Ulrich Baumgärtner: Wegweiser Geschichtsdidaktik. Historisches Lernen in der Schule, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2015, 254 S., 47 s/w-Abb., ISBN 978-3-8252-4399-9, EUR 19,99
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Nicola Brauch: Geschichtsdidaktik, Berlin: De Gruyter 2015, 242 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-05-005167-3, EUR 24,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Hilke Günther-Arndt / Meik Zülsdorf-Kersting (Hgg.): Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: Cornelsen 2014, 272 S., ISBN 978-3-589-16309-0, EUR 23,50
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Hilke Günther-Arndt / Michael Sauer (Hgg.): Geschichtsdidaktik empirisch. Untersuchungen zum historischen Denken und Lernen, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2006
Manuel Köster / Holger Thünemann / Meik Zülsdorf-Kersting (eds.): Researching History Education. International Perspectives and Disciplinary Traditions, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2014
Nicola Brauch: Das Anne Frank Tagebuch. Eine Quelle historischen Lernens in Unterricht und Studium, Stuttgart: W. Kohlhammer 2016
Drei neue Werke befüllen den Raum der einführenden Literatur der Didaktik der Geschichte. Hilke-Günther Arndt und Meik Zülsdorf-Kersting als Herausgeber und im Verbund mit sieben weiteren Autoren legen die sechste, nun überarbeitete Auflage vor, Ulrich Baumgärtner und Nicola Brauch bevorzugen die Monografie, integrieren - im Unterschied zum Sammelband - die schon bei Annette Kuhn und Valentine Rothe erschienene Praxis des aktiven Bearbeitens durch flankierende Arbeitsaufträge und -fragen und geben den Lesern am Ende der Kapitel zusätzlich eine Literaturauswahl beziehungsweise eine knappe Literaturbesprechung. Nur der Sammelband bietet ein überaus nützliches Sachregister, die anderen beiden ein kommentiertes und auf die Kapitelthemen bezogenes Literaturverzeichnis.
Ulrich Baumgärtner kündet bereits durch die Titelei an, dass von ihm nicht 'eine' oder 'die' Geschichtsdidaktik, sondern lediglich ein "Wegweiser" zu erwarten sei, den er auf den Fluchtpunkt des schulischen historischen Lernens bezieht. Dementsprechend werden wissenschaftliche Positionierungen, disziplingeschichtliche Traditionen und methodologische bzw. forschungsmethodische Zusammenhänge nur randständig und gelegentlich, die pragmatischen Fragen und die zentralen, geschichtsdidaktischen Begrifflichkeiten hingegen exquisit bearbeitet. Bereits in der Einleitung (9-15) wird der Leser bestärkt, dem Text treu zu bleiben, zeigt sich auf den ersten Seiten die Qualität des Autors, knapp und präzise zu formulieren und den Adressaten, insbesondere den Novizen und Interessierten der Geschichtsdidaktik, schnell über grundlegende Themengebiete zu informieren. Diese Qualität wird über den gesamten Umfang gehalten.
Die einheitlich aufgebauten Kapitel orientieren sich gewissermaßen an geschichtsdidaktischen Standards. Sie beginnen mit einer prägnanten Zusammenfassung, führen in das Thema meist problemorientiert ein, wobei weniger empirische Belege, sondern passende Beispiele gewählt werden. Sie stellen bisweilen kontroverse Standpunkte vor, bevor dann unter der Überschrift "Probleme und Perspektiven" der Wissenserwerb bei der Bearbeitung der Arbeitsaufträge reflektiert werden kann. Repräsentative Literaturhinweise runden die Kapitel ab.
