Elisabeth Martin: "Ich habe mich nur an das geltende Recht gehalten". Herkunft, Arbeitsweise und Mentalität der Wärter und Vernehmer der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen (= Andrássy Studien zur Europaforschung; Bd. 14), Baden-Baden: NOMOS 2014, 465 S., ISBN 978-3-8487-1684-5, EUR 84,00
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Jenny Krämer / Benedikt Vallendar: Leben hinter Mauern. Arbeitsalltag und Privatleben hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Essen: Klartext 2014, 251 S., ISBN 978-3-8375-0959-5, EUR 18,95
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Klaus Schroeder / Jochen Staadt (Hgg.): Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949-1989. Ein biografisches Handbuch, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2017
Eckhard Michels: Guillaume, der Spion. Eine deutsch-deutsche Karriere, Berlin: Ch. Links Verlag 2013
Julia Spohr: In Haft bei der Staatssicherheit. Das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen 1951-1989, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015
Ilko-Sascha Kowalczuk: Walter Ulbricht. Der deutsche Kommunist (1893-1945), München: C.H.Beck 2023
Daniel Fischer: Stadtbürgerlicher Eigensinn in der DDR? DDR-Stadtjubiläen zwischen parteipolitischer Intention und kommunaler Selbstdarstellung, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2022
Wilfriede Otto: Erich Mielke - Biographie. Aufstieg und Fall eines Tschekisten, Berlin: Karl Dietz 2000
Thomas Lindenberger: Volkspolizei. Herrschaftspraxis und öffentliche Ordnung im SED-Staat 1952 - 1968, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003
Jeannette Z. Madarász: Working in East Germany. Normality in a Socialist Dictatorship, 1961-79, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2006
Elisabeth Martin fragt in ihrer Dissertation nach den "Faktoren und Mechanismen", die dafür verantwortlich waren, dass die Vernehmer und das Wachpersonal des Stasi-Untersuchungsgefängnisses "die von ihnen verlangten Tätigkeiten widerspruchslos und möglichst motiviert ausführten und den reibungslosen Haft- und Vernehmungsbetrieb bzw. in seinem größeren Zusammenhang den politischen und sozialen Status quo der SED-Diktatur 40 Jahre lang garantierten" (19). Martin wählt drei Zugänge: eine Untersuchung der sozialbiografischen Struktur der Mitarbeiter, eine Beschreibung der Tätigkeiten der Mitarbeiter in Hohenschönhausen, und - als eigentlicher argumentativer Kern der Arbeit - eine Analyse von intrinsischen und extrinsischen Motivationen der Mitarbeiter.
Im ersten Teil arbeitet Martin anhand von zwei Stichproben aus den Kaderunterlagen für 1953 und 1989 heraus, dass die personelle Zusammensetzung des Personals von Hohenschönhausen im Wesentlichen dem Profil des MfS-Personals insgesamt entsprach. In den frühen Jahren stammten die meisten aus einfachen, im weitesten Sinne "proletarischen" Verhältnissen, die dem MfS als Grundlage für eine kommunistische Gesinnung galten. Später stieg dann der Anteil von Mitarbeitern erheblich, die bereits aus Familien der sozialistischen Dienstklasse stammten und somit im Hinblick auf Westkontakte und politische Einstellung als unbedenklich galten. Martin neigt dazu, die beiden unterschiedlichen Mitarbeitergruppen, Vernehmer der Hauptabteilung IX einerseits, Wach- und Schließpersonal der Abteilung XIV andererseits, im Hinblick auf die gemeinsamen soziopolitischen Merkmale und die dienstrechtlichen Vorgaben des Ministeriums als Einheit zu sehen. Aus einer Reihe der von ihr erhobenen Daten lassen sich jedoch auch aufschlussreiche Besonderheiten erkennen. So zeigt sich, dass es sich bei den Vernehmern der 1950er-Jahre eher um jüngere Aufsteiger handelte, die sich ihre Sporen bei der Volkspolizei verdient hatten, bevor sie zum MfS kamen. Ihr junges Alter, ihre fehlende formale Ausbildung und oft auch ihre Sozialisation im 'Dritten Reich' kompensierten sie umso intensiver durch die Kultivierung von "Klassenhass" und eines entsprechend scharfen Auftreten zur Erpressung von Geständnissen im Verhör. Erst später wurde der Elitenimbus, den die Vernehmer wegen ihrer Arbeit unmittelbar "am Feind" innerhalb der Geheimpolizei genossen, durch eine intensivere fachliche Ausbildung in Verhörtechniken und den Spielregeln der "sozialistischen Gesetzlichkeit" unterstützt. Für den wenig anspruchsvollen Dienst als Gefängniswärter kamen hingegen in der Frühzeit überdurchschnittlich viele alte Kommunisten zum Einsatz, die selbst über Hafterfahrungen aus Weimarer Republik und Nationalsozialismus verfügten und deshalb als im Umgang mit Häftlingen mit "allen Wassern gewaschen" galten (151). Besonders beliebt war diese Tätigkeit auch später nicht. Jüngere Mitarbeiter, die sich dort "bewährt" hatten, wurden schnell in andere Zweige des Apparates befördert.
