William R. Reynold, Jr.: The Cherokee Struggle to Maintain Identity in the 17th and 18th Centuries, Jefferson, NC: McFarland & Company 2015, X + 425 S., ISBN 978-0-7864-7317-5, GBP 52,00
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Die Cherokee-Indianer siedelten im 17. und 18. Jahrhundert im Südosten Nordamerikas. Sie bildeten eine mächtige und bevölkerungsstarke Konföderation. Während die Europäer sich an der Ostküste ansiedelten, expandierten die Cherokee nach Westen. Sie unterwarfen Ethnien wie die Tuscarora, die Shawnee und die Creek. Auch nach Osten hin gelang es ihnen, trotz des europäischen Vordringens in ihre Siedlungsgebiete, sich Handlungsspielräume zu bewahren. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert versuchten sie, einen eigenen Nationalstaat zu etablieren. In den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts wurden die Cherokee von ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten nach Westen vertrieben. Auf dem "trail of tears" kamen Tausende von ihnen ums Leben. William R. Reynolds erzählt die Geschichte der Cherokee von ihren ersten Begegnungen mit den Europäern bis zu diesem Einschnitt im 19. Jahrhundert.
Der Verfasser des Buches ist kein Fachhistoriker, sondern ein pensionierter Ingenieur, der seine Familiengeschichte untersucht. Über einen seiner Vorfahren, den Revolutionshelden Andrew Pickens, hat Reynolds bereits eine Biografie verfasst. Im Zuge seiner Forschung zu Pickens ist er auf einen weiteren Ahnen gestoßen, und zwar auf Chief Doublehead, der ein führendes Mitglied der Chickamauga Cherokee war. Nach dem Unabhängigkeitskrieg verhandelte Doublehead mit der US-Regierung die Landfrage und überließ ihr weite Teile des Siedlungsgebietes der Cherokee. Nicht nur wegen dieser Zugeständnisse, sondern auch weil er sich bei den Verhandlungen persönlich bereichert hatte, wurde er 1807 bei einem Treffen der Cherokee brutal ermordet. Aus dem Verwandtschaftsverhältnis zu Chief Doublehead leitet William R. Reynolds sein Interesse am Schicksal der Cherokee im 17. und 18. Jahrhundert her.
Seine Darstellung folgt den üblichen Konventionen. In zehn Hauptkapiteln wird ein chronologischer Überblick über die historische Entwicklung gegeben. Die ersten Kapitel behandeln die frühen Kontakte der Cherokee mit den Europäern. Es wird aufgezeigt, wie die Cherokee durch ihre Bündnispolitik und eine gewisse Adaptionsbereitschaft eigene Interessen gegenüber den Europäern sicherten. In den folgenden Kapiteln wird das 17. Jahrhundert ziemlich knapp abgehandelt.
Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den Kriegen, die die Cherokee im 18. Jahrhundert als Gegner oder als Verbündete verschiedener europäischer Kolonialmächte führten. Im Siebenjährigen Krieg kämpften die Cherokee auf britischer Seite. Reynolds beschreibt wie sie in zunehmende Abhängigkeit von britischen Waffenlieferungen und Konsumgütern gerieten. Gleichzeitig führten Kontroversen über den Verkauf von Siedlungsland und das Abschließen von Verträgen mit den Briten zu wachsender Fraktionalisierung. Reynolds sieht die Cherokee hier als Opfer des rücksichtslosen Machtstrebens der Briten, die ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachkamen, der Kultur der Cherokee keinen Respekt entgegenbrachten und sie beim Landkauf übervorteilten. Er hält es für einen schweren bündnispolitischen Fehler, dass sich die Cherokee im Unabhängigkeitskrieg mehrheitlich den Briten anschlossen. Die Folge sei gewesen, dass sie den Angriffen der aufständischen Kolonisten ausgesetzt wurden, die ihre Dörfer und Siedlungen dem Erdboden gleich machten. Das Buch endet mit einem klassischen Showdown: Reynolds rekonstruiert wie Chief Doublehead von einigen Verschwörern nach einem Trinkgelage umgebracht wurde. Er endete mit zerschossenem Unterkiefer und gespaltenem Schädel in einer Taverne, allerdings nicht, ohne vorher einige Skalps zu nehmen und seinen Konkurrenten Bone Polisher zu töten.