Der Wille nach Verständlichkeit zeigt sich an den zahlreichen Schaubildern. Allerdings ist die sprachliche Darstellung meist präziser als die grafische. Beispielsweise bleibt ungeklärt, warum etwa bei Abbildung 1 ("Gegenstandsbereich der Geschichtsdidaktik", 11) unterschiedliche Linienformen (gestrichelt, durchgezogen, ohne) und Formen (Rechtecke, Ellipsen, ohne) für die Termini "Geschichtskultur", "Geschichtswissenschaft", "Geschichtsunterricht", "Geschichtspolitik", "Geschichtsbewusstsein", "Bild der Vergangenheit" gewählt wurden. Konzeptionell unklar und unbeantwortet bleibt die Frage, mit welchen Gründen sich die exponierte Stellung der "Geschichtspolitik" im Gegenstandsbereich der Didaktik der Geschichte begründen lässt oder warum dieses Konzept überhaupt als eigenständiger Bereich ausgewiesen wird.
Trotz des eigenwilligen Titels ist die Gliederung überaus konventionell. Der Weg führt über die gewählten Referenzobjekte ("Geschichte und Didaktik", 17-30) mit den zentralen Kategorien von Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur (31-46). Er leitet vom Schüler mit seinen Lernvoraussetzungen ("Historisches Lernen", 47-55) hinüber zum System des Lernens an der Schule (57-74) mit seinen inhaltlichen (89-105) und intentionalen Verstrebungen (75-87) und darauf zum Unterrichtsgeschehen mit seinen methodischen (105-112) sowie medialen Allgemeinheiten (113-119) und Besonderheiten (121-230). Abgeschlossen wird der Band durch zwei eher losgelöste Kapitel. Dabei wird die Thematik der Unterrichtsplanung und Unterrichtsanalyse (231-241) nicht mit den übergreifenden und im Buch behandelten Anliegen und Verfahrensweisen (wie kann man sich Lernprozesse vorstellen, die sich an einer Geschichtskultur und an einem individuellen Geschichtsbewusstsein orientieren?) auf ein Handlungs- und Reflexionsarrangement bezogen.
Die Einheit "Empirische Forschung in der Geschichtsdidaktik" (231-241) thematisiert neben den bereits behandelten Säulen von Theorie und Pragmatik abschließend die Empirie. Dieser sinnvolle Einschub vermag aber den Anspruch des Wegweisens nicht einzulösen. Es werden zwar Grundprinzipien empirischen Arbeitens (244) vorgestellt, der Leser wird aber mit diesem Wissen und ohne die Kenntnis statistischer und anderer Fachtermini zahlreiche geschichtsdidaktische und bildungswissenschaftliche Forschungen nicht eigenständig interpretieren können, was bei den abschließenden Bearbeitungsimpulsen (249) aber angeregt wird. Zudem ist zu überlegen, ob die einst Maßstäbe setzende, nun aber bereits 20 Jahre alte, repräsentative Untersuchung über das Geschichtsbewusstsein und den Geschichtsunterricht (von Borries 1995) weiterhin historisches Lernen an der Schule abbilden kann. Gleichwohl wird an diesem Kapitel verdeutlicht, dass die Geschichtsdidaktik auf Methodenimport angewiesen ist und dass diese Erkenntnisverfahren in Studium und Professionalisierung ausgeblendet bzw. anderen Domänen überlassen werden.
Baumgärtner setzt in seiner "Geschichtsdidaktik für die Schule" (12) den Schwerpunkt auf die Pragmatik. Schon durch den Seitenumfang und die Differenzierung der Medien historischen Lernens nach "Mündlichkeit und Hörbarkeit", "Schriftlichkeit", "Bildlichkeit", "Gegenständlichkeit", "Körperlichkeit" und "Digitalität" wird diese Schwerpunktsetzung klar. Geschichte kann im schulischen Zuschnitt demnach als Medienfach charakterisiert und präsentiert werden. Dementsprechend anspruchsvoll und vielfältig sind die damit verbundenen intellektuellen Tätigkeiten und Verfahrensweisen, was wiederum den besonderen Voraussetzungsreichtum und die (leider allzu selten im Unterricht praktizierte) Diversität des historischen Lernens verdeutlichen kann. Gleichwohl ist die mit dieser Gliederung verbundene Praxis, Quellen, Darstellungen und Unterrichtshandeln zusammenzuziehen, gewohnheitsbedürftig und nicht immer nachvollziehbar, denn Tafelanschriebe, Veranschaulichungen ("Bildlichkeit"), Historische Orte ("Gegenständlichkeit") bedürfen doch stets der Sprache ("Mündlichkeit"). Nicht ganz nachvollziehbar ist es - und das gilt auch für die anderen Werke - angesichts der herausgehobenen Bedeutung der Geschichtskultur, dass auf den weiten Bereich des Reenactments von "Living History" oder "Doing History" verzichtet wird.
