S. N.C. Lieu / P. McKechnie (Hgg.): Aspects of the Roman East. Papers in Honour of Professor Sir Fergus Millar FBA (= Studia Antiqua Australiensia; Vol. 7), Turnhout: Brepols 2016, XVI + 269 S., ISBN 978-2-503-52875-5, EUR 65,00
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Fergus Millar hat viel zur Erforschung der römischen Ostprovinzen beigetragen. [1] Insofern liegt es nahe, dass auch eine ihn ehrende Festschrift diesen Themenkomplex behandelt. Bei den beiden hier zu rezensierenden Bänden handelt es sich um eine Sammlung von Beiträgen, die hauptsächlich von aus Australien stammenden oder dort wirkenden Wissenschaftlern verfasst wurde.
Die Festschrift weist, um das voranzustellen, drei grundsätzliche Probleme auf. Das erste ist für Festschriften typisch: Ein relativ breites Oberthema steht im Titel, das zudem nicht immer konsequent durchgehalten wurde (manche Beiträge sind nicht oder kaum "Roman" und auch "East" trifft nicht immer vollkommen zu), auch wenn die einzelnen Aufsätze nützliche und lesenswerte Forschungsbeiträge sind. Hinzu kommt, dass der Weg durch die Drucklegung offensichtlich ein sehr langwieriger war, da sich im 2016 erschienenen zweiten Band keine Spuren finden, die auf ein späteres Jahr als 2013 weisen und einige Aufsätze (nicht nur der des 2006 verstorbenen Robert Tannenbaum) nicht oder kaum über 2007 (das Erscheinungsjahr des ersten Bandes) hinausgehen (siehe etwa 51, Anm. 55). Drittens bietet keiner der beiden Bände einen Registerteil.
Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aufsätze, mit deren Thematik der Rezensent am vertrautesten ist (und die in dieser Besprechung hervorgehoben werden) als Einzelbeiträge eine willkommene Ergänzung der Forschungsliteratur zu dem jeweiligen Thema darstellen.
Geoffrey Greatrex (Roman frontiers and foreign policy in the east, I, 103-173) bietet einen ausführlichen Überblick über die Entwicklung des Umganges des römischen Reiches mit dem parthischen bzw. persischen Nachbarreich in Kaiserzeit und Spätantike, der ihn zu dem Schluss führt, dass zumindest in der Spätantike eine römische Politik des "defensive imperialism" (156) nachweisbar sei und die Kontrolle der vorhandenen Gebiete sowie der Schutz der Grenzen gegenüber (Rück-)Eroberungen Vorrang hatten.
Frank Beetham bietet unter Mitarbeit des für die kommentierenden Anmerkungen und den Anhang zu den Editionen zuständigen Samuel Lieu (A Byzantine life of Constantine [BHG 365 - commonly known as the Opitz-Vita], I, 174-230) eine Übersetzung der sogenannten "Opitz-Vita", einer Lebensbeschreibung Konstantins, die wohl aus dem 10. Jahrhundert stammt. Die Übersetzung ist nicht zu bemängeln und wird ein nützliches Hilfsmittel darstellen, allerdings fallen die kommentierenden Anmerkungen sehr knapp aus und der 229-230 gebotene Anhang zählt lediglich die wichtigsten Editionen und die handschriftliche Grundlage auf, ohne näher auf die Bedeutung der Quelle (für Konstantin, für die Textkritik spätantiker Kirchenhistoriker, für das Bild Konstantins in Byzanz) einzugehen oder auch nur weiterführende Literatur zu diesen Themenkomplexen zu bieten.
Alanna Nobbs (The first [named] Christian accountant?, II, 212-221) bietet eine eingehende Studie des aus dem Jahr 313/4 stammenden P. Erl. Diosp. 1 und zeigt auf Basis der dort auftretenden Namen dessen Quellenwert als Zeugnis für die Christianisierung Ägyptens im frühen vierten Jahrhundert auf.
Der 2006 verstorbene Robert Tannenbaum (How the Goths won: The battle of Adrianople, its causes, course and consequences, II, 222-251) bietet eine durchdachte und sorgfältige Analyse des Verlaufes der Schlacht von Adrianopel und ihrer Vorgeschichte, in der er die Schilderung des Ammianus als grundsätzlich plausibel, wenngleich durch rhetorische Elemente verzerrt, erachtet. Die welthistorische Bedeutung dieser Schlacht sieht er in der Änderung des Kriegswesens der folgenden Jahrhunderte durch die großflächige Einführung berittener Bogenschützen.
