Rezension über:

Jacques des Courtils: L'architecture monumental grecque au IIIe siècle a.C., Pessac: Ausonius Editions 2015, 357 S., zahlr. Farb-, s/w-Abb., ISBN 978-2-3561-3144-7, EUR 60,00
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Rezension von:
Barbara Sielhorst
Deutsches Archäologisches Institut, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Sielhorst: Rezension von: Jacques des Courtils: L'architecture monumental grecque au IIIe siècle a.C., Pessac: Ausonius Editions 2015, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 1 [15.01.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/01/28925.html


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Jacques des Courtils: L'architecture monumental grecque au IIIe siècle a.C.

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Im Jahr 2015 erschien beim Ausonius Verlag ein rund 350 Seiten umfassendes Buch zur griechischen Monumentalarchitektur im 3. Jahrhundert v. Chr. als vierzigster Band der Mémoires-Reihe. Herausgegeben wurde das Werk von Jacques des Courtils, einem ausgewiesenen Kenner der Materie, der sowohl durch einschlägige Publikationen bekannt ist als auch, weil er für gut fünfzehn Jahre die französischen Ausgrabungen in Xanthos leitete.

Der Band besteht aus insgesamt vierzehn Beiträgen, die im Zuge von drei Workshops entstanden sind, die Jacques des Courtils zwischen 2011 und 2013 an der Universität von Bordeaux bzw. an der École Francaise d'Athènes organisiert hat. Die Beiträge sind in drei Rubriken unterteilt, die sich der Reihe nach zunächst einzelnen Stätten (sieben Beiträge), anschließend verschiedenen Regionen (vier Beiträge) und abschließend der Technik und dem Dekor (drei Beiträge) der Architektur des 3. Jahrhunderts v. Chr. widmen. Vom Herausgeber dieses Kompendiums stammen das Vorwort sowie die Einleitung, in der er die Entstehungsgeschichte schildert und einen Überblick zum Forschungsstand liefert.

Anlass für die eingehende Beschäftigung mit dem Thema bot die Datierung des Letoon-Tempels in Xanthos ins 2. Jahrhundert v. Chr. durch den damaligen Grabungsleiter Christian Le Roy und Erik Hansen im Jahr 1976. Gemeinsam mit den beiden auf ihn folgenden Grabungsleitern Didier Laroche und Laurence Cavalier vertritt der Herausgeber dieses Bandes jedoch die These, dass der Tempel bereits ins 3. Jahrhundert v. Chr. datiert werden müsse. Zugleich fielen ihnen auch die regionalen Besonderheiten der lykischen Architektur auf, deren Verhältnis zu anderen Regionen in der Ägäis man klären wollte. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich viele technische und stilistische Neuerungen in der Architektur zeitgleich mit der Entstehung von Flächenstaaten verbreiteten und dies fast zwangsläufig zu Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Architektur und politischer Entwicklung in jener Zeit führt. Der Herausgeber sieht daher in dem vorliegenden Band erst den Anfang für eine intensivere Erforschung der Architektur des 3. Jahrhunderts v. Chr. und eröffnet diverse Perspektiven für zukünftige Forschungen.