Der akademische Leser sei darauf verwiesen, dass sich dieses Buch nicht auf der Höhe des neuesten Forschungsstandes bewegt. Reynolds' Narrativ vom Niedergang der Indianer in kolonialer Zeit und ihrer Vernichtung in den Indianerkriegen des 19. Jahrhunderts wird von der Forschung derzeit neu bewertet. Die Historiker fokussieren die indianische Geschichte nicht mehr ausschließlich auf die Auseinandersetzungen mit den Europäern, sondern sie bemühen sich, die kontinentale Integration der Ethnien an der Ostküste besser zu berücksichtigen. Die Ethnien, auf die die Europäer an der Ostküste Nordamerikas trafen, waren über innerkontinentale Kommunikations- und Handelsnetzwerke oft über weite Entfernungen hinweg nach Westen integriert. Große Verbände wie die Komantschen werden in neuen Arbeiten als Imperiengründer beschrieben, die die europäischen Kolonisten in die Rolle von Vasallen drängten. Solche Interpretationen werden von Reynolds nicht beachtet. Er bleibt ganz in der auf das europäische Einwirken bezogenen Ereignisgeschichte verhaftet und präsentiert die Geschichte der Cherokee als eine Kontinuität von Krieg, Zerstörung und Vertreibung. Auch Ansätze aus der postkolonialen Theorie werden nicht aufgegriffen. Begriffe wie "Identität" oder "Nation" bleiben unerklärt.
Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes Buch. Eine wichtige Qualität ist seine Quellennähe. Reynolds zitiert aus den Reiseberichten von William Bartram, Alexander Cuming, Henry Timberlake und James Adair und erschließt dem Leser auf diese Weise die Lebenswelten wie auch die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Cherokee aus der Sicht europäischer Betrachter des 18. Jahrhunderts. Auch im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen Cherokee und Europäern lässt Reynolds die Quellen sprechen. Er zitiert aus den großen, selbst in der Übersetzung noch sehr pathetischen Reden von Attakullakulla, Dragging Canoe, Doublehead und anderen Verhandlungspartnern der Europäer und bringt dadurch Dynamik in die Erzählung. Die Verhandlungsprotokolle, aus denen er zitiert, stammen zum Teil aus bekannten Archivbeständen, er bringt aber auch neues Material aus örtlichen Archiven bei.
Der Hauptteil des Buches wird durch einen ausführlichen Anhang ergänzt, in dem einiges an Quellenmaterial abgedruckt ist und Kurzbiografien von wichtigen Cherokee und einigen Kolonisten zu finden sind. Reynolds entwickelt außerdem detaillierte Ahnentafeln, in denen er seine eigene Abstammung erklärt. "Full blood"- und "mixed blood"-Zuordnungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. So kann er denn auch nachweisen, dass genau 2,3% Cherokee-Blut durch seine Adern fließen (348). Dieser aus europäischer Sicht eher befremdlich anmutende Stolz auf den indianischen Blutanteil und die väterliche Art, mit der er den Cherokee im Nachhinein erklärt, durch welche strategischen Fehler sie sich in ihre aussichtslose Lage hineinmanövrierten, ist vor allem hinsichtlich des heutigen Umgangs vieler Südstaaten-Amerikaner mit ihrem indianischen Erbe aufschlussreich. Abgesehen davon ist Reynolds aber ein interessantes Buch gelungen. Es bietet einem breiten Publikum einen gut geschriebenen, schön bebilderten Überblick über die Beziehungen zwischen Cherokee und Europäern in der kolonialen Ära.
Ulrike Kirchberger