Daniel Hofmann / Hans-Heinrich Jansen / Anke Löbnitz (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VI. Reihe. Band 5: 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1978, München: Oldenbourg 2011, LXII + 1065 S., 12 Farb-, 18 s/w-Abb., ISBN 978-3-486-58561-2, EUR 99,80
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Hans-Heinrich Jansen (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VI. Reihe. Band 6: 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980, Berlin: De Gruyter 2015, LXXII + 870 S., 43 Abb., ISBN 978-3-11-034641-1, EUR 89,95
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Remko Leemhuis: "Ich muß deshalb dringend von jeder zusätzlichen Aktion für Israel abraten.". Das Auswärtige Amt und Israel zwischen 1967 und 1979, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2020
Annette Mertens (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VII. Reihe. Band 1: 1. Oktober 1982 bis 31. Dezember 1984, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2018
Maria von Loewenich / Jörn Petrick (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VI. Reihe. Band 7: 1. Januar 1981 bis 1. Oktober 1982, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2016
Die zweite Hälfte der 1970er Jahre war keine gute Zeit für Fortschritte in den deutsch-deutschen Beziehungen. Dies lag weniger an den Akteuren in Bonn und Ost-Berlin. Negativ entwickelte sich insbesondere das Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunion. US-Präsident Jimmy Carter war eigentlich ein Freund der Entspannungspolitik; 1979 schloss er den SALT II-Vertrag mit der Sowjetunion ab. Aber er startete auch eine Menschenrechtspolitik, die zwar in manchen Ländern der "Dritten Welt" positiv wirkte, von Moskau jedoch als Einmischung in innere Verhältnisse abgelehnt wurde. Washington wiederum wähnte die UdSSR geostrategisch auf dem Vormarsch, in Äthiopien, Angola und andernorts. Die Modernisierung der sowjetischen Mittelstreckenraketen durch die SS 20 ab 1976 löste die "Nachrüstungs"-Debatte aus, die im Dezember 1979 zum NATO-Doppelbeschluss führte. Wenige Tage später marschierte die Rote Armee in Afghanistan ein. Viele westliche Staaten, auch die Bundesrepublik, boykottierten daraufhin die Olympischen Spiele in Moskau.
Die maßgeblichen Kräfte in der DDR und in der Bundesrepublik versuchten zu retten, was zu retten war. Aber sie konnten und wollten sich nicht gänzlich von der weltpolitischen Dynamik und von Blockloyalitäten abkoppeln, auch wenn der Spielraum der Bundesregierung erheblich größer war als der des SED-Politbüros. Aus kleinen Schritten wurden notgedrungen Trippelschritte. Und natürlich galt weiterhin der grundsätzliche Systemunterschied: Menschliche Erleichterungen waren für die DDR kein Motiv von Gewicht, ebenso wenig der Zusammenhalt der Nation. Ihr ging es um noch mehr förmliche Anerkennung und um mehr Devisen für die schwächelnde Wirtschaft. Für Letzteres wirkte recht effektiv Alexander Schalck-Golodkowski; DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der einen direkten Zugang zu Honecker hatte, war eine weitere zentrale Figur in den beiderseitigen Beziehungen.
In Einem traf man sich doch: Auf deutschem Boden sollte nie wieder Krieg stattfinden, geschweige denn von deutschem Boden ausgehen. Die Sowjetunion beäugte die Westpolitik der DDR kritisch. Sie warnte vor zu vielen Zugeständnissen gegenüber der Bundesregierung, besonders im Bereich menschlicher Kontakte. Als Reaktion auf den sowjetischen Druck und angesichts der Krise in Polen verhärtete sich die Haltung der DDR gegenüber der Bundesregierung. Den Höhepunkt der Abgrenzungspolitik bildete Honeckers Geraer Rede vom Oktober 1980, in deren Mittelpunkt das Verlangen nach Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch Bonn stand. Ein deutsch-deutsches Gipfeltreffen, das ab 1979 geplant war, wurde erst von Moskau verhindert, dann durch die Zuspitzung der Lage in Polen gestört und konnte im Berichtszeitraum 1977-1980 nicht mehr stattfinden. Die wiederholten Anläufe durchziehen den zweiten der hier besprochenen Bände wie einen roten Faden. All dies wird durch eine exzellente Aktenauswahl nachvollziehbar gemacht.
Auf beiden Seiten waren die Beziehungen Chefsache. Das darf in Teilen durchaus wörtlich genommen werden: Das Plenum des Politbüros oder das Bundeskabinett befassten sich eher selten mit diesen Fragen. Willi Stoph, Vorsitzender des Ministerrats der DDR, bemängelte dies ausdrücklich, zumal er Honecker und dessen Adlatus Günter Mittag mangelnde Festigkeit gegenüber der Bundesregierung vorwarf. Personelle Unstimmigkeiten gab es auch auf westlicher Seite: Nach der Bundestagswahl von 1980 wechselte Kanzler Schmidt den Leiter der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin aus. Günter Gaus, noch von Willy Brandt ausgewählt, musste gegen seinen Willen weichen, der Schmidt-Vertraute Klaus Bölling trat an seine Stelle. Gaus hatte vergeblich versucht, Brandt bei Schmidt vorstellig werden zu lassen. Es dürfte zur Ablösung von Gaus beigetragen haben, dass er gegen den Willen des Bundeskanzlers vehement daran festhielt, den für 1980 geplanten Besuch Schmidts in der DDR durchzuführen.
