Donatella Manzoli / Patrizia Stoppacci (a cura di): Schola cordis. Indagini sul cuore medievale: letteratura, teologia, codicologia, scienza (= La Mistica cristiana tra Oriente e Occidente; 33), Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2020, XII + 267 S., 8 Farbabb., ISBN 978-88-8450-548-4, EUR 44,00
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Der Begriff "Schola Cordis" stammt vom Benediktiner Benedictus van Haeften (1629), der damals ein Werk über Frömmigkeit herausgegeben hatte. Die zwei Herausgeberinnen des vorliegenden Bandes wählten diese Formulierung für ihren Buchtitel, denn die versammelten Aufsätze behandeln verschiedenste Aspekte des Herzens, wie es in der Literatur, Theologie und Wissenschaft des Mittelalters beurteilt wurde. So wie das Herz den Mittelpunkt des menschlichen Körpers ausmacht, so war es auch die zentrale Metapher für die höfische und frühneuzeitliche Liebe, Ethik, Moral und Religion. Die acht Beiträge behandeln verschiedene Beurteilungsweisen für das Herz in unterschiedlichsten Werken von der Spätantike bis hin zur Renaissance, wobei es natürlich, wie könnte es auch anders sein, sowohl um die Liebesempfindung als auch die Erfahrung mit Gott geht, ohne dass der medizinische Bereich ignoriert werden würde.
Gaetano Lettieri beginnt den Reigen mit einer Untersuchung der Herzmetaphorik beim Hl. Augustinus, der erwartungsgemäß ausführlich die spirituelle Beziehung zwischen Gott und dem Herz des Gläubigen diskutierte und dabei sehr häufig dem Herz eine Sonderstellung einräumte, sprach er ihm doch über seine materielle Kondition hinaus eine geistige Fähigkeit zu, mittels der der Mensch die Verbindung mit Gott suchen konnte. Lettieri spricht hier u.a. von der "intima esposizione all'alterità del Dono" (11). Oder: im Herzen finde der Übergang vom Alten zum Neuen Testament metaphorisch statt (23). Oder: das Herz werde durch die göttlichen Worte bewegt (25). Oder: die göttliche Freude breite sich im Herzen aus (31), usw. Der Autor zitiert extrem ausführlich sowohl aus Augustinus selbst als auch aus anderen Quellen, was vielleicht etwas ermüdend wirken könnte, uns zugleich aber das entscheidende Textmaterial direkt zur Verfügung stellt. In der Tat stellt sich heraus, dass Augustinus' Theologie stark von der Herzmetaphorik bestimmt war, was sich dann natürlich in den folgenden Jahrhunderten ohne weiteres fortsetzte, kam Augustinus als einem der Kirchenväter doch mit die höchste Autorität zu.
Donatella Manzoli widmet sich den Reimpaaren 'cuore-amore', 'core-amore' und 'cor-amor' in der italienischen Literatur vom 10. bis zum 16. Jahrhundert und bietet zahlreiche Beispiele, um die Beliebtheit dieser Ausdrucksweise auch datenmäßig zu dokumentieren. Gerade für die Frühzeit greift sie aber weiter aus und schließt auch Dichter wie Alcuin und Rabanus Maurus mit ein, die ja aus England bzw. dem Karolingerreich stammten. Manzoli weist zugleich darauf hin, dass das Modell auch schon viel früher, insbesondere in der Dichtung von Venantius Fortunatus, zu finden ist. Wir können aber ohne weiteres davon ausgehen, dass es sich hierbei um ein paneuropäisches Phänomen in der lateinischen Literatur handelt, was die einschlägige Forschung, hier umfangreich dokumentiert, schon vielmals konstatiert hat.
Paolo Garbini setzt diese Untersuchungen damit fort, diejenigen Quellen in der Normandie, in Apulien und in Sizilien aufzuspüren, in denen das Herz als Sitz der Rationalität und des Denkens identifiziert wurde und somit eine zentrale Funktion im öffentlichen Diskurs einnahm. Für die Rhetorik der Zisterzienser spielte das Herz ebenfalls eine große Rolle, wie uns Alberto Bartola vor Augen führt, denn gerade die Erfahrung des Affekts war in vielen Traktaten von besonderer Bedeutung, d.h. der "affectus cordis" (97), wie er insbesondere von Bernhard von Clairvaux oder Isaak von Étoile eruiert wurde. Dabei handelt es sich oftmals um die Frage, wie der Mensch sich von der Erbsünde befreien kann, indem er sich der Gnade Gottes öffnet, was gerade über das Herz möglich sein müsste. Bartola bietet schließlich noch Beispiele dafür, dass auch die Metapher "liber cordis" gerne eingesetzt wurde.