Im folgenden Abschnitt rekapituliert Martin Abläufe der Untersuchungshaft und macht dabei deutlich, dass die (zumindest seit den späten 1950er-Jahren) extrem hohe Normierung aller Schritte nicht nur ein enges Korsett darstellte, mit dem die Aussagebereitschaft der Häftlinge maximiert werden sollte, sondern auch den Wärtern wenig individuelle Spielräume ließ. Hier wie auch im folgenden Abschnitt zu Verhaltenssteuerung, Motiven und Mentalität tritt allerdings ein Quellenproblem zu Tage: Ins Zentrum rücken hier immer stärker die zahllosen Dienstvorschriften und andere Dokumente, die darlegen, wie MfS-Mitarbeiter sein "sollten": politisch linientreu, von "Klassenbewusstsein" und einem klaren Feindbild erfüllt, und diszipliniert. Aufgrund des hohen Maßes an interner Kontrolle innerhalb des MfS-Apparates kann man zu dem Ergebnis kommen, dass dieses normative Bild tatsächlich die berufliche Praxis und das Selbstverständnis von Vernehmern und Schließern prägte. Trotzdem rückt Martins zentrale These einer alles dominierenden ideologischen Prägung der Mitarbeiter und eines daraus begründeten "reibungslosen" Funktionierens nahe an einen Zirkelschluss, weil sie nicht systematisch und ergebnisoffen nach Verhaltensmustern und Quellen jenseits dieser normativen Sicht fragt.
Originäre Einblicke in Motive und Mentalität findet Martin letztlich nur in einer Handvoll (überwiegend rückblickender) Ego-Dokumente ehemaliger Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt, wie Memoiren und publizierten Interviews. Auch die von Martin zitierten Disziplinarakten lassen ahnen, dass es hinter den Mauern dieses Gefängnisses eine eigene "cop culture" gab (wie der Soziologe Rafael Behr die Gesamtheit der informellen Praktiken in Polizeiinstitutionen genannt hat), in der Alkohol, Machtgefühl und die hohe Bezahlung möglicherweise eine größere Rolle spielten als "gesunder Klassenhass" oder der Glaube an den Sozialismus. Vielleicht wäre es hier hilfreich, sich wenigstens für einen Moment die Vernehmer als "ganz normale" ehrgeizige Staatsschutzpolizisten und die Gefängniswärter als autoritäre Persönlichkeiten vorzustellen, die in jedem straff geführten Gefängnis der Welt ihr berufliches Glück gefunden hätten. Im Lichte der (von Martin eingangs angesprochenen) NS-Täterforschung wie auch der neueren, eher auf situative Gelegenheitsstrukturen schauenden Gewaltforschung wäre hier mehr zu holen gewesen als unter der totalitarismustheoretischen Prämisse einer Dominanz des Ideologischen. Das Erkenntnispotential der aufwendigen und durchaus skrupulösen Untersuchung wird deshalb nicht in vollem Maße ausgeschöpft. Kritisch anzumerken bleibt schließlich, dass wiederholt unter voller Namensnennung aus der Privat- und Intimsphäre hauptamtlicher Mitarbeiter und ihrer Familien zitiert wird, als hätten diese aufgrund ihrer früheren Tätigkeit ihre Persönlichkeitsrechte unwiderruflich verwirkt.
