Rezension über:

Manfred Straube (Hg.): Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig; Bd. 9), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015, 352 S., ISBN 978-3-86583-905-3, EUR 49,00
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Rezension von:
Christian Speer
Institut für Geschichte, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Christian Speer: Rezension von: Manfred Straube (Hg.): Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 11 [15.11.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/11/27214.html


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Manfred Straube (Hg.): Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen

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Mit den "Statistischen Zeugnissen" hat Manfred Straube eine Materialsammlung vorgelegt, die nach seinen Worten keine Synthese, sondern ein Beitrag im Sinne einer umfangreichen Vorarbeit (9) ist, die die wirtschaftlichen Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen von 1471 bis 1815 dokumentiert. Notwendig seien diese umfassenden Vorarbeiten, da "es bis heute nicht gelungen" sei, "ein umfassendes Bild von den Großen Märkten/Messen wissenschaftlich exakt zu zeichnen" (7). Um dies in Zukunft tun zu können, stellt Straube mit seinem Buch umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung, dass er seit den 1970er-Jahren gewonnen hat. Als Quellengrundlage dienten vor allem die Jahreshauptrechnungen (Hauptkassenrechnungen) des Stadtarchivs Leipzig von 1471 bis 1852 und weitere Quellen - insgesamt ca. 350 Bände. Aus ihnen stellt er vor allem die Einnahmen der städtischen Waage zusammen, die wie keine andere Quelle den Wareneingang nach Leipzig dokumentieren.

Den Hauptteil des Buches bilden Tabellen (65-348), denen Straube eine Einführung (9-64) voranstellt. Selbige ist eine Kombination aus Forschungsüberblick, historischem Abriss und Detailanalysen zu den Großen Märkten/Messen. Zwar folgt diese Einführung einem chronologischen roten Faden, doch sind die inhaltlichen Übergänge zwischen den unzähligen kleinen Abschnitten oft sprunghaft, sodass man bisweilen die größeren Zusammenhänge aus den Augen verliert.

Das wichtigste Thema der Einführung ist die quellenkritische Auseinandersetzung mit den oben genannten Rechnungsbänden, die die Einnahmen der Waage zu den Oster-, Michaelis- und Neujahrsmärkten dokumentieren. Daher werden besonders ausführlich die Waagemeister und Waageschreiber behandelt, deren Arbeitsweise bereits von den Zeitgenossen kritisch betrachtet wurde. Teils aus Unkenntnis, teils aus betrügerischer Absicht wurden Werte falsch in die Rechnungen eingetragen oder Geld nicht richtig abgerechnet. Ebenso waren durch einen komplizierten Verwaltungsablauf Probleme bei der Erfassung der eintreffenden Waren vorbestimmt und eine nachvollziehbare Buchführung mindestens erschwert. Daher resümiert Straube, dass "die ermittelten Leistungsangaben [in den Tabellen] den untersten möglichen Wert darstellen" (12).

Das normative Gegenbild zu den bisweilen nur bedingt wirklichkeitsnahen Rechnungen bildeten die Waageordnungen. Straube druckt die älteste wahrscheinlich vom Ende des 14. Jahrhundert stammende Waagetafel (60-61), die Waageordnung von 1518 (24-31) sowie die dazugehörige "Tax oder Losung in der Wage" (31-34) aus demselben Jahr, die Waagetafel von 1682 (49-54) sowie die "Alphabetische Designation derjenigen Waaren, so Waagegebühr nach dem Gewichte, Colli oder Stücken abgeben müssen" (62-64) von 1766 ab. Neben Einblicken in die Verfahrensweise der Warenerfassung erlauben diese Ordnungen vor allem Einblicke in die Vielfalt der gehandelten Güter und die dazugehörigen Waagegebühren, aus denen Straube eine Hochrechnung für die insgesamt gehandelten Warenwerte zwischen 1471 und 1522 exemplarisch zusammenstellt (34f.).

Bei seiner Einführung geht es Straube neben der kritischen Auseinandersetzung mit den Quellen vor allem um eine Kontextualisierung der Rechnungen vor dem jeweiligen Zeithorizont und um das Einbeziehen anderer Quellen, die das aus den Rechnungen gewonnene Bild zu erklären helfen oder ergänzen.

Den einführenden Bemerkungen folgen die statistischen Tabellen. Zunächst werden Waageeinnahmen in Tabellen jahresweise 1471 bis 1815 dargeboten (65-170), alsdann noch einmal zusammengefasst (171-180) und schließlich etwas anschaulicher in Diagrammen dargestellt (181-184). Gerade letztere lassen die Kontinuitäten und Brücher der Leipziger Handelsgeschichte deutlicher erkennen, als dies aufgrund der vorhergehenden endlosen Zahlenkolonnen möglich wäre. Es schließen sich die Standgeldeinnahmen für denselben Zeitraum an (185-320).

Einen sehr viel kleineren zweiten Teil der Statistiken bilden die "Jüdischen Kaufleute in Leipzig 1585-1810/11". Den diesbezüglichen Einführungen folgen die Tabellen zum "Juden-Zins nach den Hauptkassenrechnungen und den Teilrechnungen" von 1585 bis 1811 (340-348).

Den Abschluss des Werkes bilden ein Verzeichnis von Abkürzungen und Erläuterungen zu Münzen und Gewichten und schließlich das Quellen- und Literaturverzeichnis.

Zusammenfassend betrachtet kann man sicher sagen, dass es sich bei dieser Publikation um ein ungewöhnliches Buch handelt. Straube macht etwas, das nur wenige Forscher - oder wenigstens Historiker - tun. Er stellt zu einem Thema sämtliche gewonnenen Forschungsdaten, die er in über 40 Jahren zusammengetragen hat, für jedermann zur Verfügung, was ein nicht groß genug zu würdigendes Verdienst ist. Die Tabellen sind sicher keine spannende Lektüre, doch dürften ihre Zahlen und die einführenden quellenkritischen Erläuterungen mehr als nur eine solide Grundlage für weitere Forschungen zur Geschichte der Leipziger Großen Märkte/Messen sein.

Andererseits ist es sehr zu bedauern, dass diese ungeheuer große Materialbasis nur zwischen zwei Buchdeckeln publiziert wurde. Warum der Verlag dem Buch nicht wenigstens eine CD-Rom mit den Tabellen beigelegt hat, ist nicht nachvollziehbar. Wieviel mehr könnte man aus Straubes Längsschnittuntersuchung, die mit ihren wenigen Diagrammen nur leicht an der Oberfläche dessen kratzt, was heute im Bereich der Digital Humanities darstellbar wäre, gewinnen. Darstellung hieße hier nicht bebildern, sondern Zusammenhänge, die aus Tabellen nicht zu gewinnen sind, zu visualisieren und damit überhaupt erst erkennbar zu machen.

Vielleicht finden Autor, Reihenherausgeber oder Verlag noch eine Möglichkeit, diesen Datenschatz aus Rechnungen, Steuersätzen, Gebühreneinnahmen, Datumsangaben, lokalen Ortsangaben, Fernhandelsbeziehungen, Warensorten, Personengruppen etc. tatsächlich zu heben.

Christian Speer