Peter Coss / Chris Dennis / Melissa Julian-Jones et al. (eds.): Episcopal Power and Local Society in Medieval Europe, 900-1400 (= Medieval Church Studies; Vol. 38), Turnhout: Brepols 2017, XII + 293 S., 2 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-57340-3, EUR 80,00
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Walter Angelelli / Serena Romano (a cura di): La linea d'ombra. Roma 1378-1420, Roma: Viella 2019
Cary J. Nederman: The Bonds of Humanity. Ciceros Legacies in European Social and Political Thought, ca. 1100-ca. 1550, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2020
Der Band versammelt 14 Beiträge, die bischöfliches Wirken im geografischen Rahmen von Island bis Brescia untersuchen. Die Beiträge verteilen sich auf drei Abschnitte, von denen der erste der Konstruktion, der zweite der Stärkung und der dritte Abschnitt dem Ausdruck der bischöflichen Macht gewidmet ist. Eine Zusammenfassung fehlt, die programmatische Orientierung lastet allein auf der Einleitung (Coss / Dennis / Julian-Jones / Silvestri, 1-17), die als Ziel des Bandes festhält, dass man über die "Untersuchung der Dynamiken der Spannungen [zwischen Bischöfen und ihren umgebenden Faktoren verschiedenster Ebene]" hinausgehen "und stattdessen gänzlich das Augenmerk auf die Beziehung zwischen bischöflicher Amtsgewalt und lokaler Gesellschaft" legen wolle (7, eigene Übersetzung). Dabei entfällt ein größerer Teil auf eine Inhaltsangabe der folgenden Beiträge (8-14).
Das Lateinische ist nicht immer der Freund dieses Buches, was sich festmachen lässt: an einem fehlendem de (93), falschen Kasus (bspw. 48, 179, 274) und Einflechtungen in englische Sätze bei unbedingter Beibehaltung der Gestalt der Vorlage, sodass streng genommen ein inkonzinner Satz das Ergebnis ist (bspw. 146, 149). Weitere Beispiele ließen sich beibringen.
In groben Zügen eine Gesamtwürdigung des Bandes vorzunehmen, ohne eine Auflistung der einzelnen Beiträge vorzunehmen, ist entweder trivial oder sehr anspruchsvoll: Aus den Beiträgen wird immer wieder deutlich, dass die Entfaltungsmöglichkeiten des jeweiligen Bischofs stark von seiner Persönlichkeit und den umgebenden Strukturen abhing - auch wenn die strukturelle Seite gemäß dem Ziel des Bandes (s.o.) weitgehend an den Rand gerückt wurde. Soweit die triviale Gesamtwürdigung. Ein von den Herausgebern vorgegebenes engeres Raster hätte vermutlich dazu geführt, dass derselbe Sachverhalt, der bei unterschiedlichen Bischöfen zu beobachten ist, aber unterschiedliche Konsequenzen zeitigte, deutlicher die umgebenden Faktoren, die Strukturen hätte hervortreten lassen. [1]
Die Fokussierung auf Einzelfälle, nicht nur einzelne Episkopate, sondern auch einzelne Handlungen der Bischöfe, hat ihre Folgen: Dieser Fokus führt hin und wieder zu Ansatzpunkten für kritische Überlegungen. Wenn Angelo Silvestri (The Life, Education, and Deeds of Robert Grosseteste, 81-96) über Grosseteste ausführt, "sein Kampf gegen unwürdige Kandidaten könnte Teil eines Kampfes gegen Fremde insgesamt sein", woraus er ableitet, dass "Grosseteste ein Mann war, der fast sein ganzes Leben in den Grenzen seiner Diözese" (94f., eigene Übersetzung) verbracht habe, muss das nicht jeden Leser überzeugen. Dass im 13. Jahrhundert nicht nur in England Klagen gegen päpstlich Providierte aufkamen, wird an keiner Stelle erwähnt. Ein Kandidat, der vom König präsentiert worden war, verfügte über eine päpstliche Provision. Grosseteste habe sich dem entgegengestellt, um zu verdeutlichen, dass die Vergabe einer Pfründe Angelegenheit der Kirche sei (91). Dass der Kandidat auch einen päpstlichen, somit kirchlichen Rechtsanspruch geltend machen konnte, wird nicht weiter diskutiert. Grosseteste wird somit zum Urheber der modernen Trennung von Staat und Kirche (91); dass auch in England dergleichen schon anlässlich der Causa Becket diskutiert wurde, findet keine Erwähnung. Und ob die Verwendung regionaler Exempla in Predigten tatsächlich anzeigt, dass Grosseteste ein Produkt der lokalen englischen Gemeinschaft war (93), möge die Predigt- und Exempelforschung diskutieren.
