Julian E. Zelizer (ed.): The Presidency of Barack Obama. A First Historical Assessment, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2018, XVIII + 347 S., 4 s/w-Abb., ISBN 978-0-691-18210-0, USD 24,95
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Jürgen Peter Schmied (Hg.): Kriegerische Tauben. Liberale und linksliberale Interventionisten vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Göttingen: V&R unipress 2019
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Christopher Clark: The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, 2013
Mit 17 zumeist von Historikern stammenden Beiträgen will dieser Sammelband ein erstes Fazit der Präsidentschaft Barack Obamas ziehen. Da die Papiere Obamas noch nicht zugänglich sind, kann ein solcher Versuch nur vorläufige Ergebnisse liefern.
Der Herausgeber hebt zwei Absichten hervor, die für Obama in seiner Präsidentschaft bestimmend waren: zum einen der Wunsch, eine taktische innerparteiliche Revolution (policy revolution) in Gang zu bringen, zum anderen die Absicht, dabei an der linksliberalen Tradition seiner Partei festzuhalten - oder diese allenfalls noch stärker zu akzentuieren, um sich von seinem Vorgänger George W. Bush abzuheben. Gelang ihm dies? Das Ergebnis, zu dem der Herausgeber und die Beiträge gelangen, ist zwiespältig: In der Gesetzgebung erzielte dieser "intellektuelle Pragmatiker" einerseits einige Erfolge - an erster Stelle mit einer Reform des Krankenversicherungswesens. Dafür wurde er 2012 wiedergewählt. Auf der anderen Seite erlitt die Demokratische Partei seit 2010 eine Niederlage nach der anderen. 2012 verlor sie auch im Senat die Mehrheit. Parteipolitisches Geschick zeichnete Obama offensichtlich nicht aus: Aus seiner taktischen Revolution wurde nichts. Für die Rückschläge der Demokraten macht der Herausgeber jedoch nicht nur Obama, sondern auch einen Rechtsruck in der amerikanischen Wählerschaft verantwortlich. Diese bekannte sich mehr und mehr zu der auch in den Medien sichtbarer werdenden Tea Party-Bewegung - der Anfang einer bis heute anhaltenden innenpolitischen Polarisierung. Dank Wahlerfolgen gelang es dieser populistisch-rechtsradikalen Vereinigung, innerhalb der republikanischen Fraktion des Repräsentantenhauses eine Sperrminderheit zu bilden, die Kompromisse der Republikaner mit den Demokraten verhinderte. Das Scheitern einer Vorlage Obamas für eine allgemeine Waffenkontrolle illustrierte diese Selbstblockade der Legislative. Um sie zu umgehen, konnte Obama für seine Gesetzesvorhaben nur auf den Verordnungsweg (sogenannte executive orders) ausweichen. Das wurde das innenpolitische Hauptproblem der Regierung Obama.
Als Obama sein Amt antrat, war diese enttäuschende innenpolitische Entwicklung, wie die Beiträge von Eric Rauchway und Paul Starr zeigen, noch nicht vorauszusehen: Eine noch auf George W. Bush zurückgehende Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Folgen der jüngsten Weltfinanzkrise fand noch überparteiliche Unterstützung. Danach zog Obamas Berufung auf das nationale Interesse jedoch nicht mehr. Mit einer demagogischen Propagandakampagne torpedierte die republikanische Fraktion seine weiteren Initiativen, mit denen er zum Beispiel die wachsende Einkommensungleichheit in der US-Gesellschaft abzumildern versuchte. Nur sein wichtigstes Vorhaben, die Einführung einer Kranken-Pflichtversicherung (Affordable Care Act, "Obamacare"), schaffte es dank einiger republikanischer Überläufer 2010 noch durch den Kongress.
Nach Obamas Wiederwahl 2012 fiel die Klimapolitik des Präsidenten (dazu der Beitrag von Meg Jacobs) der Blockade zum Opfer. Diese war von einer gewaltigen Pressekampagne und einer wirkungsvollen Lobbyarbeit der betroffenen Industriezweige begleitet, welche die Gefahren einer Erderwärmung schlicht abstritt. Auf der Pariser Klimakonferenz im November 2015 trat Obama zwar einer UN-Absichtserklärung zur Bekämpfung des Klimawandels bei, konnte sich aber nicht gegen die Kongressmehrheit durchsetzen. Um die Wiederwahl von Abgeordneten seiner Partei - besonders wenn sie den Gewerkschaften nahestanden -, nicht aufs Spiel zu setzen, wollte er der Demagogie der Rechten nur vorsichtig entgegentreten.