Der Beitrag von Laurence L. Welborn (A coin of Aretas with possible implications for the chronology of Paul's life, II, 252-269) demonstriert den Nutzen der numismatischen Forschung für die neutestamentliche Wissenschaft. Hierin stellt Welborn die Frage, ob eine Münze aus Damaskus unter Aretas III. im frühen 1. Jahrhundert v.Chr. (so die allgemein herrschende Meinung) oder unter Aretas IV. 37/38 n.Chr. geprägt wurde und somit einen Beleg für die Datierung des Aufenthaltes des Paulus in Damaskus (der laut der Apostelgeschichte zur Zeit des Aretas IV. stattfand) bietet. Durch eine genaue Prüfung der Argumente für die Zuweisung an Aretas III. kann Welborn zeigen, dass diese nicht zwingend sind und eine sichere Zuweisung nicht ermöglichen; allerdings gelingt es ihm nicht, selbst ein zwingendes Argument für eine Zuordnung zu Aretas IV. vorzubringen, sodass seine These durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber der endgültige Beweis noch aussteht.
Die verbleibenden Beiträge behandeln die unterschiedlichsten Themen: Richard Alston diskutiert den Einfluss der Mittelmeerkulturen auf die Randzonen (I, 1-32). Samuel Lieu wirft einen Blick auf die Belagerung von Dura-Europos durch die Sasaniden in der Mitte des dritten Jahrhunderts (I, 33-61). David Noy vergleicht die Synagogen von Dura-Europos und Apamea (I, 62-80). Aspekte kultureller Identität sind das Thema von Nigel Pollard zu Dura-Europos (I, 81-102) sowie von Graeme Clarke und Heather Jackson zum hellenistischen Jebel Khalid (II, 78-127). Ross Burns bietet eine durch die Behandlung jeder einzelnen Stätte ausgesprochen nützliche Zusammenstellung der diokletianischen Befestigungsanlagen in Syrien und Arabien (II, 1-77). Edwin Arthur Judge, dessen Aufsatz zwei unterschiedliche Titel aufweist (VI: Who authored the Res Gestae in Greek?, 128: Was a Greek Res Gestae authorised for Sardis?) prüft die Hintergründe der griechischen Fassung der Res Gestae des Augustus (II, 128-145). Samuel Lieu und John Sheldon untersuchen die Entwicklung der Ortsnamen im Gebiet von Gallipoli von der Antike bis in die Neuzeit (II, 146-191). Paul McKechnie setzt sich mit den Zentren des frühen Christentums in Syrien und den dort vertretenen christlichen Teilgruppen auseinander (II, 192-211).
Ob die Festschrift dem Geehrten gerecht wird (was in den Rezensionen des ersten Bandes unterschiedlich beurteilt wurde [2]), kann letztlich nur dieser selbst zuverlässig beurteilen. Die einzelnen Aufsätze jedenfalls weisen (wenn man den Faktor der Zeitspanne zwischen Abfassung und Erscheinungsjahr in der Beurteilung als unverschuldeten Umstand auslässt) Sorgfalt und Qualität auf und sind daher bei weiteren Forschungen zu den jeweiligen Themen zu berücksichtigen. [3]
Anmerkungen:
[1] Siehe kürzlich seine Sammlung älterer Aufsätze zu diesem Thema: Fergus Millar: Empire, church and society in the Late Roman Near East. Greeks, Jews, Syrians and Saracens (collected studies, 2004-2014), Louvain 2015.
[2] Rezensionen des ersten Bandes (mit Relevanz für die in Klammern genannten Aufsätze): Jennifer Baird, in: Journal of Roman Studies 99 (2009), 234-235 (Alston, Greatrex); Gaëlle Coqueugniot, in: Revue Archéologique N.S. 48 (2009), 415-416 (Lieu); Maurice Sartre, in: Gymnasium 117 (2010), 400-402 (Noy, Pollard); Michael Sommer, in: Plekos 11 (2009), 95-96 (Lieu); Joan E. Taylor, in: Journal of Jewish Studies 60 (2009), 342-344. Bei der Frage danach, ob das Werk eine dem Geehrten angemessene Leistung ist, spricht sich Baird dagegen, Sommer hingegen dafür aus.
[3] Druckfehler sind insgesamt selten und meist nicht schwerwiegend; problematisch sind lediglich die fehlerhaften Ammianuszitate 225, Anm. 8 und 229 "XXI" (richtig "XXXI"). Bei dem Rest handelt es sich um marginale Details: Bei Nobbs findet sich wiederholt "Witschaftsbuch" (statt "Wirtschaftsbuch"). I, 194, Anm. 26 "verbabl" ("verbal"); II, 80, 100, Anm. 32, 114 (zweimal) und 115 "Seleukid" ("Seleucid"); 104, Anm. 42 und Seite 126 (Trümper) "de" ("der"); 124 (Kiderlen) "griechisher" ("griechischer"); 225, Anm. 8 "Jordanus" ("Jordanes").
Raphael Brendel