Félix Teichner (Hg.): Aktuelle Forschungen zur Provinzialrömischen Archäologie in Hispanien. Beiträge des DAAD-Kolloquiums im Mai 2015 in Sevilla (= Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg; Heft 61), Marburg: Vorgeschichtliches Seminar der Philipps-Universität Marburg 2016, 126 S., ISBN 978-3-8185-0529-5, EUR 20,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Die Iberische Halbinsel rückt seit langem stetig weiter in den Fokus archäologischer Forschungen. Wie bereits Simon Keay [1] treffend beschrieb, ist sie für unser Verständnis des Römischen Reiches und dessen Entwicklung eine Schlüsselregion. Umso wichtiger sind gemeinsame Projekte von spanischen und deutschen Archäologen, wie sie in dem vorliegenden Sammelband dargelegt werden.
Der von Félix Teichner herausgegebene Band ist in drei Teile gegliedert. Unter dem Titel "Neue Technologien in der Archäologie" wurden sechs Beiträge zusammengefasst, die jene Techniken erläutern, welche während des vom DAAD geförderten Workshop "Crisis economica, cambio estructurales y migración en la Hispania Romana" (5) zum Einsatz kamen. Den Kern des Sammelbandes bilden die Methoden und Ergebnisse, die im Verlauf der zugehörigen praktischen Übungen in Italica durch Studenten aus Marburg und Sevilla getestet wurden. Wie Teichner in seinem Geleit darlegt, umfassen die beiden übrigen Teile des Buches zum einen Fachbeiträge von Vortragenden des Workshops, zum anderen darüberhinausgehende Aufsätze der provinzialrömischen Archäologie auf der Iberischen Halbinsel.
Für die Aufsätze der ersten Sektion ist zu berücksichtigen, dass "neue Technologien" (Kapitel I) nicht auf alle dort genannten Techniken zu beziehen ist. So werden beispielsweise Luftbildauswertungen bereits seit dem beginnenden 20. Jahrhundert [2] und geomagnetische Prospektionen seit den 1950er Jahren [3] archäologisch eingesetzt. Erst in den letzten fünf bis zehn Jahren sind dagegen Methoden wie LiDAR Interpretation, Structure from Motion und damit einhergehender Drohneneinsatz in der Archäologie in größerem Umfang zu beobachten. Wirft man jedoch einen Blick auf aktuelle archäologische Untersuchungen, so sind diese Methoden noch immer nicht in allen Forschungsbereichen etabliert und müssen daher zum Teil tatsächlich noch immer als neu gelten. Des Weiteren werden alle vorgestellten Techniken stetig weiterentwickelt und für archäologische Zwecke angepasst, da sämtliche Verfahren ursprünglich nicht für die Archäologie entwickelt wurden. Es entsteht somit die Notwendigkeit einer Anpassung und Weiterentwicklung, aber ebenso einer kritischen Prüfung auf ihren Nutzen für die Archäologie, wie bereits Pilar Léon-Castro Alonso in ihrer Einführung anmerkt. Dahingehend ist der Aufsatz von Florian Hermann, Patrick Mertl und Félix Teichner von Bedeutung, da die geschilderten geophysikalischen Prospektionen in Italica einerseits neue Erkenntnisse zu Strukturen im Bereich der Stadtmauer liefern. Andererseits konnten die Messungen mit den bereits in den neunziger Jahren durchgeführten geomagnetischen Prospektionen verglichen werden, um deren Ergebnisse zu verifizieren. Ähnliches gilt für den Aufsatz von Peer Fender und Christoph Salzmann. Sie vergleichen die heute zur Verfügung stehenden Geländemodelle ASTER, SRTM1 und LiDAR Scans miteinander und prüfen ihre Tauglichkeit für archäologische Untersuchungen. Der Aufsatz ist somit ein gutes Beispiel für den kritischen Umgang mit neuen Methoden und Daten, insbesondere da für den Vergleich statistische Verfahren verwendet werden, die trotz ihres großen Nutzens und in vielen Fällen auch trotz ihrer Unerlässlichkeit für einen Großteil der Archäologen noch immer Neuland sind [4, 5].
In der zweiten Sektion finden sich "Aktuelle Forschungen zum Stadt- und Siedlungswesen". In den Aufsätzen werden zumeist lokale Entwicklungen im Verlauf bekannter Schlüsselzeiten, wie der aufkommende römische Einfluss auf Stadt und Umland im Sinne von Akkulturation oder Romanisierung, die so genannte Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. oder neue kulturelle Einflüsse in der Spätantike untersucht. Dabei ist der Artikel von Jorge Morín de Pablos und Isabel Sánchez Ramos zu erwähnen, der einen Überblick über den archäologischen Forschungsstand des spätantiken und frühmittelalterlichen Hispaniens bieten soll. Es werden aktuelle Ergebnisse unter verschiedenen Stichpunkten zusammengefasst und Forschungstendenzen dargelegt. Für den "ländlichen Raum" (95) wäre es wünschenswert gewesen, wenn trotz der gebotenen Kürze nicht nur die Untersuchungen einzelner Villenkomplexe im Fokus ständen. Gerade in Bezug auf die spätantiken Einflüsse auf die gesamte ländliche Siedlungsstruktur liegen bereits verschiedentlich Forschungsergebnisse vor, die wichtige Beiträge über die Villen hinaus liefern (siehe beispielsweise [6, 7]).
