Johannes Meyer: Women's History in the Age of Reformation. Johannes Meyer's Chronicle of the Dominican Observance. Translated by Claire Taylor Jones (= Saint Michael's Mediaeval Translations), Toronto: Pontifical Institute of Mediaeval Studies 2019, X + 306 S., 2 Kt., ISBN 978-0-88844-308-3, USD 35,00
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Claire Taylor Jones: Ruling the Spirit. Women, Liturgy, and Dominican Reform in Late Medieval Germany, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2017
Christian Seebald: Reform als Textstrategie. Untersuchungen zum literarischen Œuvre des Johannes Meyer O.P., Berlin: De Gruyter 2020
Stefanie Monika Neidhardt: Autonomie im Gehorsam. Die dominikanische Observanz in Selbstzeugnissen geistlicher Frauen des Spätmittelalters, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2017
Veerle Fraeters / Imke de Gier (eds.): Mulieres Religiosae. Shaping Female Spiritual Authority in the Medieval and Early Modern Periods, Turnhout: Brepols 2014
Christian Seebald: Reform als Textstrategie. Untersuchungen zum literarischen Œuvre des Johannes Meyer O.P., Berlin: De Gruyter 2020
Gabriela Signori (Hg.): Das Jahrzeitbuch des Klosters Tänikon (ca. 1315 bis 1680), St. Ottilien: EOS Verlag 2018
Die gegenwärtig an der Universität Notre Dame (Indiana) lehrende amerikanische Germanistin Claire Taylor Jones beschäftigt sich seit ihrer Dissertation mit der dominikanischen Observanz in der Provinz Teutonia. [1] Frucht dieses Interesses ist auch die vorliegende Übersetzung der Reformationschronik von Johannes Meyer († 1485). Sie wurde am Pontifical Institute for Medieval Studies in Toronto erarbeitet und bildet zusammen mit der ausgezeichneten Edition von Meyers Amptbuch (1455) durch Sarah Glenn DeMaris eine weitere wichtige Etappe bei der Erschließung der Werke des Basler Dominikaners für eine englischsprachige Leserschaft. [2]
Das Buch der Reformatio Prediger Ordens wurde abgeschlossen im Jahr 1468 in Schönensteinbach und ist in insgesamt vier Handschriften überliefert. Die Älteste stammt aus dem Kloster St. Nikolaus in undis in Straßburg (Bibliothèque nationale et universitaire, Cod. 2934). Im Unterschied zu der etwas jüngeren Handschrift aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina in St. Gallen (heute St. Gallen, Stiftbibliothek, Cod. Sangall. 1916), die 1483 nach einer Vorlage aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg geschrieben wurde, enthält der Straßburger Codex auch die von Meyer und anderen vorgenommenen Korrekturen und Erweiterungen bis zum Jahr 1477. [3] Es ist aus diesem Grund sehr zu begrüßen, wenn Taylor Jones für ihre Übersetzung diese Handschrift heranzieht und nicht den der älteren Edition von B. M. Reichert aus den Jahren 1908/09 zugrunde gelegten St. Galler Codex.
Der Übersetzung ist eine ausführliche Einleitung vorangestellt, die nach dem derzeitigen Forschungsstand über den Verlauf der Observanz im Predigerorden und über die Person des Autors Johannes Meyer informiert. Zum Verständnis des Textes wird zudem auf die Strukturen der Ordensregierung hingewiesen, die von Meyer als bekannt vorausgesetzt werden. Besonderes Gewicht legt Taylor Jones auf die Komplexität des Reformprozesses in der Realität, die in Meyers Chronik nur ansatzweise berücksichtigt wird. Meyer gehörte der dritten Generation von Reformern an. Sein Anliegen war Taylor Jones zufolge politisch und didaktisch orientiert. Er wollte der Observanz zum Sieg verhelfen und insbesondere den sehr zahlreichen Frauenkonventen in der Provinz Teutonia einen gleichwertigen Platz neben den reformierten Brüderkonventen sichern. Seine Qualitäten als Historiker schätzt Taylor Jones hingegen nicht sehr hoch ein, da er als vielbeschäftigter Seelsorger nur über einen begrenzten Zugang zu den Quellen verfügt habe. Darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn Meyers Umgang mit echten oder auch fiktiven Originaldokumenten ist bislang noch nicht untersucht worden. Meyers Werk endet zu einem Zeitpunkt, als die reformierten Konvente nahe daran waren, die Mehrheit innerhalb der Teutonia zu erringen. Dazu hatte seine Chronik mit den beigefügten Daten der neu hinzu gewonnenen Konvente sicherlich entscheidend beigetragen. Zumindest der Nutzen einer exakten Chronologie war dem Historiker Meyer also durchaus bewusst.
Im sogenannten Epistelbrief an die Schwestern des Predigerordens, der ebenfalls in einer Handschrift aus St. Nikolaus in undis überliefert wird, [4] nimmt Meyer für sich in Anspruch, eine ganz Reihe von Büchern zum Trost und zur Unterweisung der Schwestern verfasst zu haben. Taylor Jones schließt daraus, dass Meyer sich in seiner Position als Seelsorger und Reformer tatsächlich erstmals auch der Geschichte geistlicher Frauen zugewandt und diese als "Mitreformer" in das Geschehen einbezogen habe. Diese Sichtweise findet ihren Ausdruck auch im Buchtitel "Womens' History in the Age of Reformation". Demgegenüber ist festzuhalten, dass Meyer bewusst eine Geschichte der Reform beider Ordenszweige beabsichtigt hat und auch in seinem übrigen schriftstellerischen Œuvre keinesfalls nur auf die Frauenklöster fokussiert war. Ohnehin wurde Meyers Anliegen nach seinem Tod sehr schnell von der Realität eingeholt. Die Schwestern wurden zunehmend von der weltlichen oder geistlichen Gewalt für ihre Zwecke instrumentalisiert und von den Brüderkonventen im Stich gelassen. Erst in diesen Notzeiten haben sie selber zur Feder gegriffen und ebenso tapfer wie eloquent ihre eigene Geschichte geschrieben.
So wird das Werk Meyers dank der Übersetzung von Taylor Jones zweifellos neue Aktualität gewinnen und das Interesse an der "weiblichen" Seite der Observanz wecken. Zwei Karten, ein Namensregister und ein Ortsregister tragen zum weiteren Verständnis des Textes bei.
Anmerkungen:
[1] Siehe Philipp Stenzig: Rezension von Claire Taylor Jones: Ruling the Spirit. Women, Liturgy, and Dominican Reform in Late Medieval Germany, Philadelphia 2017, in: sehepunkte 18 (2018) [15.04.2018], URL: http://www.sehepunkte.de/2018/04/31061.html.
[2] Siehe Stefanie Neidhardt: Rezension von Sarah Glenn DeMaris (ed.): Johannes Meyer. Das Amptbuch, Rom 2015, in: sehepunkte 17 (2017) [15.02.2017], URL: http://www.sehepunkte.de/2017/02/29444.html.
[3] Siehe Claudia Heimann: Beobachtungen zur Arbeitsweise von Johannes Meyer OP anhand seiner Aussagen über die Reform der Dominikanerkonvente der Teutonia, besonders der Natio Austriae, in: Archivum Fratrum Predicatorum 72 (2002), 187-220.
[4] Vgl. dazu Christian Seebald: Schreiben für die Reform. Reflexionen von Autorschaft in den Schriften des Dominikaners Johannes Meyer, in: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken - Typologie und Geschichte, hgg. von Christoph Jürgensen / Gerhard Kaiser, Heidelberg 2011, 33-53.
Martina Wehrli-Johns