Hadrien Bru / Guy Labarre: L'Anatolie des peuples, des cités et des cultures (IIe millénaire av. J.-C. - Ve siècle ap. J.-C.). Colloque international de Besancon - 26-27 novembre 2010, Besançon: Presses Universitaires de Franche-Comté 2014, 2 Bde., 614 S., zahlr. Farb-, s/w-Abb., ISBN 978-2-8486-7473-5, EUR 60,00
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Diese Publikation enthält in zwei Bänden die Akten einer Tagung, die am 26./27 November 2010 an der Université de Franche-Compté in Besançon stattfand. Im Zentrum stand dort, wie die Herausgeber in einem knappen Vorwort (11f.) darlegen, das von ihnen selbst in Besançon initiierte Projekt eines historischen und archäologischen Atlasses Kleinasiens von der Bronzezeit bis in die Spätantike. Kleinasien hat seit den ersten Reisen westlicher Gelehrter im 18. Jahrhundert eine ungeheure Menge an Daten für die Erforschung der vielen antiken Kulturen erbracht, deren Heimat und Kontaktzone es bildete. Der bewusste Atlas hat sich das Ziel gesteckt, die Ergebnisse dieser Forschung in übersichtlicher Form vorzulegen.
Dem sehr breiten Ansatz entsprechend war die Tagung offen für Kleinasienforscher/-innen aller Couleur. Dementsprechend sind die insgesamt 36 Einzelbeiträge in den nun publizierten Tagungsakten überaus heterogen und befassen sich, ohne erkennbare Ordnung, mit Fragen der Kartographie, historischen Geographie oder der Topographie vor dem Hintergrund der verschiedensten Regionen, Landschaften, Städte und Lokalitäten Kleinasiens in den unterschiedlichen Epochen.
Auf eine Einteilung nach inhaltlich definierten Sektionen haben die Herausgeber verzichtet. Band 1 ist untertitelt mit "Autour d'un projet d'atlas historique et archéologique de l'Asie Mineure. Méthodologie et prospective", während Band 2 "Approches locales et régionales" beinhalten soll. Selbst diese grobe, in der Einleitung nochmals betonte Einteilung aber wird nicht eingehalten. So enthält Band 1 auch zahlreiche Beiträge, die eher in Band 2 gepasst hätten (die Beiträge von Summers, Sayar, Barat und andere), und Band 2 einen (Kohl), der nach den Vorgaben der Untertitel besser in Band 1 untergekommen wäre. Ohnehin aber folgt Band 2 keiner Systematik, da die dortigen Beiträge punktuelle Grabungsergebnisse, Inschriftenvorlagen, Ergebnisse großflächiger Surveys und sogar den Kommentar einer knappen Polybios-Stelle zum Territorium von Byzanz bieten.
Auf eine Besprechung der einzelnen, in den allermeisten Fällen äußerst gelungenen und interessanten Beiträge sei hier bewusst verzichtet, ebenso wie auf die bloße Nennung von Autoren/-innen und Titeln dieser Beiträge. [1] Hervorgehoben seien aber die besonders lesenswerten Artikel von G. D. Summers, der eine Analyse der bronze- und früheisenzeitlichen Siedlungsmustern im Halysbogen darstellt (I 41-51, zu verbinden mit dem unmittelbar folgenden Aufsatz desselben Autors zusammen mit F. Summers, I 53-68, wo anhand von Kerkenes im selben Gebiet die kartographischen Aspekte dieser Materie vorgestellt werden), sowie von S. Lebreton, der ausgehend vom Fallbeispiel Kappadokien musterhaft den möglichen Nutzen eines historisch-archäologischen Atlas und methodische Ansätze für einen solchen vorführt (I 183-206).
Leider wurde ebensowenig wie auf inhaltliche Kohärenz auch auf eine komplette Erfassung aller kleinaisatischen Regionen oder Kulturepochen geachtet bzw. es waren einige Regionen und Epochen nicht oder kaum auf der zugrunde liegenden Tagung vertreten. Die Gebiete um das Marmarameer, am Schwarzen Meer und in Mittelanatolien vom Pontosgebiet bis nach Kilikien werden reichlich besprochen, doch der Westen südlich der Meerenegen bis nach Karien findet, abgesehen von einem Beitrag zum archaischen Ionien (Eren) und einem zum Asklepieion des Lysimachos in der Troas (Courtieu) ebenso kaum Erwähnung wie Lykien und Pamphylien komplett fehlen. Ähnlich vernachlässig wird der Osten im Grenzgebiet zu Syrien und Mesopotamien. Auch chronologisch gesehen, gibt es bedauerliche Lücken, vor allem in Bronzezeit, 'Dunklen Jahrhunderten' und Spätantike.
Das in der Einleitung erklärte Ziel der Herausgeber und Kongressveranstalter, in diesen zwei Bänden die aktuellen Forschungen zu ganz Anatolien zusammenzuführen und so die künstlichen Grenzen zwischen 'Klassischem Altertum' und 'Altem Orient' einzureißen, muss man leider als verfehlt betrachten. Wer einen breit angelegten, klar gegliederten Überblick auf solidem Fundament aus Quellen und Forschung zur Geschichte und Archäologie ganz Kleinasiens sucht, wird weiterhin eher zu anderen Publikationen greifen. [2] Für Spezialisten/-innen allerdings, und nicht nur die kartographisch interessierten unter ihnen, werden viele der hier publizierten Aufsätze von großem Interesse sein. Dies trifft umso mehr zu, als den Herausgebern die Produktion zweier sehr sorgfältig redigierter, technisch qualitätvoller Bände mit zahlreichen hochwertigen Abbildungen und Karten zu verdanken ist.
Anmerkungen:
[1] Das von den Herausgebern selbst ins Internet gestellte Inhaltsverzeichnis findet sich hier: http://pufc.univ-fcomte.fr/download/pufc/document/sommaire/anatolie_tdm.pdf , zuletzt aufgerufen am 5. 1. 2015)
[2] So etwa zu Chr. Marek: Geschichte Kleinaisens in der Antike, München 2010 oder zu dem chronologisch etwas anders orientierten Werk The Oxford handbook of ancient Anatolia. 10.000-323 B.C.E., ed. by S. R. Steadman, Oxford 2011.
Werner Tietz