In seiner Einleitung gibt Jacques des Courtils zunächst einen detaillierten Überblick über die Forschungsgeschichte, um anschließend die Kernfrage, die ihn bei der Beschäftigung mit der Architektur des 3. Jahrhunderts v. Chr. umtreibt, näher zu erläutern. Es geht ihm in erster Linie um die Pluralität und Vielfalt von Stilen, die sich in jener Zeit bemerkbar macht und die zu völlig neuen Formen führt. Dies lässt ihn konsequenter Weise zu dem Schluss kommen, dass man hier mit der typologischen Methode, die von einer stetigen Weiterentwicklung der Formen ausgeht, nicht weiter kommt. Um einen andere Perspektive einzunehmen, möchte er keine weitere regionale Studie vorlegen, sondern bewusst den Blick auf die gesamte Ägäis lenken und dabei Aspekte wie die Auswirkungen königlicher Macht und die Rolle von Handwerkern und Werkstätten bei der Verbreitung unterschiedlicher Stile in den Blick nehmen. Die darauf folgenden Beiträge gliedern sich in drei Bereiche (archäologische Stätten, Regionen, Technik und Bauornamentik) und wurden von internationalen Experten zum Thema verfasst. Aus pragmatischen Gründen wird im Folgenden jeweils ein Beitrag pro Rubrik näher besprochen. Die Wahl fiel dabei auf die Beiträge von Yannis Lolos zu Sikyon, Luigi Maria Caliò zur Gestaltung des Stadtraumes in der Dodekanes und Ulf Weber über das Bauen mit Hilfe von Versatzmarken in Delos und Pergamon.

In seinem Beitrag zu Sikyon (51-82) bietet Yannis Lolos einen Überblick zu den neueren Forschungen, die er gekonnt mit den Grabungsergebnissen der 1930er Jahre und der Überlieferung bei Pausanias in Verbindung bringt. Dabei wird deutlich, wie hilfreich geophysikalische Prospektionen sind, um alte Forschungsergebnisse zu verifizieren. In Verbindung mit punktuellen Grabungen (z.B. in der Stoa südlich der Agora) konnten bis dato offene Fragen bzgl. der Datierung geklärt werden. Als Neugründung unter Demetrios I. Poliorketes ist Sikyon ein Paradebeispiel für eine hellenistische Stadt. Dank der Prospektion von rund 40 Prozent des Stadtgebietes konnte das Straßensystem geklärt sowie das Verhältnis wichtiger öffentlicher Gebäude zueinander untersucht werden. So reihen sich unterhalb der Akropolis mit dem Stadion, dem Theater, dem Gymnasion und der Agora alle wichtigen öffentlichen Einrichtungen aneinander. Von besonderem Interesse ist dabei das auf zwei Terrassen angelegte Gymnasion, das in dieser Form in Griechenland einzigartig ist. Für eine detaillierte Baubeschreibung und Einordnung in den weiteren Kontext der Peristylbauten hätte man an dieser Stelle gut auf die Monographie von Burkhard Emme verweisen können. [1] Interessant ist auch die Feststellung, dass zwar ein von Beginn an angelegtes Straßensystem eine Bebauung möglich machte, aber offenbar nicht alle Teile der Stadt auch tatsächlich bebaut worden sind (vgl. Messene). Nicht näher untersucht wurden eine Tempelanlage mit Portikus nordwestlich der Agora sowie die in der Prospektion deutlich sichtbare Wohnbebauung. Hier bleibt auch für die Zukunft noch viel zu tun.

Der Beitrag von Luigi Maria Caliò zu Raum und Architektur in der Dodekanes bietet einen Rundumblick zu Agorai, Gymnasia, Heiligtümern, Gräbern und Wohnhäusern (223-267). Der Schwerpunkt liegt zwar auf Kos und Rhodos, doch gelingt es ihm darüber hinaus auch diverse weniger bekannte Stätten auf den Inseln kurz zu streifen und sie in seine Gesamtinterpretation miteinzubeziehen. Der Autor sieht dabei in der Region eine Art Schmelztiegel von stilistischen Einflüssen aus Ägypten, Karien und Ionien. Durch den wachsenden Einfluss hellenistischer Herrscher und den Städtegründungen sei es zu einer Monumentalisierung gekommen, die insbesondere auf der Dodekanes zu einer Inszenierung von Architektur als Schaubild geführt habe, für den L. M. Caliò den antiken Begriff "Theatroides" verwendet. Auf welche Quellen er sich dabei konkret beruft, bleibt leider offen, stattdessen verweist er auf einen von ihm publizierten Artikel aus dem Jahr 2012. Eindrucksvoll veranschaulicht er die Art der szenographischen Anordnung von Architektur an Hand der Gestaltung des Hafens von Kos sowie des dortigen Asklepiosheiligtums. Ein weiterer Aspekt, der typisch für die Region ist, ist die Platzierung von Heiligtümern und Gräbern in einer Art Gartenlandschaft außerhalb der Stadtmauern. Die künstliche Gestaltung der Landschaft und Nachahmung der Natur sind charakteristische Merkmale, die sich besonders in Rhodos nachweisen lassen. Ergänzt werden die Ausführungen durch den Hinweis, welche Rolle neben der gebauten Architektur auch ephemere Handlungen wie Prozessionen etc. bei der Schaffung einer kollektiven Identität spielten und dass man diese Raumerfahrungen immer auch durch unterschiedlichste Sinneseindrücke ergänzen muss. Problematisch ist jedoch, dass in dem Beitrag viele der Themen und Thesen nur sehr verkürzt wiedergegeben werden können, obwohl er voller Ideen und reich an Informationen ist. So ist die Lektüre einerseits anregend und andererseits oft oberflächlich. Eine Konzentration auf einige wenige Aspekte, die man hätte vertiefen können, wäre sinnvoller gewesen.