Nicola Brauch verneigt sich am Ende der Einleitung vor einem gewichtigen Vorgänger an ihrem Standort. Jörn Rüsen habe sie stets inspiriert und herausgefordert. Sinnvoll wäre es gewesen, ihm das Manuskript vorzulegen. Seine Nachfolgerin setzt kein Praxishandbuch oder einen Wegweiser, sondern Clio und "Geschichtsdidaktik" auf den Buchdeckel. Das bedeutet, dass sie nicht nur Auskunft geben sollte über die Methodologie und Methoden einer Wissenschaftsdisziplin, die Inhaltsfelder und theoretische Bezugsrahmen, sondern auch Bilanz ziehen müsste über die Entwicklung dieser Disziplin und ihrer Verortung im Wissenschaftssystem.
Geschichtsdidaktik sei die "wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der fachlichen Planung von Lernprozessen und der theoretischen Begründung fachdidaktischer Entscheidungen befasst" (12). Wenig später ist zu lesen, dass Geschichtsdidaktik diejenige Disziplin sei, "die versucht, diese Unterscheidung zwischen Geschichte und Historie in Erinnerung zu rufen, damit der Geschichtsunterricht so gestaltet wird, dass auch die Lernenden dort eine Chance haben, wissenschaftliche von nicht-wissenschaftlichen Erzählungen und darin enthaltenen Deutungen unterscheiden zu lernen" (17). Im Glossar hingegen liest man, dass die Geschichtsdidaktik eine wissenschaftliche "Disziplin [ist], die die Entstehung und den Wandel des Geschichtsbewusstseins und Möglichkeitsbedingungen zur Förderung reflektierten Geschichtsbewusstseins in der Gesellschaft erforscht" (240). Diese Definitionen wurden nicht formuliert, um über eine argumentative Auseinandersetzung oder durch den Ausweis von Stationen aus der geschichtsdidaktischen Zeitgeschichte zu einer abschließenden Synthese zu gelangen. Sie stehen einfach da, werden weder problematisiert noch erläutert und kontextualisiert. Mit diesen begrifflichen Unschärfen und Widersprüchen lässt sich eine Wissenschaftsdisziplin weder entwickeln noch darstellen. Der im konkreten Fall schwer zu erbringende Unterschied zwischen Geschichte und Historie (hier Geschichte als Wissenschaftsdisziplin oder historische Forschung) ist nicht unbedingt eine Voraussetzung, um beispielsweise unterschiedliche Erzählungen und Erzählweisen im Geschichtsunterricht zu präsentieren, Wahrheitsfragen zu stellen und Triftigkeitskriterien zu entwickeln.
Auch der andere Definitionsversuch überzeugt nicht: Er verbindet Programmatik mit nicht einzulösender Normativität, Vertrautem und zu Misstrauendem. Der erste Teil, "Entstehung [besser Bildung] und [...] Wandel des Geschichtsbewusstseins", erinnert an gängige und vertraute Definitionen, beim zweiten Teil werden die "Möglichkeitsbedingungen" - vermutlich dem Wortschatz von Foucault entlehnt - für das Normativ eines reflektierten Geschichtsbewusstseins erforscht. Demgegenüber halte ich auch ein weniger reflektiertes Geschichtsbewusstsein, das sich anhand sozialer Praktiken beschreiben und erforschen lässt, nicht für weniger bedeutsam, interessant, skurril oder erkenntniswürdig. Weitere seltsame Formulierungen und Sachbeschreibungen müssen nicht weiter besprochen werden. Verzichten möchte ich auch auf die zahlreichen sprachlichen Verwerfungen, die darauf hindeuten, dass dem Band eine gründliche Endredaktion fehlte.