In Hinblick auf die Quellenbasis den umgekehrten Weg haben Jenny Krämer und Benedikt Vallendar beschritten. In ihrem Band über "Arbeitsalltag und Privatleben" des MfS-Personals haben Krämer und Vallendar neben vielen Kader- und Disziplinarakten das Gespräch mit ehemaligen MfS-Offizieren gesucht und dabei offenbar eine Fülle von Eindrücken sammeln können. (Bei der Auswertung der Memoirenliteratur sind sie allerdings auch auf die fiktiven Erinnerungen "Ein Stasi-Major erzählt" des Autors Reinhard O. Hahn hereingefallen, die seit 1990 durch die Forschung geistern.) Ihr Ausgangspunkt war die Begegnung mit einem ehemaligen MfS-Mitarbeiter und heutigen Versicherungsmakler in einer Sauna in Heiligenstadt (Eichsfeld), der dort über überzogene Konten, unfähige Referatsleiter und kaputte Dienstfahrzeuge beim MfS schwadroniert hätte: "Die Begegnung in der Heiligenstädter Sauna hatte uns neugierig gemacht. Und die Idee, uns auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben, ein Buch über das zu schreiben, was den Alltag beim Ministerium für Staatssicherheit ausgemacht haben könnte, war geboren." (11)
Die Idee zündete offenbar, denn der Verleger erklärte das Buch "kurzerhand zur 'Chefsache'", was wohl die Bedeutung von Thema und Werk unterstreichen sollte (249). Gleichwohl sollte der Leser keinen wissenschaftlichen Analysegang erwarten, sondern eine eher hobbymäßige Befassung mit dem Gegenstand. Ihre Expertise für die Methodik der Alltagsgeschichte belegen Krämer und Vallendar mit dem Hinweis auf den Wikipedia-Artikel zu diesem Thema. Der Text ist gegliedert in 39 Kapitel von rund 5 bis 15 Seiten, deren Überschriften einen Streifzug durch Privilegien, Bürokratie, Urlaub, Privatleben und viele andere Facetten versprechen. Fußnoten gibt es auch, doch geben diese nur sehr bruchstückhaft Auskunft über das verwendete Material. MfS-Unterlagen werden überwiegend lediglich mit der Aktensignatur, aber ohne Dokumententitel, Adressaten, Datum oder Blattangabe genannt, und die geführten Interviews tauchen so gut wie gar nicht auf.
Hinzu kommen eklatante Mängel im methodischen Vorgehen: Faktisch handelt es sich um eine Reportagesammlung, die auch längere halbfiktionale szenische Erzählpassagen enthält, von denen man nicht weiß, ob sie der Fantasie der Autoren entstammen oder tatsächlich stattgefunden haben. So beginnt der Abschnitt "Die Aura der Macht. Das Auftreten der Stasi" mit einer Episode: Ein Redakteur der "Jungen Welt" wird im Straßenverkehr scheinbar grundlos angehalten von einem jungen MfS-Offizier, der ihn mit seinem Klappausweis offenbar beeindrucken will und wegen seiner angeblich unangemessenen Fahrweise zusammenstaucht. Der verärgerte Redakteur meldet seinem Vorgesetzten bei der Zeitung die Autonummer, der sich offenbar über das Gebaren des MfS-Offiziers bei höherer Stelle beschwert. Daraufhin erscheint der junge MfS-Offizier in Begleitung seines Vorgesetzten in der Redaktion und muss sich für sein anmaßendes Verhalten entschuldigen.
Die Geschichte könnte durchaus aussagekräftig für das Auftreten von MfS-Offizieren sein, und die überraschende Wendung zeigt, dass der Missbrauch des Dienstausweises gelegentlich auch Konsequenzen haben konnte. Allein - wie bei vielen anderen solcher Geschichten verzichten Krämer und Vallendar auf jede Art von Quellenbeleg. Hat der Journalist den Autoren die Geschichte erzählt oder ein MfS-Offizier? Entstammt sie einer Disziplinarakte? Oder ist sie gut erfunden? Mit all diesen Fragen wird der Leser allein gelassen.
