Alexander Querengässer: Das kursächsische Militär im Großen Nordischen Krieg 1700-1717 (= Krieg in der Geschichte (KRiG); Bd. 107), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019, 629 S., ISBN 978-3-506-78871-9, EUR 148,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Um es gleich vorweg zu sagen, Alexander Querengässers Dissertation ist ein im besten Sinn positivistisches Buch. Querengässer erschließt zu seinem Thema die Akten des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden, soweit sich sagen lässt, umfangreich, ja fast komplett und sehr gründlich. Und er tut das für einen Bereich der Militärgeschichte, der in Deutschland seit weit über hundert Jahren kaum Interesse gefunden hat - anders etwa als in Großbritannien oder Dänemark, wo gleich mehrere wichtige Studien zum Großen Nordischen Krieg entstanden sind, wie beispielsweise die Übersicht von Robert Frost oder Karl-Erik Frandsens in diesen Tagen besonders aktuelle Studie The Last Plague in the Baltic Region 1709-1713.
Querengässer gibt nach einer Einleitung, in der er unter anderem, die ihn leitenden Fragen, die Struktur sowie seine zugrundeliegenden Quellen und Literatur erläutert, eine Übersicht über die "Kursächsische Armee am Vorabend des Großen Nordischen Krieges" (30-114), die sächsische "Heeresorganisation" (331-402) und die "Heeresreduktion" im Verlauf des Krieges (536-558). Zwischen diesen drei Abschnitten betrachtet Querengässer in zwei umfangreichen Kapiteln den Verlauf des Krieges aus Sicht Sachsens: "Vom Ausbruch des Krieges bis zum Frieden von Altranstädt" (115-330) und "Von der Wiedergewinnung Polens bis zum Frieden von Warschau" (403-535). In beiden Kapiteln verfolgt Querengässer die Operationen der sächsischen Armee in einer Detailfülle, die nichts zu wünschen übriglässt. Diese dichte chronologische Beschreibung offeriert - hinsichtlich des Handelns der Offiziere und Soldaten im Krieg, der Probleme, die sich daraus ergaben, sowie der Lösungsmöglichkeiten, nach denen gesucht wurde - wichtige Einsichten. Die dichte Beschreibung macht das Funktionieren oder Nichtfunktionieren, die Erfolge oder Misserfolge der sächsischen Truppen offenbar und nachvollziehbar, zeigt auf, worin die Sachsen innovativ waren und worin rückständig. Darüber hinaus lassen sich die gewonnenen Einsichten in die strukturellen Probleme der Kriegführung auch auf andere Armeen als die sächsische mit Erkenntnisgewinn übertragen - vorausgesetzt jedoch, man berücksichtigt die allgemeinen Verhältnisse, d. h. die geografischen, wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Gegebenheiten der dann jeweils ins Auge gefassten Regionen und Heere.
Dass aber wichtige strukturelle Probleme für die sächsische Armee nicht zu lösen waren, wird schon in Querengässers Eingangsbetrachtung "Am Vorabend" deutlich. Denn das Erste, was man benötigte, um eine Armee aufzustellen, auszurüsten und aufs Schlachtfeld zu bringen, war ja - Geld. Und davon genügend zusammenzubringen, gestaltete sich selbst in Sachsen schwierig, obgleich das Land wegen seines Silberbergbaus und des Gewerbefleißes seiner Einwohner nicht arm war. Ob nun die notwendige Zuhilfenahme von Subsidien den außenpolitischen Handlungsspielraum Sachsens erheblich einschränkte, wie Querengässer anmerkt (58), daran ist dann doch ein wenig zu zweifeln. Denn auch Habsburger und Preußen, und selbst Friedrich der Große, nahmen Hilfsgelder, was Querengässer zwar ebenfalls deutlich macht, aber nicht in Rechnung stellt. Sachsen setzte in seinen außenpolitischen Bemühungen, wie bekannt und anders als Preußen, nicht allein auf seine Heeresstärke, sondern auf Kunst und Kultur.
Wie dem auch sei, Geldmangel führte im Feld im Allgemeinen wie eben auch bei der sächsischen Armee im Besonderen immer zu Problemen - ebenso wie unzweckmäßige Uniformen, was aber der Schönheit und Einheitlichkeit wegen durchaus gewollt war (75). Alles in allem jedoch war die sächsische Wirtschaft in der Lage, die Bedürfnisse der Truppen an Kleidungsstücken, Waffen und Ausrüstungsgegenständen "gut zu befriedigen", ohne in Schwierigkeiten zu geraten (81). An dieser Stelle zudem auch zu schauen, wie es um das Sanitätswesen im sächsischen Heer zu Beginn des 18. Jahrhundert bestellt war, welchen Wert man darauf in Sachsen legte, wäre noch eine schöne, vielleicht nicht ganz unwichtige Ergänzung der Übersicht gewesen.
Was der sächsischen Armee trotz der guten Grundversorgung nicht gelang, war ein eigenständiger großer, dauerhafter Erfolg im Großen Nordischen Krieg gegen Schweden. Man benötigte die Hilfe von Verbündeten wie etwa den Dänen. Der erfolgreiche Rückzug des 1706 bei Fraustadt geschlagenen Heeres unter Matthias von der Schulenburg galt deshalb als die bis dahin bedeutendste militärische Leistung. Doch gelang es den sächsischen Truppen ab 1709 dann, Polen Zug um Zug zurückzuerobern. All dies wie auch der fernere Verlauf des Krieges wird mit großer Akribie dargelegt.
"Das Ziel der Arbeit, das kursächsische Militär im Großen Nordischen Krieg möglichst breit zu beleuchten und den Verlauf des Krieges aus sächsischer Perspektive zu rekonstruieren, kann [...] als gelungen betrachtet werden", schreibt Querengässer selbst in seiner abschließenden Zusammenfassung, "auch wenn Lücken in der ereignisgeschichtlichen Rekonstruktion teilweise noch aus der Historiographie und der Sekundärliteratur geschlossen werden mussten. Dennoch hat das Studium der Quellen gezeigt, dass zu allen hier aufgegriffenen Aspekten vertiefende Studien möglich sind" (559). Dem ist nichts hinzuzufügen.
Jürgen Luh