Anna Leone: The End of the Pagan City. Religion, Economy, and Urbanism in Late Antique North Africa, Oxford: Oxford University Press 2013, XXII + 319 S., ISBN 978-0-19-957092-8, GBP 74,00
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Das Ende der paganen Kulte und Glaubenspraktiken ist Teil des komplexen, spätantiken Transformationsprozesses, der das römische Reich und seine Nachfolgestaaten nachhaltig veränderte. Mit Nordafrika hat Anna Leone ein ihr vertrautes Arbeitsgebiet [1] herausgegriffen, das eine Fülle narrativer, epigrafischer und archäologischer Quellen zum Thema bietet und für das eine übergreifende Studie, die das Ende des Heidentums dezidiert aus archäologischem Blickwinkel anging, bislang fehlte. Nicht eingeschlossen sind die paganen Kulte auf dem Land, was angesichts der Publikationslage zwar verständlich ist, aber von vornherein wichtige Fragen zum Fortleben des nordafrikanischen Heidentums offenlässt.
Leones Leitfrage lautet, wie sich das Ende der paganen religiösen Traditionen im archäologischen Befund niederschlägt. Im einleitenden Kapitel (1-26) gibt sie nach kurzer Erörterung des problematischen Begriffspaars Heiden und Christen einen historischen Überblick über die religiösen Traditionen im spätantiken Nordafrika vom 4. bis mittleren 6. Jahrhundert. Darauf folgt die Analyse der für die Fragestellung wichtigsten Quellengattungen. Zunächst wendet sich Leone der Monumentalarchitektur zu und geht dem Schicksal der heidnischen Kultbauten in der Spätantike nach (27-82). Außer der Frage, wann ihr ursprünglicher Zweck, nämlich die Pflege der heidnischen Kulte, endete, steht die weitere Nutzung der Tempelbauten obenan. Die in der Kapitelüberschrift gestellte Frage, ob Tempel (regelhaft) in Kirchen umgewandelt wurden, ist dabei eigentlich nur rhetorisch zu verstehen, denn mehrheitlich kam es dazu gerade nicht, wie Leone betont (66).
Die epigrafischen Zeugnisse zur heidnischen Priesterschaft bilden den Kern des dritten Kapitels (83-119). Eine Besonderheit Nordafrikas ist die große Anzahl später Belege von Priestern des Kaiserkults (flamen bzw. flamen perpetuus) und der sacerdotales oder sacerdotes provinciae, deren Nachweise vom 4. bis 6. Jahrhundert die Autorin in Appendix 1 (245-254) zusammengetragen hat. Lassen sich letztere bis in das späte 4. oder frühe 5. Jahrhundert hinein nachweisen, so überlebte der Kaiserkult oder besser: die damit verbundenen Ämter bis in die späte Vandalenzeit (525/6 abgefasste Inschrift aus Ammaedara / Haïdra, 92f.). Dieser spannende, aber keineswegs neue Befund [2] wird von Leone mit dem erhaltenen Bestand an spätantiken Kaiserstatuen und den wenigen Tempelbauten, die nachweislich dem Kaiserkult geweiht waren, konfrontiert. In beiden Fällen zeichnet sich ein deutlich früheres Ende ab, sodass die Priesterämter kaum mehr als Ehrentitel gewesen sein können, mit denen sich die provinzialrömische Elite noch einige Zeit danach schmückte, und zwar auch dann noch, als sie längst christlich geworden war.
Den Verbleib der in den Städten bis in das 4. Jahrhundert hinein noch in großer Zahl aufgestellten Statuen erörtert Leone im folgenden Kapitel (121-187). Nicht gewaltsame Zerstörung durch religiöse (christliche) Fanatiker, sondern planvolles Entfernen, Umsetzen oder absichtliche Einlagerung für eine mögliche spätere Nutzung prägen ihrer Meinung nach den Umgang mit den Bildwerken. Was hier allerdings fehlt, ist eine Unterscheidung nach Kultbildern und sonstigen Götterstatuen.