Nicola Brauch versucht, die Kapitel übersichtlich zu gliedern und zu konzipieren. Die Aufnahme von internationalen "Lektüreempfehlungen" und von "Fragen und Anregungen" ist sinnvoll und weitet den Blick. Auch die Aufnahme von vier Kapiteln (11-14) zum Oberthema "Diskurse und Begriffe" ("Das Thema Holocaust im Geschichtsunterricht", "Wissenschaftspropädeutik", "Bilingualer Geschichtsunterricht und interkulturelles Lernen", "Public History") ist aus konzeptionellen Überlegungen interessant, weil damit aktuelle geschichtsdidaktische Reflexionen dokumentiert werden. Andererseits entbehrt die Auswahl jeglicher Begründung und Stichhaltigkeit. Inwiefern Bilingualität oder der Lerngegenstand Shoa im Geschichtsunterricht ein Diskurs der Geschichtsdidaktik, der historischen Forschung oder eher der Schulverwaltung, der Politik, der Geschichtspädagogik oder gar der Öffentlichkeit ist, wird nicht geklärt. Beliebigkeit wird damit zum Prinzip.
Brauch hat den Mut, die Geschichtsdidaktik (wieder) auf den schulischen Kontext zu reduzieren. Sie schreibt eine Didaktik des Geschichtsunterrichts und keine Geschichtsdidaktik. Dies wird durch die Kapitelbezeichnungen belegt: "Kompetenzorientierung im Schulfach Geschichte", "Kompetenzen geschichtsdidaktischen Denkens und Handelns", "Gegenwart und Zukunft", "Arbeit mit dem Lehrplan", "Medien und Methoden - Heuristik und Interpretation", "Theoriebasierte Planung", "Unterrichtsbeobachtung planen" und "Diagnose von Schülerleistungen planen". Ein anderer Kritikpunkt wäre die partiell einseitige beziehungsweise reduktionistische Darstellung. Als Vertreterin eines bestimmten Kompetenzmodells mag man die eigenen Sachurteile durchaus exponieren. Dass dabei aber andere Modelle ungenannt bleiben, ist insbesondere bei einer Einführung, die eine gewisse Breite von Ansätzen und Wissenstraditionen abbilden sollte, fragwürdig.
Ein Verlag würde vermutlich nicht einer Überarbeitung zustimmen, zwei Herausgeber nicht die Arbeit auf sich nehmen, hätte sich der Sammelband nicht auf dem Markt bewährt. Hilke Günther-Arndt und der neue Mitherausgeber Meik Zülsdorf-Kersting folgen der Verlagskonzeption mit ihren Fachdidaktikbänden und lösen den Standard der Aktualisierung des Wissens mit der sechsten, überarbeiteten Neuauflage in unterschiedlicher Intensität ein.
In konzeptioneller Hinsicht folgt die Darstellung dem bekannten Muster. Zunächst werden vier zentrale Bereiche von Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik von Bernd Schönemann ("Geschichtsdidaktik, Geschichtskultur, Geschichtswissenschaft", 11-23, "Lehrpläne, Richtlinien und Standards", 50-66), Hilke Günther-Arndt ("Historisches Lernen und Wissenserwerb", 24-49) und Waldemar Grosch ("Geschichte im Fächerverbund", 67-73) verantwortet, wobei der letzte Punkt nur unwesentlich die geschichtsdidaktischen Publika, wohl aber die Schulrealität in der Primarstufe und die nichtgymnasiale Realität in der Sekundarstufe I prägt.
