Dagmar Hofmann: Griechische Weltgeschichte auf Latein. Iustins "Epitoma historiarum Pompei Trogi" und die Geschichtskonzeption des Pompeius Trogus (= HERMES Einzelschriften; Bd. 114), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2018, 456 S., 8 Kt., zahlr. Tbl., ISBN 978-3-515-12143-9, EUR 69,00
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Dionysios Ch. Stathakopoulos: Famine and Pestilence in the Late Roman and Early Byzantine Empire. A Systematic Survey of Subsistence Crisis and Epidemics, Aldershot: Ashgate 2004
Andreas Goltz: Barbar - König - Tyrann. Das Bild Theoderichs des Großen in der Überlieferung des 5. bis 9. Jahrhunderts, Berlin: De Gruyter 2008
Die Epitome Iustins wird selten um ihrer selbst willen gelesen. In der Regel benutzt man den Text als Quelle für die Geschichte Alexanders und der hellenistischen Königreiche, der über zwei Drittel des Textes gewidmet sind. Der Epitomator ist als Person kaum zu greifen, nicht einmal das Abfassungsdatum steht fest. Lange herrschte die Ansicht vor, Iustin gehöre ins 2. Jahrhundert; in letzter Zeit hat sich J. C. Yardley für sie ausgesprochen. Dagegen schlug Ronald Syme eine Datierung ins späte 4. Jahrhundert vor, die jetzt auch von den Bearbeitern der Budé-Ausgabe (bisher 2 Bde., Paris 2016-2018), Bernard Mineo und Giuseppe Zecchini, favorisiert wird. Pompeius Trogus dagegen gehört eindeutig in die Reihe der Universalhistoriker der augusteischen Epoche; in diesem Kontext besteht seine Singularität darin, dass er als Römer eine Universalgeschichte in lateinischer Sprache verfasst hat, in der die Römer nur am Rande vorkommen, obwohl die Weltgeschichte auch bei ihm auf Augustus zuläuft. Die Forschung ging bislang davon aus, dass sich dieses unter dem Titel "Historiae Philippicae" überlieferte Werk recht gut rekonstruieren lässt, denn neben dem Auszug Iustins, der 10-15% des Textes bewahrt haben dürfte, haben sich auch Inhaltsangaben aller 44 Bücher, die sogenannten Prologi, erhalten.
Die hier zu besprechende Arbeit, eine Kölner Habilitationsschrift, nimmt vor allem den Epitomator in den Blick; die Verfasserin möchte dessen Eigenständigkeit herausarbeiten und versucht, ihn in einen literarischen Kontext einzuordnen. Nach einer kurzen Einleitung untersucht sie im zweiten Teil der Arbeit das Verhältnis Iustins zu seiner Vorlage. Im Gegensatz zu Otto Seel, der meinte (1955), Iustin habe in seiner Praefatio Gedanken aus der Praefatio des Trogus reproduziert, hält sie diesen Text für eine freie Schöpfung des Epitomators. Die Briefform ebenso wie große Anzahl von Topoi, für die es in Breviarien und Epitomae der Spätantike zahlreiche Parallelen gibt, sprechen ihrer Ansicht nach sowohl für die Eigenständigkeit des Epitomators als auch für die Spätdatierung der Epitome. Schlüsse über die Methode des Epitomators zieht sie aus einem Vergleich der als Prologi bekannten Inhaltsangaben der 44 Bücher mit dem Text der Epitome. Die Verfasserin betont, dass Iustin seine Vorlage nicht mechanisch gekürzt, sondern auch Umstellungen vorgenommen und Querverweise eingefügt habe. Insofern könne man ihm den Willen und die Fähigkeit zur Gestaltung nicht absprechen, auch wenn er das, was sie die "inhaltliche Grundstruktur" der Vorlage nennt, konsequent beibehalten habe.
Im dritten Teil der Arbeit bemüht Hofmann sich um die Einordnung Iustins in einen sprachlichen und literarischen Kontext. Sie stimmt Yardley in der Einschätzung zu, dass die Sprache des Trogus stark durch Livius geprägt gewesen sei, hebt aber hervor, dass Iustin seine Vorlage auch in sprachlicher Hinsicht nicht unverändert wiedergebe. Sie widerspricht aber der Auffassung, dass sprachliche Eigenheiten Iustins für eine Datierung um 200 sprächen. Dieser Eindruck sei dadurch entstanden, dass Yardley kaum spätantike Autoren zum Vergleich herangezogen habe. Tatsächlich kann die Verfasserin mit Hilfe der inzwischen verfügbaren Datenbank nachweisen, dass viele Ausdrücke und Wendungen, die für Iustin spezifisch zu sein scheinen, in der Spätantike erstmalig oder gehäuft belegt sind. Die Schlussfolgerung, dass der Text kaum vor der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts geschrieben wurde, liegt nahe, auch wenn die lateinische Literatur der Spätantike in der Überlieferung stark privilegiert ist. Hofmann stellt die Epitome in eine Reihe mit den Breviarien eines Aurelius Victor, Eutropius oder Festus. Auch er habe "die Mode" der Kurzdarstellung historischer Zusammenhänge bedient. Zugleich habe er ein fast vergessenes Geschichtswerk bewahren und durch die Konzentration auf den hellenistischen Osten historisches Wissen für aktuelle Konflikte mit dem Sassanidenreich bereitstellen wollen.