Zur Rubrik Technik steuerte Ulf Weber einen kurzen, aber interessanten Beitrag zum Aufkommen und zur Verwendung von Versatzmarken bei (305-316). An Hand des Metertempels auf dem Mamurt Kale bei Pergamon und der Philipsstoa auf Delos erläutert er die Verwendung von Versatzmarken bei ihrer Errichtung. Die Beispiele datieren an den Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. bzw. um 201 v. Chr. und stellen somit die frühesten Bauten dar, bei denen sämtliche Blöcke mit Versatzmarken versehen worden sind. Eine weitere Neuerung ist die alphabetische Nummerierung der Blöcke der Stoa, die durch eine Aufteilung der Buchstaben auf bestimmte Zahlenräume eine dreistellige Nummerierung erlaubte (z.B. PIA = 111). Anhand seiner Analysen, der eine umfangreiche Dissertation zum Thema zugrunde liegt [2], ist es dem Autor außerdem möglich, das ein oder andere Vorurteil zu Versatzmarken zu entkräften. So wurden Versatzmarken z.B. nicht, wie noch vor kurzem behauptet, ausschließlich für Marmor verwendet.

Ohne hier jeden einzelnen Beitrag angemessen gewürdigt zu haben, kann resümiert werden, dass es sich bei dem vorliegenden Band um eine reiche Materialsammlung mit vielen interessanten Einzelaspekten handelt, der leider eine zusammenfassende Betrachtung fehlt. Die bereits im Vorwort genannte Frage nach der Datierung des Letoon-Tempels in Xanthos, die den Ausgangspunkt für die Kolloquien bildetete, bleibt daher ebenso offen wie die nach einer Art Quintessenz der hier versammelten Beiträge in Bezug auf das Oberthema. Welche Charakteristika besitzt nun die Architektur des 3. Jahrhunderts v. Chr.? Wie macht sich der Einfluss der hellenistischen Herrscher gegenüber den auf Autonomie bedachten Poleis bemerkbar? Lässt sich der häufig genannte ptolemäische Einfluss konkreter greifen oder handelt es sich eventuell um einen zu wenig hinterfragten Topos? Ohne Querverweise und Register ist die Publikation leider 'nur' ein guter Steinbruch für zukünftige Forschungen. Dazu, in welche Richtungen sie weitergehen könnten, wurden im Vorwort des Herausgebers bereits viele gute Vorschläge gemacht.


Anmerkungen:

[1] Burkhard Emme: Peristyl und Polis. Entwicklung und Funktionen öffentlicher griechischer Hofanlagen (URBS; 1), Berlin 2013, 128-133.

[2] Ulf Weber: Versatzmarken im antiken griechischen Bauwesen (Philippika; 58), Wiesbaden 2013.

Barbara Sielhorst