Darauf folgt der Schwerpunkt zur Planung, Gestaltung, Durchführung und Analyse des Geschichtsunterrichts, der sich im zweiten Teil in den Kapiteln "Schriftliche Quellen und Darstellungen" (74-99, Waldemar Grosch), "Bildliche Quellen und Darstellungen" (100-131, Edda Grafe, Hilke Günther-Arndt, Carsten Hinrichs), "Filmische Quellen und Darstellungen" (132-143, Norbert Zwölfer), "Gegenständliche Quellen und Darstellungen" (144-157, Dietmar von Reeken), "Methodik des Geschichtsunterrichts" (158-204, Hilke Günther-Arndt), "Planung von Geschichtsunterricht" (205-213, Holger Thünemann) und "Historische Kompetenzen - Diagnose und Bewertung" (214-226, Meik Zülsdorf-Kersting) vereint. Im dritten Teil werden laut Herausgeber "neue bzw. weiterhin aktuelle Anforderungen" (10) wie "Geschichtsunterricht und Computer" (227-237, Hilke Günther-Arndt) und "Interkulturelles Geschichtslernen" (238-246, Dietmar von Reeken) vorgestellt, die beliebig ausgewählt und eher längst bekannte als neue geschichtsunterrichtliche Größen oder Forderungen sind.
Konzeptionell lassen sich im Vergleich zur fünften Auflage keine Unterschiede feststellen, sieht man von leichten Umformulierungen, einer Umsortierung (Fächerverbund) und Umstrukturierung (Historische Kompetenzen - Diagnose und Bewertung) ab. Der bereits mehrfach rezensierte Band wird an ausgewählten Kapiteln und insbesondere nach dem Kriterium der Überarbeitung besprochen. [1]
Im ersten Teil führt Bernd Schönemann prägnant, präzise und souverän in die Geschichtsdidaktik ein. Seine grundlegenden und programmatischen Aufsätze sind bekannt und anerkannt. Die bereits genannten neuen Zugänge, die begrifflich und institutionell als 'Public History' oder 'Arbeitsgemeinschaft für Angewandte Geschichte/Public History' im 'Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands' auftreten und sich programmatisch und empirisch mit der Bildung und Veränderung von Geschichtsbewusstsein oder dem Umgang mit Geschichte beschäftigen, hatten bereits weitreichende Konsequenzen für die Geschichtsdidaktik, bis hin zur Domination von Professuren wie in München und Bochum. Solche Entwicklungen und Zusammenhänge werden in diesem Grundlagenkapitel nicht genannt, das sich nur unwesentlich von der Erstauflage (2003) unterscheidet. Im Unterschied dazu löst Hilke Günther-Arndt im Kapitel "Historisches Lernen und Wissenserwerb" das Kriterium der Überarbeitung ein. Der Beitrag zeichnet sich durch eine gelungene Mischung von Theorie und Empirie aus, indem er neuere empirische Studien zusammenfasst, die partiell aufgrund von Verallgemeinerungen aus kleinen Stichproben oder von Befunden über andere Altersgruppen zwar problematisch erscheinen, insgesamt aber dem Leser wichtige Erkenntnisse für die Gestaltung von Lernprozessen liefert.
Holger Thünemann schafft in dem völlig neuen Kapitel zur Unterrichtsplanung eine deutliche Qualitätssteigerung. Er verdeutlicht, dass eine am historischen Lernen, an geschichtsdidaktischen Prinzipien und an fachwissenschaftlichen Standards ausgerichtete Konzeptionierung von Geschichtsunterricht noch in den Anfängen steckt. Gleichwohl sind die geschichtsdidaktischen Konturierungen weiterführend und produktiv, bisweilen aber auch problematisch und rein akademisch. So ist ihm zuzustimmen, dass geschichtswissenschaftliche oder geschichtskulturelle Kontroversen (212) eine sinnvolle Unterrichtsstrategie sein können. Allerdings leben die Abnehmer in der Regel in anderen geschichtskulturellen Welten als ihre Lehrkräfte. Trotz des wichtigen Beitrages steht weiterhin eine Unterrichtsplanung aus, die sich beispielsweise an den Zentralkategorien wie dem Geschichtsbewusstsein oder der narrativen Kompetenz orientiert und dabei zeigt, wie auf dieser Grundlage entsprechende praktische Entscheidungen getroffen werden können.