Der Verordnungsweg, den Obama für die Verwirklichung weiterer Vorhaben wählte, veranlasste die republikanische Opposition, die Rechtmäßigkeit seiner Erlasse vor dem Obersten Bundesgericht anzufechten. Wie aus dem Beitrag von Risa Goluboff und Richard Schragger hervorgeht, hatte Obama dort an sich keine schlechten Karten, weil sich der Supreme Court seit dem Zweiten Weltkrieg auf einen liberalen Kurs, das heißt sowohl auf starke bundesstaatliche Aufsichtsbefugnisse über die Wirtschaft als auch auf eine Verteidigung der Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung, festgelegt hatte. So bestätigte eine knappe Mehrheit des Bundesgerichtes die Verfassungsmäßigkeit von "Obamacare". Rückschläge erlitt Obamas liberaler Kurs aber, als der Supreme Court einerseits die von Präsident Lyndon Johnson eingeführten Kontrollrechte des Bundes über die Wahlpraktiken in den Einzelstaaten suspendierte und andererseits eine Einbürgerung von Langzeitimmigranten verweigerte.
Obamas Innenpolitik verfolgte ein Ziel: die Gewährleistung von Chancengleichheit in der amerikanischen Gesellschaft. Einen Teilerfolg errang er bei der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen im zivilen Leben und in den Streitkräften (dazu Timothy Stewart-Winter). Der Supreme Court legalisierte gleichgeschlechtliche Ehen - für Obama ein weiterer Triumph der Civil Rights-Bewegung. Im Bereich Erziehungswesen, so der Beitrag von Jonathan Zimmerman, konnte Obama sogar mit den Republikanern zusammenarbeiten. Hier standen die Vergabe von Darlehen für unbemittelte Studenten sowie eine gezielte bundesstaatliche Subventionierung des Schulwesens zur Diskussion. Privat finanzierte, "öffentliche" (schulgeldfreie) Charter Schools, die sich in Wettbewerben ausgezeichnet hatten, sollten von der Zentralregierung finanziell gefördert werden. Allerdings stießen diese Maßnahmen als "elitär" in der eigenen Partei auf Kritik.
Chancengleichheit fordert vor allem die afro-amerikanische Bevölkerung (hierüber Peniel E. Joseph sowie Gary Gerstle). Der Band greift damit das Problem auf, das Obama persönlich am nächsten lag. Gerstle unterscheidet zwischen zwei amerikanischen Nationalismen - einem "bürgerlichen" Nationalismus (civil) einerseits, der den aufklärerischen Idealen von der Gleichberechtigung aller Menschen verpflichtet ist, und andererseits einem rassistisch gefärbten Nationalismus, der auf der weißen Vorherrschaft in den USA beharrt. Am eindrucksvollsten in seiner Rede am 18. März 2018 in Philadelphia habe sich der Präsident zu der bürgerlichen Variante des amerikanischen Nationalismus bekannt und vorausgesagt, dass dieser den rassischen Nationalismus in seinem Lande bald endgültig überwinden werde. In Wahlauftritten hatte sich Obama unter dem Motto "Black Lives Matter" immer wieder zum Erbe Martin Luther Kings bekannt und Schwarze zu Justizministern (Eric Holder, dann Loretta Lynch) ernannt. Teile der amerikanischen Gesellschaft erwiesen sich jedoch als keineswegs farbenblind. Dies zeigte das Strafjustizwesen in den Bundesstaaten, wo Schwarze in der Regel weit häufiger inhaftiert und strenger bestraft wurden als Weiße. Übergriffe der meist weißen Polizei auf Teilnehmer schwarzer Demonstrationen oder auch nur auf deren zufällige Zeugen blieben dagegen ungesühnt - wie 2013 in Ferguson, Missouri, nach einer Festnahme mit Todesfolge. Gegen solche Missstände konnte Obama nur rhetorisch ankämpfen. Doch auch als Redner wurde er mit Rücksicht auf weiße Wähler zunehmend vorsichtiger, und bei einem Zusammenstoß von Schwarzen mit der Polizei in Dallas, dem einige Polizisten zum Opfer fielen, stellte er sich hinter die Polizei als Garanten der öffentlichen Ordnung. Meist, so resümiert Peniel E. Joseph, erwies sich der Präsident zwar als entschieden in der Sache, jedoch als eher vorsichtig bei der Wahl der Mittel zur Bekämpfung des fortlebenden inneramerikanischen Rassismus.
