Dick van Galen Last / Ralf Futselaar: Black Shame. African Soldiers in Europe, 1914-1922, London: Bloomsbury 2015, XII + 273 S., ISBN 978-1-4725-3103-2, EUR 93,79
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Bernard Shaw witterte 1920 eine Parallele zwischen den Imperien seiner eigenen Zeit und dem Römischen Reich, das zunächst Barbaren an Waffen ausgebildet habe, um dann deren Ansturm zu erliegen. [1] Und Stresemann sprach 1927 vor dem Zentralvorstand seiner DVP von seinem "Empfinden, als ob es in der Behandlung der Kolonialvölker keinen größeren Fehler gegeben hat, als ihre Heranziehung zum Weltkrieg [...]. Sie haben den weißen Mann kämpfen und sterben sehen, wie sie selbst gestorben sind; sie haben die Eifersucht und den Kampf der Weißen aus eigener Anschauung kennengelernt, und wenn die Götter einander bekämpfen und sich als Menschen zeigen, glauben die Menschen nicht mehr an die Götter." [2] Beide nutzten damit in unterschiedlichen Bildern bzw. Vergleichen noch einmal das Hauptargument derjenigen, die sich vor dem und im Ersten Weltkrieg dem Einsatz afrikanischer Soldaten auf dem europäischen Kriegsschauplatz widersetzt hatten: die Vormachtstellung der "weißen Rasse" werde gefährdet.
Dick van Galen Last, Bibliothekar am Amsterdamer Institut für Kriegsdokumentation, untersuchte in seiner Dissertation umfassend die Verwendung dieser afrikanischen Soldaten in Europa im und kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Da er bald nach Abschluss seines Promotionsverfahrens verstarb, erarbeitete Ralf Futselaar aus der wohl wesentlich umfangreicheren Dissertation eine Druckfassung, die nach der niederländischen Erstausgabe von 2012 nun in englischer Übersetzung vorliegt.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem französischen Einsatz von Soldaten aus den westafrikanischen Kolonien; daneben werden vergleichend Großbritannien und die Vereinigten Staaten (letztere rekrutierten afroamerikanische Soldaten) betrachtet, während Deutschland in dieser Hinsicht schnell abgehandelt ist: Es setzte mit den später vielfach mythologisierten "Askaris" Kolonialsoldaten zwar in Afrika ein, brachte aber keine Afrikaner an die europäische Front.
Bisher lag keine Untersuchung mit einer solch umfassenden Anlage vor, die von den Anfängen französischer Überlegungen für den Einsatz von Schwarzen aus Afrika in der Armee bis hin zur deutschen Kampagne gegen die "farbigen" Besatzungssoldaten im Rheinland nach dem Krieg, die "Schwarze Schmach", reicht. Letzteres etwa ist zwar häufiger untersucht worden; in den Kontext des Umgangs der Kolonialmächte und der Haltung der neutralen Staaten gegenüber der Verwendung schwarzer Soldaten in den Kriegs- und Nachkriegsjahren wurde es bislang jedoch nicht eingebettet.
Die Rekrutierung von Soldaten aus den Kolonien wurde von einigen Kolonialmächten schon im 19. Jahrhundert praktiziert, allerdings nur für den Einsatz außerhalb Europas. Der Verfasser will jedoch in den ersten französischen Überlegungen zur Verwendung westafrikanischer Soldaten auf einem eventuellen europäischen Kriegsschauplatz schon vor 1914 sehen, dass diese Rekrutierung - anders als zeitgleich bei den übrigen behandelten Staaten - bei den Eliten in Militär und Gesellschaft auf Zustimmung gestoßen sei: Das im Kern republikanische Ideal, derjenige gehöre zu Frankreich, der sich dazu bekenne, werde mit der zivilisatorischen Komponente des Militärdienstes dazu führen, diese Kolonialbewohner im Grunde zu Franzosen zu machen. 1914 sei mit der raschen Erkenntnis von Frankreichs Hauptproblem, nämlich ausreichend viele Soldaten zu mobilisieren, der Weg geebnet gewesen, nun tatsächlich Rekruten aus den westafrikanischen Kolonien an die Front nach Frankreich zu bringen. Allerdings mag man dem entgegenhalten, dass der Elitendiskurs und die Berücksichtigung der militärischen Notwendigkeit, ausreichend viele Soldaten zu haben, zwar einander ergänzten; was aber das entscheidende Argument war, bleibt dennoch offen, und die anfangs recht brutale Rekrutierungspraxis, die sich nicht sehr von früheren Sklavenjagden unterschied, und die Behandlung der Veteranen nach dem Krieg lassen doch Zweifel zurück, ob die republikanisch-zivilisatorische Komponente ausschlaggebend war. Nach einer kurzen Pause hatte sich 1917/18, erneut in Zeiten großen Soldatenmangels, Blaise Diagne, der erste subsaharische Schwarze im französischen Parlament, durchgesetzt: Bereits im Jahr zuvor war es ihm gelungen, den Bewohnern der "quatre communes" in Senegal das französische Bürgerrecht zu verschaffen; nun praktizierte er in Westafrika erfolgreich eine Rekrutierung, die auf der von ihm propagierten Überzeugung aufbaute, über den Kriegsdienst könnten schwarze Kolonialbewohner die Privilegien französischer Staatsangehöriger erwerben und so weitgehend mit der Metropole gleichziehen.
