Lennart Gilhaus: Statue und Status. Statuen als Repräsentationsmedien der städtischen Eliten im kaiserzeitlichen Nordafrika (= Antiquitas. Abhandlungen zur Alten Geschichte; Bd. 66), Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2015, VIII + 432 S., 28 s/w-Abb., ISBN 978-3-7749-3973-8, EUR 89,00
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Städtische Eliten der römischen Kaiserzeit sind, wie Lennart Gilhaus selbst schreibt (2), kein vernachlässigter Bereich der altertumswissenschaftlichen Forschung. Entsprechendes gilt für Statuenaufstellungen bzw. statuarische Programme in den Städten des Imperium Romanum und die auf den Statuenbasen angebrachten Inschriften. Umso verwunderlicher ist, dass bislang eine systematische Aufarbeitung für das kaiserzeitliche Nordafrika fehlte, zumal (oder vielleicht gerade weil) aus dieser Region verhältnismäßig viel Material zur Verfügung steht und einzelne Städte und ihre statuarischen Programme ebenso wie Ehrungen für einzelne Amtsträger und Honoratioren bereits einschlägige Untersuchungen zuteilwurden. Hier schließt die vorliegende 432 Druckseiten umfassende Dissertation von Gilhaus eine Lücke. An dieser Stelle sei betont, dass die entsprechenden neueren Arbeiten durchweg von Gilhaus rezipiert und von ihm in seine Ausführungen einbezogen wurden. Freilich interessieren Gilhaus seiner Intension gemäß ausschließlich Statuen bzw. Statuenbasen, die eine Inschrift tragen, also Informationen über Geehrte und Ehrende vermitteln. Gilhaus nutzt die von ihm zusammengestellten und tabellarisch aufbereiteten Inschriften (321-379), um das Repräsentationsverhalten der Angehörigen der munizipalen Eliten in seinem sozialen Kontext zu fassen. Konkret heißt das, Statuen als Auszeichnungen für erbrachte oder erhoffte Leistungen, als Abbild der sozialen Ordnung und als Teil des kulturellen Gedächtnisses zu interpretieren. Gilhaus legt den Fokus seiner Arbeit auf Orte, aus denen ein beachtliches Spektrum an Material vorliegt. In seinem Kapitel "Raum und Repräsentation" zieht Gilhaus zur Untersuchung einzelner Repräsentationskomplexe die Städte Lepcis magna (Forum, Theater, Thermen, administrative und merkantile Bauten, Tempel), Bulla regia (Thermen, administrative und merkantile Bauten, Tempel), Karthago (Theater, Thermen), Sabratha (Forum, Tempel), Thugga (Theater, Tempel), Hippo regius (Thermen), Madauros (Theater), Sufetula (Forum) sowie Uchi maius (Forum) heran (163-292).
An erster Stelle widmet sich Gilhaus den zu Ehren der römischen Herrscher erstellten Statuen, die der sozialen Hierarchie gemäß für gewöhnlich größer und aufwendiger gearbeitet waren als für andere verdiente Persönlichkeiten. Außerdem gebührte den Kaiserstatuen ein besonders exponierter Aufstellungsort, den wie bei anderen Statuen der städtische Rat bestimmte. Selbstverständlich sind die Kaiser keine Mitglieder der städtischen Eliten, ihre Einbeziehung ist aber berechtigt, denn es sind die angesehensten Bürger, welche die Statuen errichten ließen. Diese Monumente bezeugen eindrucksvoll die erwartete Loyalität der Stadtgemeinde, insbesondere des städtischen Rates, zugleich boten sie für die Elite eine willkommene Möglichkeit der Profilierung (293f, 321-329). Des Weiteren gilt das Augenmerk von Gilhaus hohen Amtsträgern, städtischen Patronen, Senatoren, Rittern, lokalen Amtsträgern und Priestern, selbst Freigelassenen und Sklaven. Hinsichtlich der mutmaßlichen Verdienste der Geehrten bzw. der Motive der Ehrenden für die Statuenerstellung und deren zeitlicher Verteilung kommt Gilhaus über letztlich Bekanntes bzw. Vermutungen nicht hinaus, was freilich der mangelnden Aussagekraft des in seinem Wortlaut weitgehend uniformen epigraphischen Materials geschuldet ist.
Der Wert der anzuzeigenden Monographie liegt nicht auf dem innovativen Sektor; vielmehr kann Gilhaus aufzeigen, dass bereits gewonnene Erkenntnisse durch seine Untersuchungen untermauert werden können. So lässt sich anhand der Praxis der Statuenaufstellung der in der neueren Forschung konstatierte generelle Wandel sozialer Praktiken weiter belegen. Diese veränderten sich von Handlungen, die eher Reziprozität und Verbundenheit mit dem Gemeinwesen herausstellten, hin zu Verhaltensweisen, die eher den gesellschaftlichen Abstand zwischen Elite und Gemeinde betonen, bei gleichzeitiger zunehmender Bevorzugung semi-öffentlicher oder konzentrierter öffentlicher Räume zur Selbstdarstellung durch die führenden Familien (302). Dies verwundert freilich nicht, denn Statuen und Inschriften sind unabdingbarer Teil einer auf Dauer angelegten Selbstrepräsentation, der eine eigene Dynamik innewohnte, denn die Eliten waren sowohl von einer Aufwärtsmentalität als auch einem ausgeprägten Konkurrenzdenken motiviert. Allerdings ist es, wie Gilhaus gut untermauern konnte, verkehrt von der lokalen Elite zu sprechen. Vielmehr ist ein ausgeprägter Wunsch derjenigen, die den Aufstieg in den ordo equester oder gar den ordo senatorius schafften, zur sozialen Distinktion gegenüber 'einfachen' Notabeln zu konstatieren. Ritter und Senatoren reklamierten offenbar erfolgreich die Medien der Repräsentation, insbesondere Statuen und Monumente, für sich und ihre Angehörigen und verdrängten im Laufe der Zeit 'gewöhnliche' Honoratioren aus dem öffentlichen Raum. Darin spiegelt sich freilich eine veränderte soziopolitische Lage, denn Ritter und Senatoren gerierten spätestens im 3. Jahrhundert n. Chr. mehr und mehr zu den eigentlichen Wohltätern und Lenkern der städtischen Gemeinden, die sich häufiger in pekuniären Schwierigkeiten befanden, und daher vermutlich auch auf dem Sektor Ausgaben für öffentliche Ehrungen sparten.
Gabriele Wesch-Klein