Matthias Bange: Kreditgeld in der römischen Antike. Ursprünge, Entstehungen, Übertragung und Verbreitung (= Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike; Bd. 33), Rahden/Westf.: Verlag Marie Leidorf 2014, 303 S., ISBN 978-3-86757-261-3, EUR 54,80
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Die Dissertation von Matthias Bange, die wohl (7) in einer nicht überarbeiteten Form als Monographie publiziert wurde, beschäftigt sich mit der Existenz von Kreditgeld in der römischen Antike und mit den Formen der Kreditgeldschöpfung, insbesondere in der späten Republik und in der frühen Kaiserzeit. Der erste Punkt ist in der Tat in den letzten Jahren schon rezipiert worden. [1] Die Verortung dieses Themas in der Debatte zwischen "Primitivismus" und "Modernismus" (13-14) scheint deshalb nicht völlig korrekt zu sein, denn die Forschung hat sich schon seit einiger Zeit von diesen beiden Modellen entfernt. Bange kennt die neueste Literatur, die benutzt und zitiert wird, scheint aber ein "rückständigeres" Bild der Forschung anbieten zu wollen, vielleicht um die Originalität der eigenen Ergebnisse hervorzuheben. So wird De Martino z.B. als "symptomatisch für die antike Wirtschaftsgeschichte" (15) definiert. Sein Buch wird darüber hinaus mit Publikationsdatum 1991 ausgestattet und der Eindruck erweckt, dass die neuere Forschung bei solchen Ideen geblieben sei. 1991 ist aber das Publikationsjahr der deutschen Übersetzung, während die Storia economica di Roma antica 1979-1980 publiziert wurde. Generell verweist der Autor bei gewissen Punkten, die am Rand seiner Dissertation stehen, auf eher veraltete Literatur, und De Martino wird z.B. zum einzigen Nachschlagewerk für die römischen Publicani (18).
Nach der Einleitung (13-24) skizziert der Autor zuerst die wichtigsten Begriffe der Geldtheorie, die für den Rest der Arbeit grundlegend sind (25-42). Ihm gelingt es, diese Begriffe in einer Form, die für ein breites Spektrum von Lesern verständlich ist, gut zu verdeutlichen. Insbesondere wird hier deutlich erklärt, wie Kreditgeldschöpfung auch in Abwesenheit einer Zentralbank stattfinden kann - ein zentraler Punkt für den Rest der Arbeit. Auch in diesem Fall scheint er aber teilweise veraltete Literatur zu nutzen. Falls diese eine absichtliche Entscheidung ist (etwa weil Geldtheorie aus der Zeit des Goldstandards für antike Umstände geeigneter ist), wäre sie expliziter zu thematisieren. Und eine größere Aufmerksamkeit für die anthropologische Theorie des Wertes und des Tauschs hätten geholfen [2] - insbesondere weil der Autor in einer sehr überzeugenden Art die Mechanismen, die er untersucht, auch in die Sozialgeschichte einbettet (s. unten) und schon in diesem Teil auf die "Reputation" hinweist, die in der römischen Welt für erfolgreichen Handel notwendig war (39).
Im dritten Abschnitt geht es um die Definition der verschiedenen Sorten von Kreditgeld, die im antiken Rom existierten (43-104). Die verschiedenen Begriffe, etwa obligatio, nomina, syngrapha usw. werden ausführlich analysiert und in ihrer praktischen Wirkung überzeugend interpretiert. Bange versucht aber teilweise eine zu "normative" und allumfassende Definition für diese Begriffe zu finden und räumt zu selten die Möglichkeit ein, dass lokale Traditionen in verschiedenen Provinzen zu verschiedenen Begriffen und Modi geführt haben könnten; noch weniger wird die Möglichkeit betrachtet, dass bestimmte Institute auch eine diachronische Entwicklung gehabt haben können. Dies wird in der Tat nur im Fall des receptum argentarii ausführlich besprochen (82-85).
Der vierte Abschnitt, der die Formen der Übertragung und Schöpfung des Kreditgelds beschreibt, bildet den interessantesten und originellsten Teil der Arbeit (105-160). Besonders wichtig ist die Einbettung der finanziellen Mechanismen in den sozialen Alltag der Römer und die klare Betonung der Rolle der sozialen Netzwerke in der Erschaffung von "Reputation" und deshalb in der Ermöglichung von Kredit (120-136). Es sei nur angemerkt, dass Banger vielleicht zu wenig zwischen Kredit an "private Individuen" und an Städte, Könige usw. unterscheidet. Die Einbettung der Letzteren in die genannten sozialen Netzwerke hätte vielleicht besser untersucht werden können (s. z.B. der Fall der Salaminier, 124-130; hier sei auch angemerkt, dass die Schulden, die der römische Staat bei seinen Bürgern aufnahm, insbesondere im Lauf der punischen Kriege, nie erwähnt werden), auch in Bezug auf die Vor- und Darstellungen von Hegemonie und imperium und auf die Diskurse über die römische Behandlung der amici et socii populi Romani.
