Werner Rösener / Peter Rückert (Hgg.): Das Zisterzienserkloster in Salem und seine Blüte unter Abt Ulrich II. von Seelfingen (1282 - 1311) (= Oberrheinische Studien; Bd. 31), Ostfildern: Thorbecke 2014, 263 S., 8 Kt., ca. 55 Abb., ISBN 978-3-7995-7833-2, EUR 34,00
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Der zu besprechende Sammelband geht auf eine Tagung aus dem Jahr 2011 zurück, die sich mit der "Zeit der frühen habsburgischen Könige mit dem Höhepunkt klösterlicher Herrscher-Memoria in dem neu gebauten Münster" befasste (7), die zeitlich mit dem Abbatiat Ulrichs II. von Seelfingen (1282-1311) zusammenfiel. Veröffentlicht wurden neben einer Einführung von Werner Rösener elf Aufsätze ausgewiesener Kenner des mittelalterlichen Zisterzienserordens im deutschen Südwesten. Der Band ist interdisziplinär angelegt: (Landes-)Geschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kunstgeschichte, Buchwissenschaften, Liturgiewissenschaften und Architekturgeschichte fanden ihre Berücksichtigung.
Besonders gelungen sind die Beiträge von Peter Rückert, Winfried Schich, Maria Magdalena Rückert und Uli Steiger. Peter Rückerts Beitrag beschäftigt sich mit der Gestaltung der mittelalterlichen Kulturlandschaft durch die Abtei. Rückert geht von der Prämisse aus, dass von den Zisterziensern durch die Ordensstatuten "eine programmatische Umweltgestaltung bereits zu erwarten" sei (20) und untersucht die "Bedeutung der Zisterze Salem für die Gestaltung ihrer Umwelt im Mittelalter. Dabei stehen die Veränderungen in der Siedlungs- und Kulturlandschaft des Bodenseeraums, die mit der frühen Entwicklung des Klosters verbunden waren, im Mittelpunkt. Sie werden verknüpft mit dem besonderen heilsgeschichtlichen Programm der Zisterzienser, das gerade in den Anfängen des Klosters gespiegelt wird und einige Hauptakteure hervortreten lässt [...]" (21). Diese Kombination von Fragen überzeugt. Passend zu den Ordensidealen wurde die Umwelt gestaltet, beispielsweise wurden "aus älteren Dörfern und Weilern [...] Hofgüter, Landbesitz und Siedlungsstellen konzentriert" (36).
Mit den 15 Stadthöfen und weiterem städtischen Besitz, der für Salem in ca. 30 Städten nachweisbar ist, beschäftigt sich Winfried Schich. Diese Zahlen sind ebenso bemerkenswert wie die große Anzahl an Grangien, die Salem vorzuweisen hatte. Schich begreift den Stadthof als "Handelsinstitution" (96) und macht auf die frühe Verbindung der Zisterzienser mit den städtischen Märkten aufmerksam. Er relativiert damit den Mythos, die Zisterzienser hätten lediglich für die Deckung des Eigenbedarfs gewirtschaftet, durch die Beobachtung, dass die Zisterzen auch schon früh gezielt für den städtischen Markt produzierten.
Maria Magdalena Rückert beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit den Salem zugeordneten Frauenklöstern Gutenzell, Heggbach, Heiligkreuztal, Baindt, Wald, Feldbach, Rottenmünster sowie Kalchrain und fragt nach dem Verhältnis dieser Klöster zum Abt von Salem. Von den Zeitgenossen wurde die Zugehörigkeit dieser Frauenklöster zu Salem wahrgenommen und ausgedrückt. Salem unterstützte die Klöster beispielsweise im wirtschaftlichen Bereich und übernahm die umfangreiche cura monialium. Die Ergebnisse der älteren Forschung korrigierend kann Rückert mit ihrem sehr quellenintensiven Beitrag eine enge Verflechtung von Mutter- und Tochterklöstern nachweisen.
