Jakob Hort: Architektur der Diplomatie. Repräsentation in europäischen Botschaftsbauten, 1800-1920. Konstantinopel - Rom - Wien - St. Petersburg (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Abt. für Universalgeschichte; Bd. 234), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2014, 660 S., 115 s/w-Abb., ISBN 978-3-525-10133-9, EUR 90,00
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Jakob Horts Studie beschäftigt sich mit zehn ausgewählten Botschaftsgebäuden der Zeit von 1830 bis 1918. Im Mittelpunkt steht dabei die Repräsentationspolitik der entsendenden Staaten, die sich in der Architektur manifestiert, die Motivation zu Um- und Neubau von Botschaftsgebäuden und deren Rezeption in Empfangs- und Entsendestaat. Dabei werden die entstehenden Bauten auf drei Wirkungsbereiche hin, von Hort Ebenen genannt, untersucht: die der Beziehungen zwischen Entsende- und Empfangsstaat, die Nationenebene als Ausdruck nationaler Repräsentation und ihrer Vorstellungen im Entsendestaat, und die Systemebene, die Botschaftsgebäude anderer Staaten und die Ansichten des internationalen diplomatischen Corps zum Maßstab nimmt.
Als Untersuchungsobjekte wählt Hort dazu Gebäude der drei europäischen Mächte Großbritannien, Frankreich und Preußen, später Deutsches Reich aus, wobei Frankreich und das Deutsche Reich im Untersuchungszeitraum einen Umwandlungsprozess ihrer Staatsform durchmachen. Die gewählten Standorte sind Konstantinopel, Rom und Wien, für St. Petersburg untersucht Hort allein Peter Behrens' Bau für das Deutsche Reich. Horts Auswahl ist exemplarisch, der in der Zusammenfassung vorgenommene Versuch einer Einteilung von Gebäudetypen (beispielsweise Baumeistertyp, Aristokratentyp), erscheint in seiner Kürze etwas problematisch.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es Aufgabe des Botschafters, ein Gebäude für seine Mission auszustatten und zu unterhalten. Erst mit der Einrichtung ständiger Vertretungen stellte sich die Frage dauerhafter Repräsentanz. Nach einem Stadtbrand im Ausländerviertel von Konstantinopel entstehen dort die ersten eigenständigen Botschaftsbauten. In Rom findet nach 1870 in der neuen Hauptstadt des geeinten Königreichs Italien auswärtige Repräsentation in zu diesem Zwecke gemieteten, später dann erworbenen und umgebauten Bestandsgebäuden statt. Wien ist eine alte Residenz und Bastion der traditionellen Diplomatie und des standesbewussten Adels, Gruppen, die für die Botschafter als Referenz dienten. Die Situation in St. Peterburg lässt sich mit der in Wien vergleichen.
Hort zeigt auf, wie Architektur als Mittel der Inszenierung durch die Staaten entdeckt wird. Wegen der geringer werdenden Autonomie der Diplomaten durch den technischen Fortschritt in Kommunikation und Verkehr, der Gewichtung hin zur Administration ist Repräsentation nicht mehr mit der Persönlichkeit des Botschafters verknüpft, sondern wird Staatsaufgabe, an der zunehmend die Öffentlichkeit Teil hat und die sich nicht mehr nur an eine elitäre Gruppe - das diplomatische Corps und die Führungsschicht der Empfangsstaaten - wendet. Der Kauf oder Bau einer Botschaft festigt die Beziehung zum Empfangsstaat und erhöht dessen Stellenwert. Dabei zeigen sich deutliche Machtasymmetrien, wenn Botschaftsbauten in vermeintlich politisch und kulturell unterlegenen Staaten besonders prächtig ausgestattet werden. Das Nationale wird eine Kategorie der Repräsentation, ohne dass Konsens herrscht, was darunter zu verstehen ist. Versuche, eine nationale Formensprache für den Botschaftsbau zu etablieren, scheitern deswegen, auch an den eher kosmopolitischen Repräsentationsvorstellungen der Botschaftsnutzer, der Diplomaten. Sie sind es, die Bauvorhaben anstoßen und vorantreiben. Triebfeder sind dabei fast immer andere Auslandsvertretungen, die eine Neupositionierung der eigenen Repräsentation durch bauliche Maßnahmen zur Prestigeerhöhung nötig machen. Besonders gilt das für das neu gegründete Deutsche Reich und für Frankreich als einzige Republik im monarchischen Europa, die beide angemessene Formen der Repräsentation suchen. Deutlich zeigt Hort auf, dass Prestige eine Kategorie ist, die in den Augen der Betrachter entsteht, aber auch in Provokation umschlagen kann: Erst in dem Moment, als das Kapitol für Italien ein nationales Symbol wird, wird der dort dem Deutschen Reich als Botschaft dienende, schlichte Palazzo von Deutschen als besonders prestigeträchtig angesehen, entsprechend ausgebaut und daraufhin von Italienern als Provokation empfunden.