Auch in den Sachtextabschnitten fehlt es an vielem. Viele Befunde aus fünfundzwanzig Jahren Forschung sind den Autoren gar nicht bekannt oder werden inhaltlich verballhornt. Dazu zwei Beispiele: Krämer und Vallendar heben die Bedeutung der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz 1976 hervor und stellen fest: "Das Personal der Staatssicherheit wurde nach Brüsewitz' Tod jedes Jahr um einige tausend Planstellen aufgestockt, von einst sechshundert bei ihrer Gründung auf über 91.000 im Herbst 1989. Den Untergang der DDR konnten die vielen Mitarbeiter dennoch nicht abwenden. Oskar Brüsewitz wird daher auch als geistiger Vater der friedlichen Revolution von 1989 bezeichnet." (124f.) Beide Aussagen sind offenkundiger Unsinn: Der massive Personalausbau begann bereits 1968 und hatte weder vor noch nach 1976 etwas mit Brüsewitz zu tun. Und Brüsewitz wird möglicherweise von seinen Biografen, aber sonst praktisch niemandem als "geistiger Vater" von 1989 bezeichnet. Anders als im tschechischen Fall von Jan Palach spielte die Erinnerung an ihn während der Demonstrationen der Herbstrevolution keine Rolle.
An anderer Stelle behaupten Krämer und Vallendar, die "Schätzungen" zum Frauenanteil "schwanken zwischen 16 und 20 Prozent" (185). Als dürre Quellenangabe findet sich die Fußnote "Horch und Guck 34/2001", also ein Aufsatz, dessen Autorin und Titel aber verschwiegen werden. Er stammt von Angela Schmole, und man lernt dort, dass nicht die "Schätzungen" schwanken, sondern die absolut präzisen, von 1953 bis zum Oktober 1989 nach Monat und Jahr aufgeschlüsselten Zahlen der MfS-internen Statistik. [1]
Sachlich falsch ist auch eine Bemerkung wie diese: "Nach neuerer Forschung verrichteten viele IM ihren Job aus Überzeugung, getragen von der Mission, etwas Gutes für den Sozialismus zu leisten." (116) Hier fehlt ein Quellennachweis ganz - aus gutem Grund: Der Befund stammt nicht aus der neueren Forschung, sondern aus einer MfS-eigenen Befragung von IM aus dem Jahr 1967 und wurde von dem Nachrichtendienstexperten Helmut Müller-Enbergs erstmals 1995 zitiert. [2] Die "neuere" Forschung hingegen zieht die These von der ideologischen Überzeugung der IM seit 15 Jahren in Zweifel, weil er offenkundig eher die Selbstsicht des MfS als die der IM darstellt. [3]
Krämer und Vallendar verstehen es auch nicht, zwischen Haltungen vor und nach 1989 zu unterscheiden. So heißt es: "Es sind kaum Fälle bekannt, in denen MfS-Mitarbeiter mit Teilen der Opposition sympathisiert haben. Spektakulärer Einzelfall war der des früheren Vernehmers Uwe Karlstedt, in den sich ein weiblicher Häftling, Regina Kaiser, während der Vernehmung im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen Anfang der achtziger Jahre verliebt hatte." (97) Der auch bei Elisabeth Martin erwähnte Fall ist in der Tat spektakulär, weil Regina Kaiser nach 1990 erneut den Kontakt zu Karlstedt suchte und die beiden ein Paar wurden. Aber eine Sympathie für ihre politischen Positionen hat Karlstedt bis 1989 nie gezeigt und dies auch rückblickend nicht behauptet. Er war vielmehr bis zuletzt ein eifriger und loyaler Stasi-Offizier. [4]
Wo Krämer und Vallendar das Innenleben des MfS verlassen, stolpert man über weitere frappante Sachfehler. Über Robert Havemann wissen sie zu berichten: "Rotarmisten hatten den Wissenschaftler 1945 aus seiner Todeszelle in Brandenburg befreit, so dass er sich den Kommunisten erst einmal verpflichtet fühlte und dabei schmerzhafte Kompromisse eingegangen ist." (84) Havemann war hingegen tatsächlich schon vor 1933 selbst Kommunist und ging nach 1945 aus seiner Sicht auch keine Kompromisse ein, sondern war bis 1956 überzeugter Stalinist.
