Staatliche Schlösser und Gärten Baden Württemberg (Hg.): Kloster Heiligkreuztal. Geistliche Frauen im Mittelalter, Mainz: Nünnerich-Asmus Verlag & Media 2020, 300 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-96176-136-4, EUR 27,00
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Ludovic Viallet: Les sens de l'observance. Enquête sur les réformes franciscaines entre l'Elbe et l'Oder, de Capistran à Luther (vers 1450 - vers 1520) , Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2014
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Das Amt "Staatliche Schlösser und Gärten" ist zuständig für die Betreuung und Bewahrung der unter Schutz stehenden Monumente des Landes Baden-Württemberg. Zu seinen vielfältigen Aufgaben gehört auch die Herausgabe von Publikationen über die von ihm betreuten Kunstdenkmäler. Es handelt sich durchwegs um sorgfältig gestaltete, prachtvolle Bildbände, die geeignet sind, sowohl der Fachwelt als auch einer kulturell interessierten Öffentlichkeit das wichtige Anliegen der Denkmalpflege näherzubringen.
Das gilt auch für den vorliegenden Band über das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal. Er dokumentiert die Beiträge einer von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und dem Geschichtsverein der Diözese Rottenburg sowie der Stephanus-Gemeinschaft als derzeitiger Eigentümerin der Klosteranlage angeregten wissenschaftlichen Tagung zum 700jährigen Jubiläum der Münsterweihe (1319) am 26.-28. Juli 2019. Gegründet wurde das Kloster 1227 von Conrad von Markdorf, einem staufischen Vasallen aus dem gleichnamigen Ministerialengeschlecht am Nordufer des Bodensees. Er stattete 1227 eine Schwesterngemeinschaft aus Altheim mit Grundbesitz aus und ermöglichte ihnen damit die Errichtung eines Zisterzienserinnenklosters nach den strengen Vorschriften des Ordens. Die Stiftung wurde nach den Ausführungen von Michela Vogel unterstützt von Abt Eberhard von Rohrdorf, einem Anhänger Friedrichs II., der damals der Reichsabtei Salem vorstand und die Inkorporation in den Orden sowie die Unterstellung unter die Paternität seines Klosters in die Wege leitete. Die Beleuchtung des politischen Hintergrundes der Gründung widerlegt in wohltuender Weise das überholte Paradigma einer "religösen Frauenbewegung" (Herbert Grundmann). Die ordensgeschichtlichen Aspekte des Klosters bis zu seiner Säkularisation im Jahre 1804 werden im einleitenden Beitrag von Karl Werner Steim knapp behandelt. Im Zentrum steht die Stellung der Äbtissin und ihre teilweise von Spannungen begleitete Beziehung zu den Vateräbten aus Salem.
Eigentlicher Schwerpunkt des Bandes ist aber die Bau- und Kunstgeschichte des Klosters. Ulrich Knapp kommt in Auseinandersetzung mit der älteren Literatur teilweise zu neuen Ergebnissen. Sie betreffen den ursprünglichen Gründungsbau der 1256 geweihten Kirche wie auch die Bauzeit des gotischen Klosterkomplexes aus dem 14. Jahrhundert und die vieldiskutierte Frage der baulichen Anordnung des Frauenchores. Besonders aufschlussreich sind auch seine Untersuchungen zu den Umbauten des 15./16. Jahrhunderts, die er erstmals in den Zusammenhang der Reformen innerhalb des Zisterzienserordens und der von Salem betreuten Frauenklöster im Bodenseeraum stellt.