Ähnlich gelagert ist der Sachverhalt beim Kapitel "Diagnose und Bewertung". Meik Zülsdorf-Kersting benennt hier ein zentrales Qualitätsmerkmal von Unterricht und für die Ausbildung des Geschichtsbewusstseins, bekannte Verfahren und Organisationsweisen. Allerdings erfährt der Praktiker nicht, was im Hinblick auf eine geschichtsdidaktische Variable oder ein geschichtsunterrichtliches Ziel - im Beitrag wird beides auf die Kompetenzen bezogen - zu diagnostizieren ist. Dabei ist das Wissen über das Erkennen von Perspektiven, Veränderungen in der Zeit, Deutungen in historischen Aussagen und Produkten oder über das individuelle Geschichtsbewusstsein in der Lerngruppe grundlegend für Unterrichtsqualität oder Unterrichtsplanung. Meik Zülsdorf-Kersting verdeutlicht, dass auf diesem Feld noch eine Menge Forschung erforderlich ist.
Zuletzt seien einige zusammenfassende Punkte gestattet. Die Geschichtsdidaktik ist weitgehend geschichtslos geworden. Weniger überraschend ist, dass sie als eine westdeutsch-bundesrepublikanische Angelegenheit präsentiert wird. Lediglich Bernd Schönemann verweist knapp auf die DDR (15). Grundlegend für eine Einführung ist (auch) die Verortung im Wissenschaftssystem. Die Pädagogik spielt in der Positionierung der Geschichtsdidaktik eine marginale Rolle, obwohl wesentliche Impulse für die Geschichtsdidaktik - wie man auch immer die Methodendiskussion, die Kompetenzdebatte, die Professionalisierung oder unterrichtliche Fragen wie Aufgabenformulierung und Diagnose bewerten mag - von den Bildungswissenschaften und nicht von der historischen Forschung und Geschichtstheorie ausgingen. Inklusionswächter könnten allen drei Werken vorwerfen, dass mit dieser Didaktik und einer darauf bezogenen Methodik immer noch Menschen mit unterschiedlichen Handicaps, vor allem mit bescheidenem IQ, ausgeschlossen werden. Inklusion: Fehlanzeige. Das Bildungsthema der Gegenwart wird nicht einmal mit einem Kapitel oder einer Unterüberschrift gewürdigt. Zu dem nüchternen und sachlichen Duktus der Bände passt, dass auch die Geschichtsphilosophie weitgehend ausgeblendet wird.
Das Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft ist - mit einer Relativierung bei Brauch - das zentrale Reflexionsfeld der Geschichtsdidaktik. Dieses Programm ist alternativlos, was nicht weiter problematisiert wird. Selbst Politikwissenschaftler erforschen inzwischen das individuelle Geschichtsbewusstsein. Auch Kulturwissenschaftler, Bildungswissenschaftler oder Zeithistoriker drängen mit empirischen, pragmatischen und theoretischen Arbeiten (beispielsweise mit 'Public History', 'Living-History', 'Holocaust-Education' oder 'Gedenkstättenarbeit') in 'klassische' geschichtsdidaktische Felder des Geschichtsbewusstseins in der Gesellschaft respektive beruflicher Arbeitsmöglichkeiten. Inwiefern sich Innovationen für die Geschichtsdidaktik und den Geschichtsunterricht durch die Kulturwissenschaften eröffnen, wird in den drei Werken ausgeklammert, die weitgehend das Bekannte und Bewährte betonen.
Anmerkung:
[1] Der Wert dieser Publikation wurde bereits in einer früheren Rezension herausgestellt: Tobias Arand: Rezension von: Hilke Günther-Arndt (Hg.): Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 2 [15.02.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/02/5128.html [22.09.2016].
Manfred Seidenfuß