Auf die eingangs erhobene Frage, "was es für hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter bedeutete, einen so genannten 'operativen Vorgang' (OV) gegen politisch Andersdenkende zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Und mit welchen Problemen die Stasi dabei zu kämpfen hatte" (22) geben Krämer und Vallendar, offenbar von den ihnen präsentierten Selbstentlastungen ehemaliger MfS-Mitarbeiter aufs Glatteis geführt, zum Abschluss eine abenteuerliche Antwort. Ihnen zufolge waren die MfS-Mitarbeiter eine Art gut versteckte Vorhut der demokratischen Revolution: "Die innere Verabschiedung von der DDR dürfte in Teilen des Apparates, nicht zuletzt infolge frustrierender Erlebnisse am Arbeitsplatz und im Privatleben, wesentlich früher eingesetzt haben als bei der übrigen Bevölkerung." (235) Ohne jede Differenzierung und fernab aller empirischen Erkenntnisse über die Haltungen in den Reihen des MfS in den entscheidenden Wochen des Herbstes 1989 verkünden sie schließlich: "In der breiten Masse, so viel steht fest, dachten und fühlten sie ähnlich wie ihr überwachtes Volk. Jedoch fehlte ihnen der Mut, offen dagegen vorzugehen, was auch dem Trommelfeuer westlicher Medien geschuldet war. Regungslos verharrte die Stasi bis zum Schluss in ihren Schützengräben und war froh, dass der Befehl zum Sturmangriff nie kam." (237)
1997 kam Roger Engelmann zu dem Befund, dass ein großer Teil der Publikationen zur DDR-Staatssicherheit "keinen oder nur begrenzten wissenschaftlichen Charakter" hat. [5] Das hat offenbar damit zu tun, dass der gute Zweck der Stasi-Aufarbeitung den Verzicht auf methodisch kontrolliertes Vorgehen und Vertrautheit in der Sache allzu oft heiligt. Dies gilt auch für den Band von Krämer und Vallendar. Zum Trost sei ein Werk empfohlen, dass als journalistische Reportage auftritt, aber mit dem notwendigen Ernst und Einfühlungsvermögen der Frage nachgeht, wie MfS-Offiziere "tickten" - das Buch von Ruth Hoffmann über "Stasi-Kinder" und das Leben mit ihren Eltern. [6]
Anmerkungen:
[1] Angela Schmole: Frauen im Ministerium für Staatssicherheit (MfS), in: Horch und Guck 10 (2001), H. 34, 15-19, online: http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/2000-2003/heft-34/03406-schmole/.
[2] Helmut Müller-Enbergs: Warum wird einer IM? Zur Motivation bei der inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst, in: Zersetzung der Seele. Psychologie und Psychiatrie im Dienste des MfS, hgg. v. Klaus Behnke / Jürgen Fuchs, Hamburg 1995, 102-129, dort zitiert: Manfred Hempel: Die Wirkung moralischer Faktoren im Verhalten der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit den Organen des Ministeriums für Staatssicherheit, Dissertation JHS Potsdam 1967; BStU, MfS JHS 21775.
[3] Vgl. Jens Gieseke: Mielke-Konzern. Die Stasi 1945-1990, Stuttgart / München 2001, 124-127; siehe auch das IM-Kapitel in Ilko-Sascha Kowalczuk: Stasi konkret. Überwachung und Repression in der DDR, München 2013; Anita Krätzner (Hg.): Hinter vorgehaltener Hand. Studien zur historischen Denunziationsforschung, Göttingen 2015.
[4] Regina Kaiser / Uwe Karlstedt: Zwölf heißt 'Ich liebe dich'. Der Stasi-Offizier und die Dissidentin, Köln 2003.
[5] Roger Engelmann: Forschungen zum Staatssicherheitsdienst der DDR - Tendenzen und Ergebnisse, in: Spionage für den Frieden? Nachrichtendienste in Deutschland während des Kalten Krieges, hgg. v. Wolfgang Krieger / Jürgen Weber, München / Landsberg am Lech 1997, 181-192, hier 181.
[6] Ruth Hoffmann: Stasi-Kinder. Aufwachsen im Überwachungsstaat, Berlin 2012.
Jens Gieseke