Der Beitrag von Olaf Siart gilt dem Kreuzgang des Klosters, der wie die gesamte Klosteranlage im Wesentlichen drei Bauphasen aufweist. Sein heutiges Erscheinungsbild ist geprägt von der Erneuerungsphase unter der Äbtissin Veronika von Rietheim (1520-1551), die auch für die künstlerische Ausstattung mit Wandbildern und weiteren Tafelgemälden verantwortlich zeichnete. Die Wandmalereien wurden glücklicherweise in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder freigelegt. Sie zeigen Szenen aus dem Leben Christi, die Bezug nehmen auf die rituelle Fusswaschung am Gründonnerstag. Darunter befindet sich eine vollständige Reihe von 25 Äbtissinnen des Klosters, die zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wurde durch die Tafelbilder von Prälaten aus dem Zisterzienserorden. Alle Wandmalereien des Kreuzganges werden seit einiger Zeit sorgfältig restauriert. Einblick in "Die Probleme der Konservierung und Restaurierung der Wand- und Gewölbemalereinen" gibt der Beitrag von Dörthe Jakobs. Mitbeteiligt daran waren auch Studierende der Akademie der Künste in Stuttgart.
Fünf Beiträge nehmen "Die künstlerische Ausstattung in der Kirche und im Museum" in den Blick. Die Neuausmalung der Kirche durch die aus Balingen stammenden "Meister von Messkirch" in den Jahren 1532-1535 war ebenfalls ein Auftragswerk der Äbtissin Veronika von Rietheim, die sich damit im Chorbogen zugleich selbst ein Monument schuf. Die Entdeckung der Balinger Werkstatt als Ursprung des sogenannten Meisters von Messkirch ist den Forschungen von Bernd Konrad zu verdanken. Er führt hier den Betrachter auf einen spannenden virtuellen Spaziergang zu der besonders reich mit Pflanzen, Tieren, und Mischwesen gestalteten Zwickelmalerei im Gewölbe, deren Deutung noch nicht abgeschlossen ist.
Die Kirche von Heiligkreuztal verfügt heute noch über einen Reichtum an farbigen Glasfenstern, der für ein Zisterzienserkloster erstaunlich ist. Daniel Parello datiert sie in die Zeit nach 1320 und deutet sie einerseits aus dem liturgischen Zusammenhang der im Kloster begangenen Feste zu Ehren der Klosterpatrone und der Kreuzigung Christi sowie andererseits als Zeichen der engen Einbindung in den Orden und die Paternität von Salem. Aus der gleichen Zeit stammt wohl auch die Christus-Johannes-Gruppe, die Guido Linke als ein Zeugnis der im Kloster gelebten Frauenmystik vorstellt, wie sie vor allem im benachbarten Dominikanerinnenkloster St. Katharinenthal bei Diessenhofen gepflegt wurde. Interessant ist seine Deutung der Geste des gegenseitigen Ergreifens der rechten Hände von Christus und Johannes, der sogenannten Dextrarum iunctio, für die es bisher keine überzeugende Erklärung gibt. Sie wurde in der älteren Forschung (Hans Wetzel) allgemein als ein Hochzeitssymbol angesehen, das schon bei den Römern den Vollzug der Eheschliessung anzeigte. Nach Linke war dieser Ritus im Mittelalter jedoch Teil des kirchlichen Zeremoniells der Eheschliessung, letztlich also ein sakraler Akt, der die Anwesenheit des Priesters voraussetzte.
In der Renaissance und im Barock wurde die Kirche außerdem mit einer Vielzahl von Altären ausgestattet, die zu einem grossen Teil von den Äbtissinnen gestiftet wurden. Mika Matthies zeigt am Beispiel der Rekonstruktion des ehemaligen Hochaltars, wie man sich das Zusammenspiel zwischen der Äbtissin Maria Anna von Holzing (1690-1722) und dem ausübenden Maler Anton Mayer aus Augsburg vorzustellen hat. Das von ihm 1715 geschaffene Altarbild "Die Sieben Heiligen Zufluchten" greift ein Thema auf, das seit dem Konzil von Trient als geeignetes Mittel zur Festigung des katholischen Glaubens angesehen wurde. Theologische Grundlage des Heiligkreuztaler Bildes war das Werk des Jesuiten Tobias Lohner mit dem Titel "Heylwürckende Andacht der Gottliebenden Seelen zu den Sieben Zufluchten" aus dem Jahr 1689. Es ist nicht auszuschließen, dass die Stifterin aufgrund der Lektüre des Werkes von Lohner das Bild in Auftrag gegeben hatte.
