Sabine Haag / Dagmar Eichberger / Annemarie Jordan Gschwend (Hgg.): Frauen Kunst und Macht. Drei Frauen aus dem Hause Habsburg, Wien: KHM-Museumsverband 2018, 182 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-99020-169-5, EUR 24,95
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Dagmar Eichberger (ed.): Women of Distinction. Margaret of York / Margaret of Austria, Turnhout: Brepols 2005
Sabine Haag (Hg.): Schaurig schön. Ungeheuerliches in der Kunst, Wien: Christian Brandstätter Verlag 2011
Sabine Haag / Elke Oberthaler / Sabine Pénot (Hgg.): Vermeer - Die Malkunst. Spurensicherung an einem Meisterwerk, St. Pölten: Residenz-Verlag 2010
Der großformatige, durchwegs farbig bebilderte Katalog zur Ausstellung auf Schloss Ambras bei Innsbruck, das als Abteilung des Kunsthistorischen Museums in Wien geführt wird, fokussiert drei zentrale Frauenpersönlichkeiten der Sammlungsgeschichte: Margarete von Österreich (1480-1530) sowie deren Nichten Maria von Ungarn (1505-1558) und Katharina von Österreich, Königin von Portugal (1507-1578). Margarete hatte immerhin vier der sechs Kinder von Philipp dem Schönen und Johanna der Wahnsinnigen erzogen. Lediglich das jüngste Kind, Katharina, blieb in Tordesillas bei ihrer Mutter. Deren Isolierung hatte offensichtlich keine negativen Konsequenzen für die humanistische Erziehung und Bildung ihrer Tochter. Diese wird später in Portugal außerordentlich gewandt realpolitisch und kulturell aktiv sein, und für ihren minderjährigen Enkel das Weltreich souverän regieren. Maria und Katharina waren für ihre Brüder Kaiser Karl V. und Kaiser Ferdinand I. wichtige politische Bindeglieder im europäischen Konzert der Mächte. Diese Vernetzungen durchziehen konsequent den gesamten Katalog.
Die beiden Gastkuratorinnen, Dagmar Eichberger, die bereits mehrfach über Margarete von Österreich veröffentlichte, sowie Annemarie Jordan Gschwend, die umfassend über Katharina von Österreich publizierte, und die Museumsdirektorin und ausgewiesene Spezialistin für die Kunstkammern Sabine Haag sind die Herausgeberinnen. Im ersten Aufsatz "Sammlungen und Kennerschaft. Habsburgerfrauen als Förderinnen der Künste" arbeiten Eichberger und Jordan Gschwend die Strukturen des Sammelns und des Mäzenatentums von Frauen der Herrscherhäuser im Allgemeinen und der Habsburgerinnen im Besonderen heraus. Einerseits der Witwenstand, andererseits die Übernahme einer Statthalterschaft mit hoher politischer Eigenverantwortung, wie bei Margarete und Maria, erlaubten eine unabhängige Hofhaltung mit eigenen Hofkünstlern. Die Eheverträge statteten die Witwen oft mit großzügigen Zuwendungen aus, die später größere Projekte und Anschaffungen finanzierbar machten. Die Autorinnen untersuchen im Weiteren die privaten wie öffentlichen Medien, mit denen Loyalitäten und Bindungen zum Ausdruck kommen. Privatim lassen etwa die persönlichen Gebetsbücher, ihre qualitativ hochwertig Bildausstattung und allfällige handschriftliche Widmungen gewisse Rückschlüsse zu. Im öffentlichen Bereich sind die Bestellungen offizieller Porträts meist mit reichem Nachleben als Kopien interessant - die Strategien des Vaters bzw. Großvaters Kaiser Maximilian I. schlagen hier durch. Margarete beauftragt Bernard von Orley und Conrad Meit, Maria wendet sich an Tizian und Leone Leoni, Katharina bestellt Anthonis Mor nach Lissabon, dessen Porträts die Typenbildung im gesamten iberischen Raum verändern. Die drei Frauen demonstrieren deutlich und selbstbewusst, dass man sie als weibliche Führungspersönlichkeiten wahrzunehmen hat. Zusätzlich zu den Wappen finden sich ihre Motti auf Münzen, Medaillen, Tapisserien, Manuskripten usw. verteilt. Beeindruckend in ihrem heraldisch-symbolischen Aufbau war in der Ausstellung die von Margarete bei Henri van Lacke bestellte Wappentapisserie von 1528, heute Iparművészeti Múzeum, Budapest, mit ihrem Motto "FORTUNE - INFORTUNE - FORT UNE" ("Glück - Unglück - eine starke Frau") (83-85). Die großen Grablegen von Margarete in Brou und von Katharina in Lissabon zeugen vom unabdingbaren Willen, das Gedächtnis aufrecht zu erhalten. Beide Autorinnen ziehen das Fazit, dass - von Kaiser Maximilian I. und seinem strategischen Einsatz der Kunst ausgehend - die Frauen die kollektive Familienideologie mit dem Ziel der dynastischen Kontinuität des Hauses Habsburg in ganz Europa maßgeblich vorangetrieben haben. In ihren Sammlungen haben sie dabei eine jeweils spezifische, persönliche Note eingebracht.
