Rezension über:

Federico De Romanis / Marco Maiuro (eds.): Across the Ocean. Nine Essays on Indo-Mediterranean Trade (= Columbia Studies in the Classical Tradition; Vol. 41), Leiden / Boston: Brill 2015, IX + 204 S., ISBN 978-90-04-28919-2, EUR 99,00
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Rezension von:
Monika Schuol
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Monika Schuol: Rezension von: Federico De Romanis / Marco Maiuro (eds.): Across the Ocean. Nine Essays on Indo-Mediterranean Trade, Leiden / Boston: Brill 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 6 [15.06.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/06/27804.html


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Federico De Romanis / Marco Maiuro (eds.): Across the Ocean

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Der Warenaustausch zwischen Indien und dem Mittelmeerraum in der Antike hat in den letzten Jahren vermehrt das Interesse althistorischer Forschung auf sich gezogen, wobei verstärkt methodische Herangehensweisen wie die Neue Institutionenökonomie, komparatistische Ansätze, Marktpreisbildung oder Globalisierungstheorien erprobt wurden. In dieses Forschungsfeld einzuordnen ist auch der vorliegende Band, der sich dem komparatistischen Zugriff verpflichtet sieht.

Präsentiert wird ein Teil der Vorträge, die auf der Tagung "A Tale of Two Worlds: Comparative Perspectives on Indo-Mediterranean Commerce (I-XVII century)" im März 2011 an der Columbia University gehalten wurden. Die Aufteilung in zwei große Sektionen ("The Cradle of the Ancient India Trade: The Red Sea" und "Comparative Perspectives on the India Trade") verweist auf die Schwerpunkte des Sammelbandes, den kaiserzeitlichen Fernhandel im Roten Meer und den epochenübergreifenden Blick auf die außereuropäischen Regionen.

Andrew Wilson ("Red Sea Trade and the State") diskutiert mit dem Fokus auf die Verbindungswege zwischen dem Nil und den Hafenplätzen am Roten Meer die Frage, inwieweit die römische Provinzialadministration in Ägypten durch die Bereitstellung der Infrastruktur (Straßensysteme mit Raststationen und Wasserversorgung) und die militärische Sicherung der Handelsrouten die Handelsaktivitäten fördert. Als Motiv für entsprechende Maßnahmen stellt Wilson das vitale Interesse des römischen Staates an den Einfuhrsteuern (enorme 25%) heraus.

Den zunächst vielleicht erstaunlichen Befund, dass der Trajan-Kanal als Verbindung zwischen dem unteren Nil und dem Roten Meer im Indienhandel praktisch keine Rolle spielte, erläutert Jean-Jacques Aubert ("Trajan's Canal: River Navigation from the Nile to the Red Sea?"): Die Kosten für die Instandhaltung der Wasserstraße seien zu hoch und der Kanal während des Nilhochwassers in den Monaten Juli bis November, der Hauptreisezeit der vom Monsun abhängigen Händler, unpassierbar gewesen.

Die Perlen als eines der prominentesten Güter in Roms Indienhandel stellt Katia Schörle in den Mittelpunkt ihres Beitrags ("Pearls, Power and Profit: Mercantile Networks and Economic Considerations of the Pearl Trade in the Roman Empire"). Gegen den Forschungskonsens argumentiert Schörle überzeugend, dass es auch im Roten Meer Perlenfischerei gegeben habe. In der Schlussfolgerung könnten die Auswirkungen auf die in die überregionalen (transozeanischen) Interaktionsprozesse einbezogenen Gesellschaften ("Rückkopplungseffekte") klarer umrissen werden, dass nämlich der Import hochpreisiger Güter aus dem indischen Raum Konsumgewohnheiten weit über die ursprüngliche (finanzkräftige) Käuferschicht hinaus veränderte.

Die verstärkte militärische Präsenz Roms unter Trajan am Roten Meer thematisiert Dario Nappo ("Roman Policy on the Red Sea in the Second Century CE") im Kontext der Eroberung des Nabatäerreiches. Das dort etablierte Straßennetz und die dauerhafte Stationierung einer Flotte im Roten Meer, bezeugt durch die Farasan-Inschriften, lassen Nappo zu dem Fazit gelangen, "that Trajan planned to better integrate the Red Sea region into the economic System of the Roman Empire" (65).

Der Beitrag von Taco Terpstra ("Roman Trade with the Far East: Evidence for Nabataean Middlemen in Puteoli") ist der nabatäischen Handelsniederlassung mit ihren eigenen Organisationsstrukturen in Puteoli gewidmet: Die Funktion dieser "resident colony" (88) sei es gewesen, zur schnelleren und sicheren Abwicklung ihrer Geschäfte Kontakte zu den Kaufleuten und politischen Autoritäten vor Ort zu etablieren.