Uli Steiger geht bei seinem Aufsatz von der Prämisse aus, dass der Unterhalt von Skriptorium und Bibliothek einen erheblichen Aufwand für die Klöster bedeutete und stellt im Anschluss die Frage nach dem Nutzen. Daraus entwickelt er seine These, dass die Schriftlichkeit für Salem, aber auch für die Zisterzienser allgemein eine enorme Bedeutung hatte. Steiger rückt vor allem die so genannte 'pragmatische Schriftlichkeit' in den Mittelpunkt seiner Forschung und kommt zu dem Ergebnis, dass diese für den Orden von besonderer Bedeutung war, da sie eine gleichförmige Organisation bedingte. Schreiben und Archivieren waren bedeutende Vorgänge in der Verwaltung einer Zisterze. In Skriptorium, Archiv und Bibliothek fand zudem ein Aufeinandertreffen von literarischer und pragmatischer Schriftlichkeit statt.
Neben den Aufsätzen liefert der Sammelband auch ein von Andreas Traub erarbeitetes Verzeichnis der Fragmente von Choralhandschriften aus Salem, die in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt werden (218-224).
Besonders hervorzuheben sind die rund 60 Abbildungen (darunter 40 farbige Abbildungen sowie acht Karten), wobei die Karten zum "Kulturraum Bodensee im frühen 12. Jahrhundert" (23) und zu den "Grangien des Klosters zwischen Donau und Bodensee um 1300" (34) sowie die farbige Rekonstruktionszeichnung des Salemer Münsters um 1319 (Knapp, Abb. 5) und die Abbildungen der Fragmente der Choralhandschriften (Traub, Abb. 1-8) gesonderte Aufmerksamkeit verdienen.
Abgerundet wird der Band durch ein Register der Orte und Personen, das einen schnellen Zugriff auf verschiedene Fragestellungen erlaubt.
Als eine Schwäche des Bandes ist anzumerken, dass mit der chronikalischen Überlieferung allzu leichtfertig umgegangen wurde. Quellenkritischer Umgang mit der Chronik von Salmannnsweiler, die wohl in den Jahren 1337-1340 entstanden, aber lediglich in einer Abschrift aus dem 16. Jahrhundert überliefert ist, lassen sich in den Aufsätzen von Werner Rösener, Christian Stadelmaier und Carola Fey, die die Chronik als Referenz heranziehen, leider nur erahnen. Gleichzeitig meldet Ulrich Knapp in diesem Sammelband wiederholt Zweifel an den chronikalisch überlieferten Baudaten des Münsters an, die etwa durch dendrochronologische Untersuchungsergebnisse für die Dachwerke nicht bestätigt werden können. Knapp kann eindrücklich nachweisen, dass für den Münsterbau nicht wie in den Klosterchroniken berichtet Abt Ulrich II. von Seelfingen alleine verantwortlich war, sondern dass es sich um eine "Abfolge von Bauunterbrechungen und Planmodifikationen" (126) handelte.
Rösener moniert zu Beginn des Sammelbandes, dass es "keine überzeugende Gesamtdarstellung" (9) zu Salem gebe, obwohl man auf das sehr gut erhaltene Archiv der bedeutenden Abtei und somit auf eine breite Quellenbasis zurückgreifen könne. Vor allem landesgeschichtliche Aspekte standen bei älteren Veröffentlichungen zu Salem im Mittelpunkt. Mit dem lobenswerten interdisziplinären Ansatz hat dieser Band eine Basis für weit größer angelegte Forschungen zum mittelalterlichen Kloster Salem geschaffen. Indem man sich auf eine kurze Periode der langen Geschichte des Klosters konzentrierte, konnte dieser Zeitabschnitt von verschiedenen Standpunkten und Forschungsdisziplinen betrachtet werden. Naturgemäß kann ein Sammelband keine "überzeugende Gesamtdarstellung" ersetzen, dafür aber dazu anregen, sich weiter mit dem mittelalterlichen Kloster zu befassen.
Eine weitere Stärke des Bandes neben seiner Interdisziplinarität ist der weite Blick der einzelnen Beiträge. Die Forschungsergebnisse werden stets in den Kontext aktueller Forschungen zum Zisterzienserorden bzw. zur Filiation Salems gestellt, das über Lützel und Bellevaux aus der Filiationslinie von Morimond stammt.
Den Herausgebern ist es mit ihrem Konzept und der Auswahl der Beiträger gelungen, ein beeindruckendes Schlaglicht auf die aktuelle Forschung zu Salem und dem Orden allgemein zu werfen sowie die Möglichkeiten aufzuzeigen, die eine umfassende Betrachtung einer mittelalterlichen Zisterze bietet.
Julia Bruch