Sodann (189-234) beleuchtet sie die Verwendung von zumeist marmornen Spolien beim Kirchenbau. Eine wesentliche Grundlage bilden ihre Untersuchungen an der Basilika I von Sabratha, Libyen, die im Detail in Appendix 2 (255-269) nachzulesen sind. Ausschlaggebend für die zahlreich zu beobachtende Einbindung von Spolien waren nicht ideologische, sondern wirtschaftliche Aspekte: Nicht alle öffentlichen (Tempel-) Bauten konnten trotz entsprechender gesetzlicher Auflage, den öffentlichen Baubestand möglichst zu bewahren, instand gehalten werden. Umgekehrt bestand spätestens ab dem späten 4. Jahrhundert Bedarf an Baumaterial und -dekor, um neue Gebäude, besonders Kirchen, errichten und ausschmücken zu können. Dabei ging man offenbar sehr pragmatisch vor und suchte möglichst in der Nähe des neu zu errichtenden Gebäudes gelegene öffentliche Bauten aus, die abgetragen werden konnten.
Das sechste Kapitel (235-243) bringt eine Zusammenfassung der Thesen. Leone betont (243), dass das Ende des heidnischen Stadtbilds nicht als Ergebnis eines anhaltenden Konflikts zwischen Heidentum und (siegreichem) Christentum zu betrachten ist, sondern als längerer Prozess, der hauptsächlich von wirtschaftlichen Gegebenheiten diktiert wurde. Es ist gewissermaßen die Antwort einer ihrem Wesen nach profanen städtischen Gesellschaft auf die Frage, wie die überkommene Monumentalität der Städte angesichts der sich allmählich wandelnden religiösen Bedürfnisse und der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen aufrechtzuerhalten war.
Ein über 40 Seiten langes Literaturverzeichnis (271-313) beschließt die Arbeit und lässt erahnen, welche Fülle an Publikationen es für die gewählte Thematik zu verarbeiten galt. Doch sind einige Lücken auffällig. So wird deutschsprachigen Veröffentlichungen so gut wie keine Beachtung geschenkt. Das erstaunt besonders dann, wenn quasi handbuchartige Abhandlungen unberücksichtigt bleiben, die wie die Arbeiten Claudia Kleinwächters und Johannes Eingartners zum Verständnis der paganen Kulte und ihrer Inszenierung in den nordafrikanischen Städten Substantielles beitragen. [3]
Eine grundsätzliche Schwierigkeit in der Erforschung des spätantiken Nordafrika besteht im Umgang mit den zahlreichen Altgrabungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, bei denen nur selten die späten Schichten näher berücksichtigt, viel häufiger ohne ausreichende Dokumentation abgetragen wurden. Auch sind zahlreiche Grabungen bis zum heutigen Tage nicht aufgearbeitet worden. Dessen ist sich Leone zwar bewusst (3f.), lässt aber mehrfach im weiteren Verlauf der Arbeit die notwendige Vorsicht bei der Beurteilung solcher Befunde missen, etwa dann, wenn von ihr trotz vager Datierungen und kaum geklärter Befundzusammenhänge modellhafte Abläufe rekonstruiert und recht eindeutig bewertet werden (z.B. Verfall oder kontrollierter Abbau contra Zerstörung), um diese in das schon zu Beginn des Buchs (11) entworfene Gesamtpanorama einer gegen religiösen Fanatismus relativ immunen und konfliktfreien städtischen Gesellschaft einordnen zu können. Doch fragt sich der Rezensent, in welchem Maße die Grabungsergebnisse eine solche Bewertung hergeben und ob das von ihr gewählte Paradigma überhaupt zutreffend ist. [4]
