Stiftung Topographie des Terrors / Claudia Steur (Hgg.): Deutschland 1945: Die letzten Kriegsmonate. Ein Begleitkatalog zur gleichnamigen Ausstellung, Berlin: Stiftung Topographie des Terrors 2014, 265 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-941772-19-9, EUR 15,00
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Florian Huber: Kind, versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang der kleinen Leute 1945, 4. Auflage, Berlin: Berlin Verlag 2015
Stephen G. Fritz: Endkampf. Soldiers, Civilians, and the Death of the Third Reich, University Press of Kentucky 2004
Miriam Gebhardt: Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkriegs, 2. Auflage, München: DVA 2015
Die Berliner Stiftung Topographie des Terrors hat den letzten Monaten des Krieges eine Ausstellung gewidmet, die von Claudia Steur kuratiert wurde. Begleitend erschien ein komplett zweisprachiger Band, der nicht nur die Ausstellung dokumentiert, sondern außerdem eine Reihe begleitender Essays bietet.
Der Katalogteil umfasst rund zwei Drittel der Seiten. Er wirkt etwas unstrukturiert, was vor allem daher rührt, dass die Kapiteleinteilung im Inhaltsverzeichnis sich nicht durchgängig in der späteren Gestaltung des Textteils widerspiegelt und dadurch fast willkürlich wirkt. Das erste Kapitel (ich orientiere mich am Inhaltsverzeichnis) bietet einen thematischen Querschnitt: Von der Durchhaltepropaganda über den Endkampf (Ost- und Westfront, Volkssturm, Werwolf), Flucht, Vertreibung und Kriegsgefangenschaft, den Terror gegen die Verfolgten des Regimes und die eigene Zivilbevölkerung bis hin zum Bombenkrieg und den Überlebensstrategien der Zivilbevölkerung. Allein die Sektion über Schriftsteller im Exil und in der Heimat wirkt deplatziert und ist nur unzureichend in das Rahmenthema eingebunden. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf den "Endkampf um Berlin"; neben den Kampfhandlungen werden hier auch der Zerfall des Hitler-Mythos und das Verhalten verschiedener NS-Granden thematisiert. Auch die Gesamtkapitulation als Schlusspunkt ist hier eingeordnet. Das folgende Kapitel zeigt jeweils ein großformatiges Foto aus 16 bombenzerstörten deutschen Städten, ehe abschließend das Kriegsende im deutschen Nachkriegsfilm präsentiert wird: Von "Die Mörder sind unter uns" (1946) bis zu "Anonyma - Eine Frau in Berlin" (2007/2008).
Insgesamt sind die Ausstellung und ihre Repräsentation im Katalog inhaltlich durchaus gelungen: die wichtigsten Aspekte sind beleuchtet, kleinere Lücken vertretbar, die Auswahl der Exponate geglückt. Einschränkend sei jedoch gesagt, dass es sich um eine reine Foto- und Textausstellung handelt - nur "Flachware" also, dreidimensionale Objekte fehlen. Auch haben sich kleinere Ungenauigkeiten eingeschlichen: So waren die am 19. Februar (bei den Gauleitern als Reichsverteidigungskommissaren!) eingerichteten zivilen Standgerichte nicht identisch mit den militärischen Standgerichten (15 und 21). Das bekannte Foto, das Berliner Ruinen mit dem Graffiti "Dazu brauchte Hitler 12 Jahre Zeit" zeigt, ist nur mit "1945" datiert; hier wäre zu verdeutlichen gewesen, dass der Text wahrscheinlich erst nach Kriegsende, also eher als Element der "Umerziehung" und nicht etwa als Akt des Widerstandes angebracht wurde. Dass im Inhaltsverzeichnis gleich zweimal 1949 statt 1945 zu lesen ist, ist peinlich für das Lektorat, aber menschlich.
Vier gelungene Essays runden den Band ab und geben dem Leser weitergehende Informationen an die Hand: Rolf-Dieter Müller hat einen Überblick über die letzten Kriegsmonate, Peter Steinbach über den "Widerstand der letzten Stunde", Sven-Felix Kellerhoff über den Alltag auf dem Schlachtfeld Berlin und Sonja M. Schultz über das Kriegsende im Spielfilm beigesteuert. Abgesehen von Steinbachs Beitrag begleiten sie damit jeweils ein Kapitel der Ausstellung; warum darüber hinaus gerade der Widerstand einen zusätzlichen Essay rechtfertigt, bleibt leider unklar.
Die kleineren Monita vermögen den Gesamteindruck nur unwesentlich zu trüben. Wer sich dem Kriegsende 1945 bildorientiert nähern will, kann auch nach dem Ende der Ausstellung guten Gewissens zum vorliegenden Katalog greifen.
Sven Keller