauen sich innerhalb der Ehe im religiösen Diskurs Handlungsspielräume erarbeiten konnten. Apetrei wiederum setzt sich mit den gesellschaftlichen Diskursen zum Zölibat auseinander. Obwohl das weibliche Zölibat gesamtgesellschaftlich entschieden abgelehnt wurde, bot es gerade in milleniaristischen Gruppen einen Weg zu religiöser Freiheit und verdeutlicht damit die Vielschichtigkeit der britischen Gesellschaft.
Der Rolle von Frauen für das Überleben unterdrückter bzw. exilierter Glaubensgemeinschaften widmen sich die Beiträge von Alasdair Raffe und Claire Walker. Raffe richtet dabei seinen Blick nach Schottland und hebt die Bedeutung von Frauen für den Presbyterianismus insbesondere während der Phase der Wiedereinführung der Episkopalkirche aber auch darüber hinaus hervor. Walker wiederum wendet sich den Katholikinnen zu, genauer gesagt englischen Frauenklöstern auf dem Kontinent, die sich zu wichtigen Anlaufstellen für exilierte Jakobiner entwickelten. Mehr noch, die Verehrung der Stuarts und deren Unterstützung wurde ein wesentlicher Teil der Klosteridentitäten, was mit einer klaren politischen Positionierung dieser Frauenklöster einherging.
Damit wendet sich der Sammelband von den religiösen Minderheiten dem religiösen Establishment der Anglikanischen Kirche zu. Für den Leser wäre es hier sicherlich hilfreich, wenn diese klare Differenzierung, die in der Einleitung durchaus hervorgehoben wird, direkt im Inhaltsverzeichnis sichtbar wäre.
Mit Königin Mary II. rückt eine zentrale politische Figur in den Blick, die allerdings meist im Schatten ihres Mannes und Co-Monarchen Wilhelm III. steht, wodurch ihre engagierte und eigenständige Personalpolitik, mit der sie die Church of England auch über ihren Tod hinaus prägte, bislang zu wenig Beachtung fand (Melinda Zook).
In den verbleibenden Beiträgen stehen jene Frauen im Mittelpunkt, die durch ihre schriftstellerischen Tätigkeiten Teil der männlich dominierten Gelehrtenwelt waren. Dies gilt insbesondere für Damaris Masham, deren Briefwechsel mit John Locke und Gottfried Wilhelm Leibniz von Sarah Hutton auf religiöse Inhalte untersucht werden. Hutton kommt dabei zu dem Schluss, dass für Masham der religiöse Diskurs eine Möglichkeit darstellte, an intellektuellen Debatten teilzunehmen. Eine Neubewertung der religiösen Schriften Mary Astells nimmt William Kolbrener vor, indem er betont, dass ihre Verteidigung des Anglikanismus mitnichten rückwärtsgewandt war, sondern im Gegenteil geschickt auf die Sprache und Argumentationsweise der Aufklärung - gegen die sie sich wandte - zurückgriff. Dass auch auf Seiten der Whigs Frauen sich aktiv für ihre Rechte, gerade auch im religiösen Bereich einsetzten, zeigt das Beispiel von Susanna Centlivre, die in ihren Theaterstücken religiös und politisch aktive Protagonistinnen schildert. Der letzte Beitrag widmet sich Catherine Talbot, ihren Schriften und ihrem kirchenpolitischem Engagement als Vertraute im Haushalt von Thomas Secker, ab 1758 Erzbischof von Canterbury.
Insbesondere diese Vielfalt der Beispiele, die die große Bandbreite des religiösen und politischen Erlebens und Handelns von Frauen verdeutlichen, macht den vorliegenden Band so reizvoll. Es wird deutlich, dass gerade das religiöse Erleben trotz aller Einschränkungen den Frauen mitunter einigen Handlungsspielraum eröffnete, den die hier untersuchten Fallbeispiele auch bereit waren zu nutzen. Insgesamt handelt es sich um einen sehr ausgewogenen und reflektierten Sammelband, dem es gelingt, die Einzelfälle in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einzubinden und der somit deutlich über eine Ansammlung von Fallstudien hinausgeht.
Lena Oetzel