Nachdem der Autor überzeugend zeigen konnte, dass das antike Rom die Kreditgeldschöpfung kannte, wird im fünften Abschnitt detailreicher das Kreditgeld in Ägypten untersucht (161-195). Bange erklärt ganz genau, welche Probleme mit der Verwendung von ägyptischen Papyri einhergehen und insbesondere mit der eventuellen Übertragung ihrer Informationen auf das gesamte Reich. Eine ausführliche Analyse solcher Papyri ist jedenfalls völlig angemessen und verdeutlicht viele konkrete Aspekte, die nur für diese Region bekannt sein können. Es sei nur kurz angemerkt, dass Bange nie auf die Existenz einer getrennten Währung für Ägypten hinweist - dies könnte aber relevant sein in der Übertragung von Krediten über die Grenzen der Präfektur hinaus.
Der sechste Abschnitt (197-252), der eine Quantifizierung des Volumens des Kreditgeldes im alten Rom versucht, leidet unter den Problemen, die alle ähnlichen Versuche haben. Besonders schwach scheint die generelle Prämisse: Bange hat Recht, wenn er sagt, dass es unmöglich sei zu beweisen, dass die Menge des Kreditgelds eine Funktion des Volumens des gemünzten Geldes sei; überraschenderweise versucht er jedoch genau nach einer solchen Funktion die Quantität zu definieren, weil der andere - und korrektere - Weg eigentlich zu keinem weiteren Schritt führen kann (198). Bestimmte Aussagen, etwa dass es in der Antike keine dauerhafte Inflation gab (201), treffen nicht zu, insbesondere wenn man die Analyse weiter in die Spätantike führen will. [3] Interessanter wird der Abschnitt, wenn der Autor von einer quantitativen zu einer qualitativen Bewertung der Rolle des Kreditgeldes im römischen Wirtschaftsleben übergeht. Bange hebt insbesondere hervor, dass die relativ kleine Anzahl von Münzen, die archäologisch gefunden werden, weder als Zeichen einer mangelhaften Monetarisierung zu verstehen ist - diese kann durch die Existenz von Kredit gut erklärt werden. Da muss man sicherlich zustimmen - Bange ist jedoch nicht der erste, der diese These formuliert und Harris war schon zum selben Schluss gekommen.
Insgesamt sind die Hauptthesen von Herrn Bange gut begründet und sehr überzeugend, selbst wenn sie nicht immer so neu und originell sind, wie er es sich wünscht. Der Beitrag zum Verständnis der Schöpfung von Kreditgeld ist jedoch zweifellos sehr wichtig und teilweise bahnbrechend.
Umso mehr stört es den Leser, dass das Buch insgesamt sprachlich und stilistisch große Schwächen aufweist. Grammatikalische Fehler (darunter mehrmals "das" für "dass"!) sind fast auf jeder Seite zu finden, und auch wiederkehrende Tippfehler (z.B. "Puetoli" für Puteoli) sind vorhanden. Selbst eine gespürte Notwendigkeit sehr schnell zu publizieren kann solche Fehler keinesfalls in einer Dissertation, und umso weniger in der daraus entstehenden Monographie, rechtfertigen.
Anmerkungen:
[1] U.a. s. S. Mrozek: Zum Kreditgeld in der frühen römischen Kaiserzeit, in Historia 34 (1985), 310-323; J. Andreau: Banking and Business in the Roman World, Cambridge 1999; W. V. Harris: The Nature of Roman Money, in Id. (ed..): The Monetary Systems of the Greeks and the Romans, Oxford 2008, 174-207.
[2] Etwa D. Graeber: Toward an Anthropological Theory of Value, New York 2001; Id.: Debt. The First 5000 Years, Brooklyn 2011.
[3] S. etwa L'inflazione nel IV secolo, Roma 1993; M. Asolati / G. Gorini (a cura di), I rinvenimenti monetali e i processi inflativi nel mondo antico e medievale, Padova 2008.
[4] S. Fn. 1.
Filippo Carlà-Uhink