Auch Leones Bewertung der Vandalenzeit (19-21 und passim) lässt Fragen zu. Denn wenngleich die Vandalen selbst archäologisch kaum sichtbar sind - die Vandalenzeit ist es durchaus. Hier wäre zum einen eine Auseinandersetzung mit den schriftlich überlieferten Zerstörungen paganer Monumentalarchitektur durch die Vandalen nach der Eroberung Karthagos (539) wünschenswert gewesen, zum anderen hätte Leone die vandalenzeitlichen (Um-)Baumaßnahmen unvoreingenommen sichten müssen. So aber gewinnt man den Eindruck, dass sie die latent negative, von Stillstand und Verfall geprägte Meinung teilt, die besonders die ältere Forschung von der Vandalenzeit in Nordafrika hatte und die bei (Alt-)Grabungen oftmals eine korrekte Datierung von Befunden verzerrt hat, weil man eher geneigt war, diese noch in die spätrömische oder erst in die frühbyzantinische Zeit einzuordnen. [5]
Grundsätzliche methodische Bedenken hat der Rezensent bei Leones Vorgehen, bisweilen historische, epigrafische und archäologische Quellen stark zu vermischen. Dass zunächst jede Quellengattung für sich behandelt werden sollte, ist gemeinhin bekannt und empfiehlt sich hier schon angesichts der komplizierten Gemengelage. Daher wäre eine zumindest im Ansatz kritischere Befundanalyse zu wünschen, die das Ende von Tempeln und Statuenweihungen auch aus rein archäologischer Sicht erhellt, ohne vorab mit historischen oder epigrafischen Daten unterfüttert zu werden.
An seine Grenzen stößt das Buch auch und gerade in dem Bemühen Leones, den Umfang überschaubar zu halten und die Sachverhalte leicht verständlich und losgelöst von komplexen Diskussionen darzulegen. Das sind hervorragende Leitlinien für eine bekannte Sachverhalte und Thesen kompilierende Darstellung. Nur verlangt das vorliegende Thema nach einer ausführlicheren Grundlagenarbeit. Weil sich Leone darauf nicht einlässt, bleibt das Gesamtergebnis - wenngleich in der Tendenz vieles richtig sein mag - doch sehr holzschnittartig.
Anmerkungen:
[1] Einbezogen wurden Fallbeispiele aus allen Provinzen der nordafrikanischen Diözese (mit Tipasa und Cherchell auch aus der Mauretania Caesariensis, wiewohl Leone diese nicht erwähnt (4) und Cherchell irrtümlich der Numidia zuordnet (148, 150 Tab. 4.1).
[2] Grundlegend: André Chastagnol / Noël Duval: Les survivances du culte impérial dans l'Afrique du Nord à l'époque vandale, in: Mélanges d'histoire ancienne offerts à W. Seston, Paris 1974, 87-118.
[3] Claudia Kleinwächter: Platzanlagen nordafrikanischer Städte. Untersuchungen zum sogenannten Polyzentrismus in der Urbanistik der römischen Kaiserzeit, Mainz 2001; Johannes Eingartner: Templa cum Porticibus. Ausstattung und Funktion italischer Tempelbezirke in Nordafrika und ihre Bedeutung für die römische Stadt der Kaiserzeit, Rahden/Westf. 2005.
[4] Differenzierter: Brent D. Shaw: Sacred violence. African Christians and sectarian hatred in the age of Augustine, Cambridge 2011.
[5] So übergeht Leone beispielsweise bei der knappen Schilderung der Transformationsprozesse in Bulla Regia (66) die vandalische Zeit ebenso wie bei ihrer Analyse der in den Ceres-Tempel von Thuburbo Maius eingebauten Kirche mit ihren beiden vandalischen Gräbern (71). - Zur Transformation von Tempeln in Kirchen ab dem 5. Jahrhundert (und damit zu einem Gutteil auch während der Vandalenzeit) schon Noël Duval: Église et temple en Afrique du Nord. Note sur les installations chrétiennes dans les temples à cour. A propos de l'église dite de Servus à Sbeitla, in: Bulletin Archéologique du Comité des Travaux Historiques NS 7 (1971), 265-296.
Christoph Eger