Großbritannien und USA gingen einen anderen Weg: Wo Schwarze auf den europäischen Kriegsschauplatz gebracht wurden, verwandte man sie allenfalls für Hilfsdienste, etwa als Packer. In England (wie auch im Dominion Südafrika) gründete dies auf der Überlegung, das Prestige der Weißen (und zwar derjenigen aus der Oberschicht) werde beim Einsatz Schwarzer an der Front leiden. In den USA mit ihrer von Wilson noch verschärften Segregationspolitik wurde ohnehin nicht wirklich ein Fronteinsatz erwogen; wenn es doch dazu kam, dann für Afroamerikaner, die zuvor der französischen Armee unterstellt worden waren.
Sicher war keiner der genannten Kriegsteilnehmer frei von rassistischen Vorstellungen; sie reichten von der Vorstellung des Schwarzen als fast affenähnlichem, jedenfalls aber brutalem Wilden mit sexuell abnormem Trieb, der weiße Frauen gefährde, wenn man sie in dessen Nähe lasse, wie dies für die USA und im Grunde auch für Deutschland die bestimmende Meinung war, bis hin zur leicht paternalistischen, aber eben auch nicht von völliger Egalität ausgehenden französischen Mentalität. Diese Einstellung mag sich im Mutterland bei der französischen Bevölkerung im Krieg hin zu einer gewissen Bewunderung gewandelt haben: Die "tiralleurs sénégalais" wurden wegen ihres Mutes geradezu verehrt.
Insgesamt hat Frankreich über 130.000 Mann aus Westafrika an der europäischen Front zum Einsatz gebracht, und sie erbrachten einen äußerst hohen Blutzoll von über 20.000 Toten, weil sie vor allem auch in Sturmtruppunternehmungen eingesetzt wurden. Nach dem Krieg war daher die Enttäuschung der Überlebenden nicht gering, als so manches Versprechen nicht eingelöst wurde. Das trug sicher zu den vom Verfasser skizzierten Anfängen einer transnationalen Emanzipationsbewegung der Schwarzen bei, wobei diese auch mächtige Impulse aus britischen Kolonien, vor allem aber aus den USA erhielt: Wer dorthin als Schwarzer vom europäischen Kriegsschauplatz repatriiert wurde, lehnte die Segregationspraxis sicher noch stärker ab als zuvor.
Im letzten Drittel seiner Arbeit geht van Galen Last noch auf das "Nachspiel" ein, nämlich die Präsenz schwarzer Soldaten in der französischen Rheinlandbesatzungs-Armee und die deutsche Kampagne gegen diese "Schwarze Schmach". Dies ist an sich schon recht gut erforscht; wenig beschrieben waren bisher allenfalls die von van Galen Last eingestreuten französischen Reaktionen auf die deutsche Kampagne. Alle Untersuchungen zu diesem Thema leiden allerdings unter dem methodischen Problem, dass es fast keine Quellen mit der Stimme der betroffenen Soldaten gibt.
Das Bemühen des Verfassers über das ganze Buch hinweg ist offenbar, zu sehr weitreichenden Aussagen zu kommen, etwa über den grundlegend unterschiedlichen Rassismus in den beteiligten Staaten und insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland. Dass es diese Verschiedenheit gab, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Manche Einzelaussage und daraus abgeleitete allgemeinere Behauptung steht jedoch - zumindest in der vorliegenden Druckfassung - quellenmäßig auf eher wackligen Füßen. Um es an einem Beispiel zu zeigen: Für Frankreich wird eine gewisse "Négrophilie" in der Nachkriegszeit, insbesondere im kulturellen Bereich, konstatiert, während für Deutschland lediglich ein französischer Zeitungsartikel angeführt wird, der zum Ausdruck bringt, im Nachbarland gebe es Kritiker, die Jazz wegen seiner sexualisierenden Wirkung ablehnen würden - und in der nächsten Zeile wird daraus eine Ablehnung des Jazz im Nachkriegsdeutschland (135). Das wird in dieser Allgemeinheit aber wohl kaum bestätigen, wer deutsche Zeitungen aus den frühen 1920er Jahren gelesen hat: Dort wird (je nach Standpunkt der Zeitung) der Jazz-Konsum zwar oft kritisch gesehen, aber offenbar hat es ihn massenhaft gegeben, was gegen die Verkürzung spricht, dass er rundum abgelehnt worden sei. Kurz: Was hier und an manch anderer Stelle zu weitreichenden allgemeinen Aussagen führt, ist in der Realität doch vielleicht viel komplexer gewesen.
Anmerkungen:
[1] Im hier besprochenen Buch paraphrasiert auf Seite 199.
[2] Eberhard Kolb / Ludwig Richter (Bearb.): Nationalliberalismus in der Weimarer Republik. Die Führungsgremien der Deutschen Volkspartei 1918-1933. Teilband 2. 1926-1933 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Reihe 3, Bd. 9), Düsseldorf 1999, 729.
Wolfgang Elz