Alois Ecker / Bettina Paireder / Judith Breitfuß u.a. (Hgg.): Historisches Lernen im Museum. Historical Learning in the Museum (= Europäische Studien zur Geschichtsdidaktik), Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2018, 270 S., 46 s/w-Abb., 8 Tbl., ISBN 978-3-7344-0554-9, EUR 25,60
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Die Beschäftigung mit Museen als Institutionen der Geschichtskultur bildet eine Konstante geschichtsdidaktischer Forschung. Als Orte außerschulischen historischen Lernens sind sie nicht nur Gegenstand einschlägiger Handbuchartikel, sondern immer wieder Thema fachspezifischer wie fachübergreifender Tagungen. [1] Hier reiht sich der vorliegende Sammelband "Historisches Lernen im Museum" nahtlos ein, der zugleich den Auftakt der neuen Reihe "Europäische Studien zur Geschichtsdidaktik" im Wochenschau-Verlag bildet.
Der Band dokumentiert Beiträge des Symposiums "Historisches Lernen im Museum - aktuelle Diskurse und Modelle der Geschichtsdidaktik", das im September 2014 von der Gesellschaft für Geschichtsdidaktik Österreichs (GDÖ) veranstaltet wurde. Ziel der Veranstaltung war es, "das Potential der Museumsarbeit für das Historische Lernen sichtbar zu machen, gelungene Beispiele mit nationalen und internationalen Expertinnen/Experten zu diskutieren und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen aufzuzeigen" (19). Ergänzt wird der Band um weitere "Beiträge aus zeitnahen anderen Symposien der GDÖ" (19 / 20). Hierzu zählen die Aufsätze von Falk Pingel und Josef Nussbaumer, die auf Vorträge aus den Jahren 2013 beziehungsweise 2012 zurückgehen, sowie der Beitrag von Bärbel Völkel. Dieser ist gar ein Nachtrag zu einem Symposium von 2011, weshalb sich die Autorin gleich in der ersten Fußnote von den eigenen Ausführungen teilweise distanziert, da diese nicht mehr ihre aktuelle Forschungsposition zu spiegeln scheinen (195).
Der erste thematische Abschnitt "Aktuelle Diskurse zur Museumsdidaktik" (31-106) versammelt "vergleichende und konzeptive Beiträge sowie aktuelle Forschungsberichte" (20). Falk Pingel analysiert europäische und asiatische Militärmuseen und Kriegs-Gedenkstätten im Hinblick auf die jeweils transportierten Kriegsnarrative. Alois Ecker und Ralph Gleis skizzieren, wie durch die Zusammenarbeit von Museum, Universität und Schule Lehramtsstudierende auf Möglichkeiten einer fachdidaktischen Arbeit mit Museen herangeführt werden, während Susanne Schilling ein von der Europäischen Union gefördertes Projekt vorstellt, das Museen dabei unterstützt, europäische beziehungsweise transnationale Perspektiven an ihren Objekten herauszuarbeiten. Schließlich präsentieren Christian Matzka und Helene Miklas Ergebnisse ihrer Studie zur Wahrnehmung von Gedenkstättenpädagogik durch Schülerinnen und Schüler, ohne grundsätzliche Unterschiede zwischen Gedenkstätten und Museen zu thematisieren.
Der zweite Teil des Bandes (107-192) will "praxisorientierte Umsetzungsbeispiele aus der europäischen Museumslandschaft" (21) präsentieren. Die Beiträge stellen dabei meist konkrete Ausstellungs- und Vermittlungskonzepte einzelner Häuser vor. Thematisiert werden das Deutsche Auswandererhaus (Simone Blaschka-Eik), das oberösterreichische Landesmuseum (Manuel Heinl, Sandra Kratochwill, Sandra Malez), der Archäologische Park Carnuntum (Marion Großmann, Harald Beier), das Kunsthistorische Museum Wien samt Kaiserforum (Barbara Dmytrasz, Friedrich Öhl) sowie einzelne Ausstellungen im Urgeschichtemuseum MAMUZ, auf der Schallaburg und im Heeresgeschichtlichen Museum Wien (Martina Affenzeller). Andere Perspektiven eröffnen die Beiträge von Angelika Wuszow und Christoph Kühberger: Wuszow stellt die Arbeit mit einem Museumskoffer an Schulen vor, während Kühberger - als einziger Nicht-Museumsprofessional in diesem Abschnitt - die Möglichkeiten der Re- und De-Konstruktion musealer Narrationen an einem konkreten Beispiel diskutiert.
Der als "Forum" bezeichnete Abschnitt (193-243), der die bereits genannten Aufsätze von Nussbaumer und Völkel enthält, bildet den letzten Teil des Bandes. Bemerkenswert ist, dass sich beide Beiträge nicht mit Museen beschäftigen: Nussbaumer stellt ein Planspiel zur Globalisierung vor, während Völkel über Geschichte in pluralen Gesellschaften schreibt. Auch die beiden kurzen englischsprachigen Aufsätze, die die chinesische Fachzeitschrift "History Teaching and Research" (Mu Tao, Wang Side, Yang Biao) und das "Forum of Slavic Cultures" (Andreja Rihter) vorstellen, weisen keinen beziehungsweise nur einen indirekten Bezug zum Museum auf.