Elisabetta Bartoli betrachtet das Corpus der Briefliteratur des 12. Jahrhunderts daraufhin, was die Autoren dort über das Herz zu sagen hatten, also den Sitz der Gefühle, die zunehmend in den offiziellen Briefen eine intensive Behandlung erfuhren (auch sprachlich gesehen), ganz gleich ob sie unter Familienmitgliedern oder Geliebten ausgetauscht wurden. Dass hierbei Cicero, Ovid und das biblische Hohelied Pate standen, ist schon lange bekannt, wird hier aber noch etwas genauer in der Epistolographie nachgewiesen. Dass sich wichtige Parallelen mit der höfischen Lyrik und der Mystik Bernhards von Clairvaux ergeben, ist gar nicht so überraschend.
Die zentrale Rolle des Herzens im medizinischen, literarischen und künstlerischen Diskurs des hohen Mittelalters ist eigentlich selbstverständlich, wird hier aber noch einmal von Patrizia Stoppacci aufgegriffen und in vielerlei Richtungen verfolgt. Sie geht fast enzyklopädisch vor, sucht nach Quellen im alten Ägypten, integriert die medizinische Schule von Galen, hebt die philosophischen Behandlungen des Herzens hervor und rollt sozusagen die gesamte Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, Medizin und Literatur (unter Einschluss des mittelhochdeutschen Minnesangs) noch einmal auf, so als ob sie als Erste Grundlagen zur thematischen Behandlung des Herzens schaffen müsste. Hier finden sich auch die schönen farbigen Illustrationen. Vielleicht hätte dieser Aufsatz die Einleitung bilden sollen, aber es wird dann doch nicht ganz klar, ob hier versteckt ein neues Buch im Kern entwickelt wird, ohne dass wirklich neue Erkenntnisse zutage träten, während die Fülle an behandelten Aspekten (sogar Giottos Fresken in der Scrovegni-Kapelle und das literarische Thema des gegessenen Herzens kommen zur Sprache) beeindruckend ist. Leider tritt dann aber auch das Problem auf, dass die Autorin wegen der Stofffülle nur noch oberflächlich Namen und Titel von Werken nennt und kaum dazu kommt, ihre Thesen zu belegen (was soll hier z.B. Andreas Capellanus?). Im englischen Abstrakt wird dann zwar behauptet, dass die zentrale Fragestellung des Aufsatzes darauf abzielte, weshalb Künstler oder Poeten die typische Form des Herzens gewählt hätten, wie sie allenthalben bekannt ist, doch in der eigentlichen Untersuchung kommt dies praktisch gar nicht zum Ausdruck.
Medizinischen Betrachtungen zur Herzschwäche bzw. zu Herzkrankheiten im Mittelalter etwa von Bartholomaeus Anglicus, Vincent von Beauvais oder Gerhard von Cremona widmet sich Iolanda Ventura, während Massimo Oldoni sich zuletzt die Behandlung des Herzens durch Philip den Kanzler (gest. 1236) vornimmt, was er zugleich in einen breiteren europäischen Rahmen stellt, ohne wesentlich fundiert zu sein. Der Band wird durch mehrere Indices der behandelten Handschriften, Autoren, Wissenschaftler und sogar der Orte abgeschlossen.
Die Autoren haben ihre Aufsätze stets mit einer knappen englischen Zusammenfassung abgerundet, aber leider ist das Englische weitgehend so schlecht, dass man kaum nachvollziehen kann, was hier gesagt werden soll. Auf Italienisch wäre das sicherlich besser gewesen. Die Autoren zitieren ungemein ausführlich und haben auch meist einen ausführlichen Apparat hinzugefügt, aber dort tauchen weiterhin sehr stark die Quellen auf, während die internationale Forschung doch erheblich zu kurz kommt. Insgesamt darf man aber urteilen, dass mit diesem Band ein wesentlicher Beitrag zur kritischen Beurteilung des Herzens als physisches Organ und als theologische und poetische Metapher während des Mittelalters geleistet worden ist.
Albrecht Classen