Edmund Stewart: Greek Tragedy on the Move. The Birth of a Panhellenic Art Form c. 500-300 BC, Oxford: Oxford University Press 2017, XVIII + 261 S., 5 Tabl., ISBN 978-0-19-874726-0, GBP 65,00
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André Laks / Rossella Saetta Cottone: Comédie et philosophie. Socrate et les «Présocratiques» dans les Nuées d'Aristophane, Paris: Éditions Rue d'Ulm 2013
Eric Csapo / Hans Rupprecht Goette / J. Richard Green et al. (eds.): Theatre and autocracy in the ancient world, Berlin: De Gruyter 2022
I. A. Ruffell: Politics and Anti-Realism in Athenian Old Comedy. The Art of the Impossible, Oxford: Oxford University Press 2011
In den letzten Jahren rückt in der sich mit dem griechischen Theater befassenden Forschung immer mehr die Frage nach 'Wiederaufführungen' attischer Dramen außerhalb Athens an anderen Aufführungsplätzen als dem Dionysostheater in den Blick. Es war zwar immer schon bekannt, dass das Gebot der Einmaligkeit der Dramenaufführungen nur für die Inszenierung anlässlich der athenischen Lenäen und Dionysien galt, da die Dramen als geistige Opfergaben der Polis dem Gott nur einmal dargebracht werden durften, ohne dessen Zorn und danach eine Vergeltung des Gottes auf sich zu ziehen. Die Mythologie kennt ja zahlreiche Beispiele, welch harte Strafen ein in seiner 'Ehre' (τιμή) verletzter Gott über Menschen bringen kann; man denke an Hippolytos im gleichnamigen Drama des Euripides oder an Pentheus in den Bakchen.
1993 brachte Oliver Taplin mit seinen 'Comic angels and other approaches to Greek drama through vase painting' (Oxford), weitergeführt in 'Pots and plays. Interactions between tragedy and Greek vase painting of the fourth century BC' (Los Angeles 2007), die Frage nach Wiederaufführungen klassischer attischer Dramen des 5. Jahrhunderts v. Chr. mit Vehemenz in die Diskussion ein, gestützt auf die Vasenmalerei, deren Wert als Testimonien er mit methodischer Umsicht untersuchte. Der von Kathryn Bosher herausgegebene Band 'Theater outside Athens: Drama in Greek Sicily and South Italy' (Cambridge 2012) öffnete den Blick, wie dies Andreas Willi (Sikelismos, Basel 2008) schon getan hatte, auf den griechischen Westen. Unterstützung bekam diese neue Forschungsrichtung durch die 'Documentary Studies'. Erwähnt sei vor allem der von Peter Wilson herausgegebene Band 'The Greek theatre and festivals' (Oxford 2007) und Vesa Vahtikaris Buch 'Tragedy performances outside Athens in the late fifth and fourth centuries BC' (Helsinki 2014).
In diese Forschungsrichtung reiht sich Edmunds Stewart Studie 'Tragedy on the move' ein. Bereits 2006 hatte Oliver Taplin in einem Beitrag zur Inszenierung der aischyleischen Perser um 470 v. Chr. in Syrakus die These aufgestellt, dass diese Wiederaufführung den Anfang der panhellenischen Akzeptanz der 'Tragödie' als Leitgattung griechischer Kultur und Bildung darstelle (Aeschylus' Persai: the entry of tragedy into the celebration culture of the 470s?, in: D. Cairns - V. Liapis, Dionysalexandros, Swansea 2006, 1-10). Diese These findet in Stewarts gut recherchiertem Buch ihre Bestätigung. Stewart ordnet Aischylos' Sizilien-Reisen in den Kontext der in der ganzen griechischen Oikumene tätigen Auftragsdichter wie Simonides, Pindar und Bakchylides ein (33ff.). Dies ist völlig überzeugend: Für das Publikum (und die Auftraggeber) des 5. Jahrhunderts ist die Tragödie eine chorlyrische Sonderform. Dies wird dadurch unterstrichen, dass Hieron, der Tyrann von Syrakus, die Gründung der Stadt Aitna nicht nur von Pindar (1. Pythie), sondern auch von Aischylos in seinem Drama Die Frauen von Aitna verherrlichen ließ, einem wohl sehr stark durch den Chor bestimmten Stück, in dem es - undenkbar in Athen - zu vier oder fünf Ortswechseln kam (Stewart, S. 105ff.). Die anderen außerathenischen Aufführungen sind für Euripides bezeugt, dem Stewart ein eigenes Kapitel (117ff.) widmet. Stewart gelingt es in diesen Ausführungen, die Texte, die oft nur in Fragmenten erhalten sind, zusammen mit den Testimonien und der archäologischen Befunden zu einem überzeugenden Gesamtbild zu vereinen.
Besonders lesenswert ist Stewarts Besprechung der attischen Tragödie außerhalb Athens im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. (161ff.). Stewart beschreibt diese nachklassische Phase als zugleich durch Wechsel und Innovation bestimmt - als eine Epoche, in der die typisch attische Gattung 'Tragödie' endgültig zu einer allgemein griechischen, klassischen Form wird.
Es ist dies ein äußerst wichtiges, ein sehr gutes Buch, das nicht nur den Forschungsstand gut zusammenfasst, sondern in vielerlei Hinsicht neue Wege der Tragödien- und Theaterforschung aufzeigt.
Bernhard Zimmermann