Dies galt auch für das Städtewesen, in dem rassische Diskriminierungen nach wie vor zum Alltag gehörten (dazu Thomas J. Sugrue). Als Folge der Finanzkrise, für die an sich Obamas Vorgänger die Hauptverantwortung trug, waren neue, meist von Schwarzen oder Immigranten bewohnte Armengettos entstanden. Obama setzte Städteplanung aufs Regierungsprogramm. Doch blieb es bei ehrgeizigen nur im Ansatz verwirklichten Plänen. Zu diesen gehörte eine Durchmischung von Armenvierteln mit Unternehmensstandorten sowie mit kostenlosen privaten Eliteschulen (charter schools). Doch setzte er für die Städtesanierung insgesamt eher auf die wirtschaftlichen Folgen seiner Krankenversicherungsreform und die danach zu erwartende Ausweitung des Gesundheitswesens und damit auf einen Rückgang der Arbeitslosigkeit. Auch hier stieß er auf die Obstruktionspolitik der Republikaner, die in den Plänen eine rechtswidrige staatliche Gängelung sahen. So blieb "das Ausmaß [...] seiner urbanen Initiativen [...] minimal im Vergleich zu der Größe der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und bildungspolitischen Probleme, auf die das großstädtische Amerika stieß" (160). Dazu gehörte nicht zuletzt der Drogenhandel (nach Matthew D. Lassiter), für den Schwarze unverhältnismäßig hart bestraft wurden. Ausnahmsweise mit republikanischer Unterstützung konnte Obama erreichen, dass in Zweifelfällen Gefängnisstrafen durch Rehabilitierungsmaßnahmen ersetzt wurden. Der Kampf gegen Rauschgiftdelikte, für die oft Immigranten verantwortlich gemacht wurden, berührte Obamas Einwanderungspolitik. Sein Wunsch nach einer umfassenden Reform der Einwanderungsgesetze, so zeigt Sarah R. Coleman, griff jedoch in Rechte der Legislative ein. Mit Berufung auf den Terroranschlag von 9/11 verwarfen die republikanische Kongressmehrheit und danach das Oberste Bundesgericht wieder seine Bemühungen. Über den Verordnungsweg ermöglichte Obama eine Legalisierung der Einbürgerung von jugendlichen Nachkommen der Einwanderer - immerhin 1,5 Millionen Personen - und Erleichterungen bei der Asylgewährung für politische Flüchtlinge.
Unter dem Titel "Liberal Internationalism, Law, and the First African American President" wendet sich der dreizehnte Beitrag (von Jeremi Suri) zu guter Letzt Obamas Außenpolitik zu. In einer recht kritischen Bilanz erkennt dieser zwar das weltweite Echo an, das Obamas eloquent verkündetes Fernziel einer internationalen Ordnung fand, die das Recht achtete, verbindliche Verhaltensregeln garantierte und an die Stelle militärischer Gewalt Konfliktbeilegungen auf dem Verhandlungswege treten ließ. Zweimal, so der Verfasser, gelang das: mit der Öffnung gegenüber Kuba und mit dem Abkommen mit Iran zur Verhinderung einer nuklearen Aufrüstung des islamisch-schiitischen Mullah-Staates. Anstelle des von George W. Bush proklamierten globalen Krieges gegen den Terror unterstützte er insgesamt eine pragmatisch vorangetriebene Entspannung vor allem mit den Hauptrivalen der USA. Andernorts scheiterte er: bei der Besetzung der Krim durch Putin und gegenüber Libyen. Obamas Zögern, Truppen gegen Gaddafi einzusetzen, habe seine gesamte Nahostpolitik kompromittiert. Als Ersatz für militärische Interventionen bevorzugte Obama wie bei der Tötung Bin Ladens punktuelle militärische Gewalt. "Obamas klug-bedachte und gleichzeitig widersprüchliche Weltsicht", so Suris Fazit, "vermochte zu Hause und in der Welt viele Zeitgenossen nicht zu überzeugen" (211). Öfter als er das zugeben wollte, setzte Obama wie in Afrika die Politik seines Vorgängers fort. Seine Herkunft habe dabei keine Rolle gespielt (Jacob Dlamini).