Wie Geschichte bei Iustin dargestellt wird, ist Gegenstand des vierten Teils. Hofmann betont die Vorliebe des Epitomators für unterhaltsame Anekdoten und mahnende Exempla. Das genuin Politische trete durchweg hinter dem Familären und Privaten zurück. Auch die zahlreichen Exkurse ethnographischen Inhalts dienten dem Ziel der Unterhaltung und Belehrung; dagegen fehle jedes Interesse für religiöse Fragen, obwohl sprachliche Parallelen zeigten, dass er mit christlichen Autoren vertraut gewesen sei. Nach Hofmann definieren diese Merkmale, die man freilich schon im Hellenismus vielfach nachweisen kann, den Erwartungshorizont der Leserschaft Iustins im 4. Jahrhundert n. Chr.
Im fünften Teil setzt sich Hofmann mit der Geschichtskonzeption des Trogus auseinander. Sie schließt sich der Auffassung an, dass sein Werk keineswegs "romkritisch" gewesen sei, wenngleich er die Geschichte Roms aus griechischer Perspektive erzähle. Der Titel "Historiae Philippicae", der nur in einem Teil der Handschriften steht, stammt ihrer Ansicht nach gar nicht vom Autor, sondern ist auf unbekanntem Weg in die Überlieferung gelangt. Das ist nun freilich eine sehr gewaltsame Lösung für ein vieldiskutiertes Problem, die selbst dann unbefriedigend wäre, wenn es sich anders gar nicht lösen ließe, da man die Erfindung eines singulären Titels doch ehesten dem Autor selbst zutrauen wird. Wie Bernard Mineo gezeigt hat, passt der Titel jedoch durchaus, da er einerseits auf Theopomps "Philippika" (FGrHist 115) als historiographisches Vorbild verweist und andererseits auf die "Philippicae" Ciceros als Vorbild anti-monarchischer Polemik. Von den anderen Universalhistorikern der augusteischen Epoche unterscheide sich Trogus vor allem durch die Verwendung der lateinischen Sprache. Keineswegs handle es sich um eine "römische Weltgeschichte", wie Otto Seel meinte. Vielmehr zeigten Aufbau und Stoffverteilung eindeutig, dass Trogus eine "griechische Weltgeschichte" für römische Leser geschrieben habe: "Als Angehöriger der römischen Oberschicht am Beginn der Prinzipatszeit war es Trogus ein Anliegen, seinen Landsleuten die griechische Geschichte und ihren weltumspannenden Einfluss in lateinischer Sprache zugänglich zu machen und zugleich die griechische Weltgeschichte als Exemplum des Handelns vor Augen zu führen" (226). Trogus habe auch nicht die Abfolge von Weltreichen dargestellt, sondern ein ständiges "Ringen der Mächte um Vorherrschaft, das sich in ständigen Kriegen artikuliert und im Niedergang aller" (214) geendet habe. Bei dieser Charakterisierung klammert Hofmann die Bücher 41-44, die von den Parthern, von Rom, Gallien und Hispanien handeln, ausdrücklich aus. Hofmann erklärt (216), diese Bücher spiegelte die geographische Zentralität der Griechen bei Trogus. Das ist aber keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie diese Bücher sich in den Plan des Werks fügen.
Der Untersuchung sind mehr als 150 Seiten mit Tabellen beigegeben, in denen die Materialgrundlage sehr übersichtlich dargeboten wird. Man findet dort den Vergleich zwischen Iustin und den Prologi, sprachliche Parallelen zu anderen Autoren, Listen der bei Iustin erwähnten Personen, der Frauen und der Römer, der Exempla, Exkurse und Reden sowie eine Strukturskizze anhand der Prologi. Acht farbige Karten veranschaulichen die geographische Stoffverteilung. Das zu besprechende Buch ist darum ein sehr nützliches Arbeitsinstrument. Sein Ertrag für die Geschichte der römischen Historiographie hält sich in Grenzen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Hofmann lässt sich nur ausnahmsweise auf eine Interpretation der Texte ein und versucht erst gar nicht, sie vor dem Hintergrund der historiographischen Tradition zu interpretieren. Die Untersuchung praktiziert das distant reading. Die Häufung von tabellarisch erfassten Daten tritt an die Stelle der qualitativen Analyse. Zudem arbeitet Hofmann mit unscharfen Begriffen. Was gewinnen wir, wenn wir eine Universalgeschichte, die in augusteischer Zeit von einem Römer für Römer geschrieben wird, als griechische Weltgeschichte etikettieren? Wurde der Verlauf der Menschheitsgeschichte in augusteischer Zeit nicht vielfach und sehr unterschiedlich gedacht und dargestellt, in lateinischer und in griechischer Sprache?
Hans-Ulrich Wiemer