Ulf von Krause: Die Bundeswehr als Instrument deutscher Außenpolitik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2013, 410 S., ISBN 978-3-658-00184-1, EUR 39,95
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Ulf von Krause, ehemaliger Generalleutnant der Bundeswehr und zuletzt Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos in Köln-Wahn, beschreibt im vorliegenden Buch den Weg der Bundeswehr von einer zur Landesverteidigung im Bündnis aufgestellten Armee zur Kriseninterventionsstreitmacht des beginnenden 21. Jahrhunderts. Sein Ziel ist es, "den Wandel im Verständnis von Streitkräften als Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik" nachzuzeichnen (15). Dazu betrachtet der Autor zwei Ebenen: zum einen "das Verständnis von der Funktion der Bundeswehr bei der Politik" und zum anderen, welche Rolle den Streitkräften nach vorherrschender Meinung in der Gesellschaft zugeordnet wird (16). Oder mit anderen Worten: Er untersucht empirisch, "ob bzw. wie weit das jeweilige Verständnis von Militär als Instrument der Politik Auswirkungen auf Auftrag, Struktur, Ausrüstung, Ausbildung" hatte (17).
Der Verfasser greift weit in die Geschichte zurück und rekonstruiert unter Hinzuziehung vielfältiger Literatur die Entstehung der Bundeswehr und die bis 1990 existierenden, politisch auferlegten Selbstbeschränkungen. Diese beschreibt er vor dem Hintergrund der Blockkonfrontation und der fehlenden vollen Souveränität der "alten" Bundesrepublik. Die in den ersten Kapiteln angelegte Darstellung der Geschichte der Bundeswehr ist eine solide faktengesättigte Tour d'horizon durch ihre ersten 35 Jahre. Vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr sich erst seit 1991/92 im "Auslandseinsatz" befindet, scheint dies nicht notwendig zu sein. Doch gerade weil Krause die gesamte Geschichte der Bundeswehr nachzeichnet und dabei die teilweise widersprüchlichen Positionen der Parteien zur Sicherheitspolitik und Bundeswehr vor dem Hintergrund der sich wandelnden Aufgaben der Streitkräfte berücksichtigt, wird deutlich, dass die Bundeswehr lange Zeit in der Politik eine nachrangige Bedeutung besaß - die bis heute anhält.
Viele Minister kommen ins Amt, weil es einer machen muss, und manch einer hat die Streitkräfte mit nicht durchdachten und chronisch unterfinanzierten Strukturreformen - designed to threat or designed to budget? (213) - zu dem gemacht (besonders eindringlich die Unterscheidung der Truppe in Krisenreaktionskräfte, KRK, und Hauptverteidigungskräfte, HVK, 213-219), was sie heute sind: ein bedingt einsatzbereites Instrument einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, die sich hinter undefinierten oder wenig konzipierten europäischen Plänen versteckt und "Breite vor Tiefe" als Prinzip zu verwirklichen sucht. Dass die Bundeswehr bis heute kein "normales Instrument der Politik" ist, liegt demnach nicht an den Streitkräften selbst, sondern vor allem an der Politik. Ihr ist es nicht gelungen und sie hat es offensichtlich auch gar nicht richtig versucht, "die Gesellschaft bei der Normalisierung in der Sicht auf das Militär als Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik" mitzunehmen (353f.).
Diese schwerwiegende Feststellung konjugiert Krause an den verschiedenen Auslandseinsätzen der Bundeswehr durch, wobei denjenigen in Somalia und auf dem Balkan im Zuge der "Salamitaktik" des seinerzeitigen Verteidigungsministers Volker Rühe besondere Bedeutung zukommt (167-193). Nach Jahrzehnten, in denen die Bundeswehr als "bewaffnetes THW" Hilfslieferungen und Pioniergerät in alle Welt brachte, war die Frage, ob das vereinte Deutschland seiner internationalen Verantwortung gerecht werden würde. Selbst wenn Bundeskanzler Helmut Kohl dieses bereits am Tag nach der Vereinigung vor dem Bundestag erklärte, schaffte es die Politik nie, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien - Taktik hin oder her - standen dem im Wege (174-181). Vielmehr musste das Bundesverfassungsgericht der Politik erklären, wie das Grundgesetz zu lesen ist, und dass "Out of Area"-Einsätze - gerade im Kontext von Einsätzen unter der Führung der Vereinten Nationen (VN) - eigentlich schon seit 1973 möglich waren. Dass bereits durch die Aufnahme in die VN 1973 wie auch die entsprechenden Artikel des Grundgesetzes noch vor 1990 der Einsatz der Streitkräfte als Mittel der Sicherheitsvorsorge oder zur Unterstützung friedenserhaltender Missionen unter dem Blauen Helm der VN verfassungsrechtlich möglich und zulässig gewesen wäre, müsste jedem bekannt sein, der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 aufmerksam studiert hat.
Eine sicherheitspolitische Debatte wird in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder gefordert, aber nie geführt. Es fehlt offensichtlich am Willen, sich damit zu befassen. Aktuelle Fragen der Politik sind wohl wichtiger. Der Verzicht auf eine sicherheitspolitische Grundsatzdebatte wie auch die immer wieder bremsend auftretenden Politiker (wenn es um eine Beteiligung an einem Einsatz geht) belegen, dass die jeweilige Bundesregierung aufgrund der limitierten Fähigkeiten der Bundeswehr und der oftmals fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz für einen Militäreinsatz solche Debatten gerne vermeidet. [1] Leider bleiben die Eingangsfragen Krauses unbeantwortet. Dies liegt aber auch daran, dass die Bundeswehr eben noch kein "normales" Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik geworden ist.
Ulf von Krause hat ein gutes und wichtiges Buch vorgelegt, das die Entwicklung der Bundeswehr als Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik umfassend, detailliert und sprachlich klar nachzeichnet. Dabei scheut er keine kritischen Anmerkungen und zeigt so auf, dass "der Politik" offensichtlich bis heute nicht immer klar ist, wozu die Bundesrepublik Deutschland als herausragende politische Macht in Europa eigentlich Streitkräfte braucht. Krauses Darstellung lässt denjenigen Leser, der die Entwicklungen in der Welt realistisch betrachtet, vielfach den Kopf über die Orientierungslosigkeit und Wortklauberei derjenigen schütteln, die in Deutschland über die Politik entscheiden. Krause bietet eine umfassende Darstellung und zeichnet auf diese Weise kein gutes Bild von einer oftmals konzeptionslosen Außen- und Sicherheitspolitik - gleichgültig, welche Regierung gerade am Ruder war bzw. ist.
Anmerkung:
[1] Dazu auch Klaus Naumann: Einsatz ohne Ziel? Die Politikbedürftigkeit des Militärischen, Hamburg 2008.
Heiner Möllers