Den zweiten Teil des Bandes eröffnet Harry Falk ("Indian Gold Crossing the Indian Ocean Through the Millennia") mit seiner Untersuchung über die Warenströme zwischen dem Mittelmeerraum und Indien vom dritten vorchristlichen Jahrtausend bis in die Zeit Caracallas: Gold aus dem Nordwesten Indiens sei in den mesopotamischen Raum exportiert worden, als Tribut ins Achämenidenreich gelangt und habe in der Münzprägung der Kuṣāṇas Verwendung gefunden; in Südindien hingegen konnten zahlreiche, über Ägypten ausgeführte römische Goldmünzen nachgewiesen werden. Bedauerlicherweise nicht im Beitrag behandelt werden die Importe spätantiker römischer Münzen und die indischen Imitationen byzantinischer Aurei, obwohl auch dieser Befund aufschlussreich ist für die räumlichen Dimensionen entsprechender ökonomischer Aktivitäten der Sāsāniden und Byzantiner.

Eine epochenübergreifende Untersuchung der Organisationsstrukturen der Handelsnetzwerke im Indienhandel unternimmt Jairus Banaji ("'Regions that Look Seaward': Changing Fortunes, Submerged Histories, and the Slow Capitalism of the Sea"): Anders als im mittelmeerischen Warentransport seien die Akteure in den indischen Handelsnetzwerken "merchant capitalists who owned their own ships" (126).

Federico De Romanis ("Comparative Perspectives on the Pepper Trade") vergleicht den kaiserzeitlichen römischen Indienhandel mit den portugiesischen Fernhandelsaktivitäten im südwestindischen Malabar-Gebiet. In den Mittelpunkt stellt er den indischen Pfeffer-Export, die Anbaugebiete und ihre infrastrukturelle Anbindung an den Ausfuhrhafen Muziris (Cochin), wobei er dem Pfefferhandel prägende Wirkung auf die Geschichte von Malabar attestiert.

Für Martha Howell ("Into the East: European Merchants in Asian Markets During the Early Modern Period") ist der europäische "insatiable appetite for the luxuries that came from the markets stretching across the Indian Ocean" (151) der gemeinsame Nenner von antikem und frühneuzeitlichem Indienhandel. Die Sicherung der eigenen (monopolistischen) Marktposition mit brutalsten Methoden zeichnet Howell am Beispiel der größten frühneuzeitlichen Handelsaktiengesellschaft, der Dutch East Indies Company, nach.

Eine Einführung der Herausgeber und ein Nachwort von Elio Lo Cascio sowie ein Abkürzungsverzeichnis, eine Bibliographie und Indices runden den Band ab.

Den Herausgebern ist es gelungen, in Überwindung der Fächergrenzen Beiträgerinnen und Beiträger aus den Altertumswissenschaften, der Neuzeit und Indologie zusammen gebracht zu haben und einmal mehr die Synergieeffekte einer multiperspektivischen Herangehensweise aufzuzeigen. Es liegt ein "runder", inhaltlich kohärenter Sammelband mit sehr lesenswerten Beiträgen vor, die zukünftigen Studien manchen interessanten Impuls geben dürften.


Anmerkungen:

[1] J. Ober: The Rise and Fall of Classical Greece, Princeton 2015; D. P. Kehoe / D. Ratzan / U. Yiftach (eds.): Law and Transaction Costs in the Ancient Economy, Ann Abor 2015.

[2] P. Fibiger Bang: The Roman Bazaar. A Comparative Study on Trade and Markets in a Tributary Empire, New York 2008; S. Günther (Hg.): Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden 2012.

[3] M. Frass (Hg.): Kauf, Konsum und Märkte. Wirtschaftswelten im Fokus - Von der römischen Antike bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2013; E. M. Harris / D. M. Lewis / M. Woolmer (Hgg.): The Ancient Greek Economy. Markets, Households and City-States, Cambridge 2016.

[4] E. H. Seland: The Indian Ocean and the Globalisation of the Ancient World, in: West and East 7 (2008) 67-79; M. Pitts / M. J. Versluys (eds.): Globalisation and the Roman World. World History, Connectivity and Material Culture, New York 2015; M. Schuol: Globalisierung in der Antike? Seegestützter Fernhandel zwischen Rom und Indien, in: Orbis Terrarum 12 (2014 [2016]) 273-286.

[5] Wieder abgedruckt in: J. Banaji: Exploring the Economy of Late Antiquity. Selected Essays, New York 2016, 222-236.

Monika Schuol