Um diese je eigene Seite herauszufiltern, folgen monografisch orientierte Aufsätze zu den drei Habsburgerinnen. Da die Autorinnen an vorderster Linie archivalisch wie in der Sekundärliteratur arbeiten, wird der Forschungsstand reflektiert und erweitert. Bald nach der deutschen Ausgabe erschien der Katalog in englischer Sprache Women The Art of Power. Three Women from the House of Habsburg. Dieser beinhaltet eine kleine aber wichtige Ergänzung, offensichtlich im allerletzten Schwung noch hineingebracht. Im Appendix (170-177) transkribiert und übersetzt Jordan Gschwend bislang unpublizierte Briefwechsel zwischen Margarete und König Manuel I. von Portugal sowie Ferdinand I. und Katharina. Begleitet werden sie von Abbildungen der originalen Briefe. So etwas erfreut natürlich immer.
Zu Recht beginnt der Katalogteil mit dem Kapitel "Dynastisches Selbstverständnis" unter anderem mit Highlights, wie etwa den Schauguldinern von Maximilian und Maria von Burgund, dem jüngeren Gebetbuch von Karl V. und dem Habsburger Pfau von Clemens Jäger. Auf Schloss Ambras war in der Ausstellungssektion zu Margarete das kleine, unglaublich veristische Porträt von Conrat Meit aus München zu Gast. Meit hat es - das lässt die hohe Porträtähnlichkeit vermuten - zur Ausführung der marmornen Liegefigur ihres Grabes nach Brou mitgenommen. In dem Maria von Ungarn gewidmeten Teil der Ausstellung waren zum ersten Mal die frisch restaurierte, wohl flämische Kopie des verschollenen Porträts von Tizian zu sehen sowie das frühe Porträt von Hans Maler aus der Veste Coburg. Das wichtige Thema der Frau als Künstlerin akzentuiert das Bild Junge Frau am Virginal, 1548 gemalt und datiert von Catharina van Hemessen, die einen Hofmusiker Marias heiratete. Das Paar begleitete Maria zu ihrem Alterssitz in Spanien. Bei Katharina, die einen eigenen Agenten in Indien hatte, ist das alles bestimmende Thema die Kunst der europäischen Expansion. Sie hat ihre Familie und befreundete Höfe in ganz Europa mit überseeischen Kunstwerken verwöhnt, eine Rolle, die nach ihrem Tod Kardinal Erzherzog Albrecht VII. als Vizekönig von Portugal übernahm. In Katharinas Sektion stechen die Elfenbeinarbeiten aus Afrika und Ceylon, eine Bastmatte aus dem Königreich Kongo, Mitte 16. Jahrhundert, ein goldener Fingerhut mit Rubinen und Saphiren sowie ein wohl südostasiatischer Klapptisch, funktional für die Seefahrt, hervor. Den Abschluss bilden allerdings zwei Stammtafeln, deren grafische Präsentation dem breiten Publikum Mühe bereiten könnte.
Sattelfest in mehreren Sprachen, zuhause in vielen Archiven bringen Eichberger und Jordan Gschwend einiges Neues. Sie akzentuieren das Thema von Frauen und den höfischen Strukturen und deren Kunstpatronage mit den jeweiligen machtpolitischen Koordinaten. Die akkurate Dokumentation von wertvollen Einzelstücken tut ein Übriges.
Markus Neuwirth