Zuletzt widmet sich Erich Fensterle dem Reliquienkult im Kloster, der Ende 16. Jahrhunderts in der katholischen Welt erneut aufblühte. Im Museum des Klosters ist der Kult der sogenannten Katakombenheiligen sehr präsent.
Schließlich kommen auch Wirtschaft und soziales Leben im Kloster in insgesamt drei Beiträgen zu ihrem Recht. Maria Magdalena Rückert untersucht die "Wirtschaftsweise und Handlungsspielräume der Zisterzienserinnen von Heiligkreuztal im Spätmittelalter". Sie unterstreicht die Bedeutung einer gut funktionierenden Wirtschaft für das Gedeihen des Klosters und verfolgt aufgrund der Urkunden, wie sich der Besitz durch geschicktes Handeln der Äbtissinnen durch Kauf und Schenkungen kontinuierlich vermehrte. Obgleich die Schwestern zur strengen Einhaltung der Klausur verpflichtet waren, behielt man dennoch die Kontrolle über die Klosterwirtschaft, unterstützt von den ordenseigenen Klosterämtern, den von der Äbtissin ernannten Verwaltern und Pfründnern. Wie die meisten Klöster im Spätmittelalter, betrieb man eine Art Mischwirtschaft, wo neben der Grundherrschaft mit Konversen auch Rentenvermögen und Lohnarbeit zunehmend wichtig wurden. Nach Ansicht von Rückert ist deshalb der Handlungsspielraum der geistlichen Frauen trotz der Klausurbestimmungen eher hoch einzuschätzen.
Einen kleinen Einblick in die Wirtschaftstätigkeit und Verwaltung des Klosters gibt auch der von Natalie Schmidt vorgestellte Archivschrank. Er stammt allerdings erst aus dem Jahr 1824, als das klösterliche Leben bereits zum Erliegen gekommen war. Dank dem eigens dazu bestimmten Archivrat Lotter wurde damals das ganze Urkundenmaterial gesichtet und zugänglich gemacht. Leider wurde die gleiche Sorgfalt nicht der Bibliothek des Klosters zuteil. Handschriften aus Heiligkreuztal sind deshalb heute nicht mehr vorhanden.
Den Abschluss des historischen Teils bildet eine interessante Fallstudie über die letzte Äbtissin aus dem Hause Hornstein von Elena Vanelli. Agnes von Hornstein zu Neufra (1421-1434) hat als letzte von insgesamt sieben Äbtissinnen aus ihrer Familie die Geschicke des Klosters geleitet. An dieser Figur wird nochmals deutlich, wie groß der Einfluss einzelner Geschlechter aus dem oberschwäbischen Adel sein konnte. Sie hatte im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Margaretha von Neustein bei Reformen stets die Position des Ordens vertreten und erhielt dafür das Privileg, sich eine eigene Stube aus ihrem Privatvermögen errichten zu dürfen.
Zum Ausklang der Tagung gab der Pfarrer der Stephanus Gemeinschaft einen Einblick in die gelebte Spiritualität von Heiligkreuztal. Das Schlusswort war der Zisterzienserin M. Hildegard O. Cist., Dozentin an der Ordenshochschule in Heiligkreuztal (Österreich) vorbehalten. Sie zeigte den langen Weg der heutigen Zisterzienserinnen zur Gleichberechtigung im Orden auf.
Wie eingangs erwähnt, besticht der ganze Band durch seine überaus reiche Bebilderung. Alle Fotografien sind nicht nur von hervorragender Qualität, sondern auch ein integrierender Teil des in den Texten aufbereiteten wissenschaftlichen Materials. Die gesamte Tagung hat der Klosterforschung wichtige neue Impulse gegeben und darüber hinaus zur Weiterarbeit an der Geschichte dieses Juwels angeregt.
Martina Wehrli-Johns