Dieses "Forum" scheint fester Bestandteil der Reihe zu werden (23), die für einen transnationalen Blick auf aktuelle Fragen der historisch-politischen Bildung sowie für eine komparatistische und interdisziplinäre Ausrichtung geschichtsdidaktischer Konzepte plädiert [2], um besser auf die Dynamik der globalen Vernetzung und die damit einhergehenden gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozesse reagieren zu können (7-9). Vor diesem Hintergrund erklärt sich zwar die Auswahl der letzten vier Beiträge, trotzdem wirken sie in dem Sammelband inhaltlich deplatziert.
In der Zusammenschau hinterlässt der Sammelband einen ambivalenten Eindruck. Die Analysen und Praxisbespiele ermöglichen durchaus interessante Einblicke in die Vermittlungsarbeit und spiegeln dabei die Vielfalt der Museumslandschaft. Die skizzierten Kooperationsmöglichkeiten können Anstoß für eine bessere Vernetzung von Schule, Universität und Museum sein. In dieser Hinsicht wird der Band seinem Anspruch gerecht. In anderen Aspekten werden die gesteckten Ziele jedoch nicht angemessen erreicht und Potentiale verschenkt, sodass es der Publikation insgesamt nicht gelingt, dem Diskurs über historisches Lernen im Museum neue Impulse zu verleihen. Auf drei Leerstellen des Bandes möchte ich kurz eingehen:
Erstens löst der Sammelband den postulierten Anspruch des Symposiums (19) und der Publikationsreihe (7), den internationalen Austausch zu fördern und dadurch die Perspektiven auf das Thema zu erweitern, nur sehr bedingt ein. Die fast ausschließlich deutschsprachigen Beiträge beschränken sich auch inhaltlich vor allem auf Deutschland und Österreich. Warum etwa theoretische Ansätze und empirische Befunde der anglo-amerikanischen Museumsforschung, die sich seit Jahrzehnten intensiv mit (historischem) Lernen im Museum auseinandersetzt [3], weitgehend ignoriert werden, erschließt sich nicht.
Zweitens ist die Konzentration auf die Praxis fraglos legitim, ohne Rückkopplung an theoretische Konzepte und empirische Befunde bleiben aber viele Ausführungen begrifflich sowie konzeptionell unscharf und im Hinblick auf die unterstellten Potentiale spekulativ. Da die einzelnen Beiträge dies nur bedingt leisten (können), wären die Herausgeber in der Pflicht gewesen, den Diskurs in systematisierender Absicht zu erschließen. Entsprechende Ausführungen hätten die thematisch äußerst heterogenen Beiträge sinnvoller gerahmt, als die fast ausnahmslos auf pragmatischer Ebene angesiedelten Leitfragen des Symposiums dies vermochten (19).
Drittens wird der in der Einleitung formulierte Gedanke, dass sich im Thema "Historisches Lernen im Museum [...] viele aktuelle Fragestellungen der Geschichtsdidaktik in komprimierter Form wider[spiegeln]" (18), im Band nicht systematisch aufgegriffen. Das ist bedauerlich, hätte dies doch Möglichkeiten eröffnet, sich vergleichend mit historischem Lernen in Museum und Schule zu beschäftigen, um dadurch die jeweiligen Besonderheiten zu konturieren. Mag ein solcher Vergleich nicht das Anliegen des Symposiums gewesen sein, eine entsprechende Fokussierung des Bandes wäre möglich gewesen - zumal die Herausgeber der Aufnahme ergänzender Beiträge ja nicht abgeneigt waren. Das "Forum", das ansatzweise aktuelle Herausforderungen historischen Lehrens und Lernens aufgreift, hätte als Ausgangspunkt für entsprechende Überlegungen dienen können. Dafür darf es aber nicht thematisch isoliert am Ende des Bandes stehen. Um zukünftig die Potentiale der Reihe besser auszuschöpfen, wäre daher vielleicht zu überlegen, das "Forum" als problemorientierten Einstieg zu nutzen, an dem sich die folgenden Beiträge inhaltlich abarbeiten.
Anmerkungen:
[1] Exemplarisch: Michele Barricelli / Tabea Golgath (Hgg.): Historische Museen heute, Schwalbach / Ts. 2014; Heinrich Theodor Grütter: Geschichte im Museum, in: Klaus Bergmann u.a. (Hgg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, Seelze 1997, 707-713; Bärbel Kuhn u.a. (Hgg.): Geschichte erfahren im Museum, St. Ingbert 2014; Berit Pleitner: Geschichte im Museum, in: Hilke Günther-Arndt / Saskia Handro (Hgg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2015, 117-124.
[2] Damit greift die Reihe den Trend zum internationalen Austausch in der Geschichtsdidaktik auf. Vergleiche exemplarisch: Manuel Köster / Holger Thünemann / Meik Zülsdorf-Kersting (eds.): Researching History Education. International Perspectives and Disciplinary Traditions, 2nd ed., Frankfurt/M. 2019; Kadriye Ercikan / Peter Seixas (eds.): New Directions in Assessing Historical Thinking, New York 2015.
[3] Exemplarisch sei hier auf die umfangreiche Forschung der School of Museum Studies an der Universität Leicester verwiesen: https://le.ac.uk/museum-studies (zuletzt aufgerufen am 14.01.2019).
Christian Winklhöfer