Sein Vergleich der verschiedenen Um- und Neubauten führt Hort zu dem Ergebnis, dass die Repräsentationspolitik der drei Staaten insofern übereinstimmt, als dass man sich aneinander orientiert, bedingt durch die Eigenlogik der Diplomatie als fast schon in sich geschlossene Gruppe. Für alle Staaten ist die nationale Form ein Ziel, sei es in der Präsentation überlegener deutscher Technik, französischer Kultur oder britischer Lebensart. Unterschiede zeigen sich in der Praxis der auswärtigen Repräsentation durch die verschiedenen Staatsformen, die politischen Prioritäten und die administrativen Strukturen. Das Resultat dieser Unterschiede und Gemeinsamkeiten ist, dass trotz Bemühungen um eine einheitliche Musterform für die Bauaufgabe Botschaft die Bauten aller Staaten je nach Standort sehr unterschiedlich ausfallen.
Horts Studie ist nach den einzelnen Standorten gegliedert. Detailreich, fast schon detailverliebt mit vielen Exkursen, aber nie langweilig zu lesen, schildert er die Baugeschichte, die Rolle der einzelnen Akteure am Bau und die Rezeption der Bauten. Die Beschreibung der Architektur wird dagegen eher kurz und schlagwortartig abgehandelt, mitunter auch nicht ganz treffsicher: die Formulierung "weniger abstrakt" (284) mutet im Zusammenhang mit den freizügig-sinnlichen Göttergestalten des Thronsaals der deutschen Botschaft in Rom in diesem kunsthistorischen Kontext doch etwas ungewöhnlich an. Zur Kompensation der kurzen Beschreibungen hätte man sich mehr oder größere Bilder gewünscht, auch könnten die Bildunterschriften etwas weniger subjektiv sein. Verwundert ist man, wenn zum Abschluss der Arbeit in einem Ausblick auf den Botschaftsbau der Gegenwart die Aufzählung von fünf Triebkräften neuer nationaler Selbstinszenierung nach der Nummer Vier abbricht und die Arbeit merkwürdig in der Luft hängend endet.
Eine Studie über die Entwicklung der im 19. Jahrhundert neu entstehenden Bauaufgabe Botschaft, aus dem Palastbau kommend hin zum Verwaltungsgebäude, ist Horts Arbeit nicht, es fragt sich auch, ob aus kunsthistorischer Sicht eine solche Studie sinnvoll wäre. Gerne hätte man erfahren, wie viele Botschaftsbauten der drei Staaten im Untersuchungszeitraum neu entstehen, um die zehn exemplarisch ausgewählten Botschaften in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können. Die große Zahl der ausgewerteten Quellen und das umfangreiche Literaturverzeichnis lassen darauf schließen, dass zu Horts Hauptaugenmerk, der Baugeschichte und vor allem zur Rezeption der besprochenen Gebäude, wohl kaum noch etwas hinzugefügt werden kann.
Julia Benthien