Deutlich wird in den Dokumenten die besondere Rolle des Kontaktes zwischen Herbert Wehner, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, und Erich Honecker, der ihn aus Tagen des gemeinsamen antifaschistischen Kampfes im Saarland kannte und offenkundig über alle politischen Differenzen hinweg weiterhin hoch schätzte, wie man besonders Dokument 31 in Band 5 entnehmen kann. Die enge Verbindung ging so weit, dass Honecker Wehner im Juli 1977 den Entwurf eines Schreibens an Schmidt zukommen ließ und Wehner bat, gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu formulieren. Der SPD-Fraktionsvorsitzende war jedoch so loyal, dass er Schmidt den ganzen Vorgang zur Kenntnis brachte, verbunden mit dem Hinweis, dass sich Honecker nicht mit zwei "n" schreibe. Mehrfach war zuvor der Name des Staatsratsvorsitzenden in Schriftstücken aus dem Bundeskanzleramt falsch geschrieben worden. Im November 1979 legte Honecker dem Bundeskanzler gegenüber Wert darauf, dass die Besuchsvorbereitungen nicht nur über Hans-Jürgen Wischnewski und Rechtsanwalt Vogel erfolgten, sondern dass auch Wehner einbezogen werde. "Er wolle bei ihm keine falschen Gefühle aufkommen lassen. Hier stehe Vertrauen gegen Vertrauen." (Band 6, 288). Der Beratung im August 1980 mit Helmut Schmidt und anderen Spitzenpolitikern über die vorläufige Absage des DDR-Besuchs blieb Wehner fern, um die Entscheidung nicht mit verantworten zu müssen.
Als noch kein direktes Treffen in Aussicht stand, telefonierten Honecker und Schmidt mehrfach miteinander. Band 5 dokumentiert drei dieser Gespräche, jeweils sowohl durch die bundesdeutsche wie auch durch die ostdeutsche Überlieferung. In dem Telefonat vom Januar 1978 erklärte Honecker, beide deutsche Staaten müssten den Entspannungsprozess nicht nur hinnehmen, sondern auch fördern. Schmidt stimmte zu und erklärte, er überlege, den Satz in seine nächste Regierungserklärung aufzunehmen. In der Tat geschah dies, ohne jedoch Honeckers Urheberschaft auch nur anzudeuten. (Band 5, 495) Nicht nur anekdotische Bedeutung hatte Schmidts Frage an Honecker im Oktober 1978, wie es um die Gesundheit des Generalsekretärs der KPdSU stehe. Der SED-Generalsekretär versicherte, er habe einen positiven Eindruck gewonnen. Bis hierhin stimmen die westliche und die östliche Gesprächsaufzeichnung überein. Was die DDR-Seite nicht festhielt, war Honeckers erläuternder Zusatz, man habe gemeinsam eine Flasche Wodka geleert. Fraglich ist, ob dies für Helmut Schmidt eine beruhigende Mitteilung war.
Nicht immer ging es um Probleme von essentieller Bedeutung, jedenfalls vordergründig, aber Statusfragen waren auch Machtfragen. Im November 1979 befasste man sich mit einem möglichen Abspielen des Deutschlandliedes in West-Berlin. Der König von Tonga wollte eine Opernaufführung im Westteil der Stadt besuchen. Die "Bonner Vierergruppe" aus Vertretern der Westalliierten und der Bundesregierung nahm sich auf französische Bitte der Frage an, ob bei diesem Besuch das Lied gespielt werden dürfe. Und dies obwohl auch Paris nicht damit rechnete, dass bei der normalen Repertoirevorstellung die Hymne erklingen werde. Bei Staatsbesuchen, so die französische Haltung, dürfe das Deutschlandlied in West-Berlin nicht gespielt werden. Die Briten verwiesen hingegen darauf, dass selbst die Sowjets bei einem kurz zurück liegenden Präzedenzfall nicht protestiert hätten. Das Lied dürfe nur nicht, so London, demonstrativ gespielt werden. Die USA verhielten sich pragmatisch: Es existiere gar kein Problem, da nicht beabsichtigt sei, beim Besuch des Königs von Tonga das Deutschlandlied aufzuführen.
Wichtige Stationen der deutsch-deutschen Beziehungen 1977 bis 1980 werden sowohl durch die DDR- als auch durch die bundesrepublikanische Überlieferung dokumentiert. Neben staatlichen Archiven sind das Archiv Helmut Schmidt in Hamburg und das Bonner Archiv der sozialen Demokratie wichtige Fundorte für die Bearbeiter gewesen. Band 6 bringt eine benutzerfreundliche Neuerung: Endlich sind im Dokumentenverzeichnis auch Seitenzahlen angegeben.
Bernd Rother