Global wichtig war die Anti-Terrorpolitik, die Obama von George W. Bush geerbt hatte (dazu Kathryn Olmsted). Diese zu revidieren gelang ihm kaum: Das völkerrechtswidrige Gefangenenlager von Guantanamo und die rechtlich fragwürdige geheimdienstliche Überwachung von Post- und E-Mail-Verkehr erhielt er aufrecht. Gleiches galt für die strafrechtliche Verfolgung von idealistisch motivierten "Whistleblowers" wie Edward Snowden oder Chelsea Manning- auch wenn Obama Manning am Ende seiner Amtszeit begnadigte. In vollem Einklang mit den meisten seiner Landsleute intensivierte er völkerrechtlich umstrittene Drohneneinsätze bzw. Kommandounternehmen.
Wer an die mitreißenden Reden denkt, die Obama während seiner Präsidentschaft gehalten hat, mag von dem kritischen Ton überrascht sein, der die meisten (bereits im Schatten von Trump verfassten) Beiträge durchzieht. Immer wieder stellen die Autoren die hohen Versprechungen seiner Reden seinen bescheideneren praktischen Erfolgen gegenüber. Diese Diskrepanz sei auf den doppelten Druck zurückzuführen, dem der Präsident ausgesetzt gewesen ist: Einerseits galt es, an der republikanischen Opposition vorbei zu manövrieren und Stimmen für die nächsten Wahlen zu gewinnen; andererseits musste Obama auf die radikale Linke in seiner eigenen Partei Rücksicht nehmen, bei der er zunächst so hohe Erwartungen erweckt hatte. Diese kritisierte ihn dafür später umso schärfer, je vorsichtiger er sich aus wahltaktischen und innenpolitischen Rücksichten verhielt, und dabei seine Wahlversprechen brach (vgl. dazu den Beitrag von Michael Kazin).
Inwieweit, so fragt auch Gary Gerstle, hat Obama seine Versprechungen wirklich ernst genommen? Als Sohn eines Schwarz-Afrikaners war Obama vor seiner Wahl selbst Zielscheibe rassistischer Verleumdungen geworden, mit denen Vertreter der Tea Party-Bewegung ihm als angeblichem Muslim und "Afrikaner" sein amerikanisches Geburtsrecht absprachen und damit seine Wählbarkeit für das Präsidentenamt streitig machen wollten. Spätere innenpolitische Rückschläge hätten ihn in seinen Versprechungen dann vorsichtiger werden lassen. Immerhin, so Gerstles Bilanz, sei es seiner Präsidentschaft gelungen, die afro-amerikanische Minderheit trotz wachsender Feindschaft von rechts fester in die amerikanische Gesellschaft einzubinden und für einen integrativen "zivilen Nationalismus" zu gewinnen.
Für Obama war es tragisch, dass er wegen seiner klugen Vermittlerrolle politische Misserfolge erleiden musste. Man muss der Kritik an ihm, die in mehreren Beiträgen geäußert wird, deshalb die politischen Schwierigkeiten entgegenhalten, die er zur Verwirklichung seines Konzeptes im Kongress und im Supreme Court zu überwinden hatte. Als Jurist fühlte er sich überdies zu einer besonderen Umsicht verpflichtet. Davon abgesehen hätte der Band insgesamt die Außenpolitik noch gründlicher berücksichtigen müssen - das Thema Syrien blieb zum Beispiel fast ganz ausgeblendet.
Formell weist diese Aufsatzsammlung einige kleinere Schwächen auf wie vermeidbare sachliche Überschneidungen oder das Fehlen eines Abkürzungsverzeichnisses. Willkommen ist dagegen eine ausführliche Chronologie. Der reiche Informationsgehalt dieser Pionierstudie steht außer Frage.
Klaus Schwabe