Die Aufsätze des dritten Teils vermitteln ebenfalls, neben ihrer inhaltlichen Bedeutung für römische Wirtschafts- und Militärforschung, dass der Umgang mit bestehendem Fund- und Datenmaterial in Verbindung mit modernen Arbeits- und Interpretationsweisen gewinnbringend sein kann. So zeigt der Artikel von Darío Bernal Casasola, dass eine systematische Aufarbeitung bekannten, aber breit gestreuten, Fundmaterials in Kombination mit naturwissenschaftlichen Ergebnissen zu konkreteren Forschungsergebnissen der antiken maritimen Wirtschaftszweige führen kann. Darüber hinaus wird deutlich, dass beispielsweise die direkte Auseinandersetzung mit den Produktionsstätten von Garum und Purpur ein differenzierteres Bild dieser Wirtschaftszweige zeichnet, als es die bislang übliche Fokussierung auf die Endprodukte vermag. Vergleichbar ist die Arbeitsweise von Regine Müller, die mittels archäometrischer und typologischer Untersuchungen bereits teilweise bekannter Bleifunde aus Sanisera neue Ergebnisse zu Festlandkontakten und zur Herkunft der Funde liefern kann.
Insgesamt lässt sich sagen, dass der vorliegende Sammelband unbestreitbar aktuelle und wichtige Forschungsergebnisse für die römische Epoche auf der Iberischen Halbinsel liefert. Seine Stärke liegt jedoch weitaus mehr in der Verdeutlichung moderner archäologischer Arbeitsweisen.
Dabei spielt nicht unbedingt die Neuheit der jeweiligen angewandten Technik eine Rolle. Diese ist auch nicht in allen Fällen gegeben. Doch zeigt sich in den Aufsätzen des Bandes, wie mit modernen, häufig computergestützten, Arbeitsweisen und einem bedachten und aufmerksamen Umgang damit sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, die archäologische Forschung im 21. Jahrhundert vorangebracht werden kann. Es wird deutlich, dass nicht immer neue Ausgrabungen nötig sind, um wichtige Ergebnisse zu erzielen. Vielmehr verdeutlicht der Band, dass bereits vorliegende Daten, Funde und Ergebnisse mit neuen Methoden, Fragestellungen und Ideen erneut untersucht werden können und müssen, sodass differenziertere Ergebnisse erzielt und überregionale Analysen ermöglicht werden.
Der Band selbst erfüllt damit eine Forderung Pilar Léon-Castro Alonsos aus ihrer eindrücklichen und bedachten Einleitung zu diesem Buch. So können moderne Techniken die Archäologie in erheblichem Maße weiterbringen, sofern sie sinnvoll eingebunden und kritisch hinterfragt werden. Hierbei darf keine pseudo-Technisierung stattfinden, sondern ein wirkliches Umdenken ist erforderlich.
Anmerkungen:
[1] Simon Keay: Recent Archaeological Work in Roman Iberia (1990-2002), in: JRS 93 (2003), 146.
[2] Klaus Leidorf: Luftbildarchäologie - Geschichte und Methoden, in: Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik, hg. von Helmut Becker, München 1996, 33-36.
[3] Helmut Becker: Die magnetische Prospektion, in: Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik, hg. von Helmut Becker, München 1996, 73.
[4] Jörg Wicke: Statistik & Archäologie. Warum wir sollen, was wir könnten, http://www.archaeolet.de (02.05.2017).
[5] Mike Fletcher / Gary Lock: Digging Numbers. Elementary Statistics for Archaeologists, Oxford University School of Archaeology Monograph 33, Oxford 2005.
[6] Montserrat Menasanch de Tobaruella: Secuencias de cambio social en una región mediterránea. Análisis arqueológico de la depresión de Vera (Almería) entre los iglos V y XI, BARIntSer 1132, Oxford 2003.
[7] M. Feijoó Morote: Poblament i cristianitzacío al territori de Tàrraco durant l'antiguitat tardana, in: Tarraco christiana ciuitas, hg. von Josep P. Macias Solé/Andreu Muñoz Melgar, Documenta 24, Tarragona 2013, 199-218.
Jan Schneider