Julian-Jones (Sealing Episcopal Identity: The Bishops of England, 239-257) bietet eine Untersuchung zu bischöflichen Siegeln aus dem England des 13. Jahrhunderts und stellt fest, dass erst in diesem Jahrhundert Wappen darauf auftreten. Dabei bespricht sie die Siegel von 16 Bischöfen, von denen nur eines abgebildet wird; die weitere Abbildung hat eine falsche Beschriftung. Die Abbildungen sind dazu von geringer Qualität, sodass es schwer fällt, die Beschreibung nachzuvollziehen. Bei der Feststellung, dass ein Aufsteiger kein Wappen auf seinem Siegel gebrauchte, stellt sie die Vermutung an, dass er "no need or motive to display his secular origins" hatte (252). Das ist wenig verwunderlich, da diese Aufsteiger entweder grundsätzlich niederen Standes oder illegitim waren. Dass diese, bis zum Beweis des Gegenteils, im 13. Jahrhundert nicht wappenfähig waren (zumal im geistlichen Kontext, der Bischofsämter lange Zeit den legitimen Nachkommen vorbehalten hat), erklärt ohne große Schwierigkeiten dieses 'Manko' auf ihren Siegeln.
Auch in anderen Aufsätzen lassen sich handwerkliche Fehler und hin und wieder wenig belegte vorgefertigte Meinungen nachweisen. [2]
Ausdrücklich hervorzuheben sind die Beiträge von Melanie Brunner (The Power of the Canons? Episcopal Authority and the Cathedral Chapter of Sion (Valais) around 1300, 97-114), Pieter Byttebier (Holy Bishops and the Shaping of Episcopal Discourse in Early Eleventh-Century Cambrai, 175-193) und Aaron Hope (Bishops' Deputies and Episcopal Power in Medieval Law, c. 1150 to c. 1350, 195-217). Dabei verschiebt Brunner den Fokus auf das Kathedralkapitel, das versucht, sich gegen den Bischof zu behaupten. Dabei hebt sie überzeugend und quellennah hervor, welche Bedeutung nach heutiger Sicht Trivialitäten, wie etwa eine Küche, in der Auseinandersetzung des Kathedralkapitels mit seinem Bischof haben konnten. Dabei tritt eine Spannung besonders deutlich hervor: Die Kathedralkapitel, nicht nur in Sion, waren die wichtigsten Unterstützer und zugleich die schärfsten Rivalen (111f.). Byttebier geht vergleichsweise theorieaffin und sehr strukturiert auf Möglichkeiten bischöflicher Machtdemonstration, gerade durch die Förderung eines bestimmten Heiligen, ein; Hope bietet zwar manchmal einen etwas überraschend strukturierten Text (und einige Lapsus, etwa im Literaturverzeichnis), bietet aber als einziger rechtshistorische Überlegungen über die Möglichkeiten der Ausübung bischöflicher Amtsgewalt.
Insgesamt werden überwiegend klar strukturierte, manchmal etwas sparsam belegte Fallstudien geboten. Ob aber aus der Publikationsflut ausgerechnet dieser Band gelesen werden sollte, da ist der Rezensent skeptisch. Zu oft brechen sich der Eile geschuldete Oberflächlichkeiten und handwerkliche Fehler Bahn, der Erkenntnisgewinn hält sich in vielen Fällen in engen Grenzen.
Anmerkungen:
[1] Beispielsweise hat die Ortsfremdheit für Zoen von Avignon (Christine Axen, 137-155) und John Grandisson (John Jenkins, 271ff.) gegensätzliche Auswirkungen: Der eine genießt die Freiheit, nicht auf lokale Verflechtungen achten zu müssen, der andere kann vor demselben Hintergrund seine Ziele nicht erreichen.
[2] Stichproben in mehreren Aufsätzen, gründlichere Überprüfung v.a. in Jenkins: Despite the Prohibition of the Lord Bishop: John Grandisson, Bishop of Exeter (1327-69), and the Illusion of Episcopal Power, 271-289.
Andreas Kistner