Rezension über:

Meghan Black: The Global Interior. Mineral Frontiers and American Power, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2018, VI + 348 S., 25 s/w-Abb., 4 Kt., ISBN 978-0-674-98425-7, USD 41,00
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Rezension von:
Clemens Huemerlehner
Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Huemerlehner: Rezension von: Meghan Black: The Global Interior. Mineral Frontiers and American Power, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2018, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 10 [15.10.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/10/34265.html


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Meghan Black: The Global Interior

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Das amerikanische Innenministerium ist nicht nur für die Reservate verantwortlich, es ist auch die entscheidende Behörde für die Ausbeutung von Bodenschätzen. Als mit Debra Haaland im März 2021 erstmals eine indigene Amerikanerin als Innenministerin vereidigt wurde, thematisierte sie gleich in ihrem ersten Interview ein zentrales Problem ihres Ministeriums: "I think a lot of Native Americans have felt powerless [...]. Often, it's been easy to take land away to drill and mine in sacred places" [1].

Die US-amerikanische Historikerin Megan Black hat ein Buch über die Geschichte des Interior geschrieben und dabei eine überraschende und gleichzeitig akribisch recherchierte Studie über das American empire vorgelegt. Basierend auf langjähriger Archivarbeit in den National Archives, dreht sich Blacks Buch im Kern um die Beobachtung, dass die Ressourcenpolitik des Innenministeriums keineswegs eine rein nach innen gerichtete Perspektive hatte, sondern dass es sehr erfolgreich Äußeres zu Innerem umdefinierte und dazu beitrug, ein American empire zu konstruieren.

Black folgt einer Vielzahl von politischen Großprogrammen in der Geschichte des Departments von dessen Gründung 1849 bis in die Reagan-Administration, die Schwerpunkte ihrer Studie liegen jedoch auf den etwa 60 Jahren von 1920 bis 1980 und damit auf der Herausbildung und der Kernphase des sogenannten American Century.

Dabei entwickelt Black im ersten Kapitel zwei Erklärungsansätze, die sich durch die gesamte Studie ziehen. Durch seine Rolle als Verwaltungsorgan der Ressourcen in den USA erhielt das Interior eine herausgestellte Bedeutung beim Vorantreiben der sogenannten frontier gegen die amerikanischen Ureinwohner. Black argumentiert, dass das Ministerium mit dem Ende der Ausdehnung der USA auf dem nordamerikanischen Kontinent seine Rolle auf internationale Kontexte übertrug und dabei zu einem Instrument des amerikanischen imperialism wurde. Verschleiert wurde diese Rolle durch die Betonung des conservation-Gedankens. Unter diesem Schlagwort wurde insbesondere eine strategische und langfristig gestaltete Ausbeutung der Ressourcen konzipiert. Zusammengenommen ergibt sich, dass das Ministerium eine komplexe und oft verdeckte Rolle in der amerikanischen Machtpolitik einnahm.

Die Kapitel zwei bis vier konzentrieren sich auf die Phase, in der die Vereinigten Staaten zu einer dominierenden Weltmacht aufstiegen. Black arbeitet heraus, wie das Innenministerium seit dem Ende des Ersten Weltkriegs die Ressourcenpolitik der USA zu einem imperialen Projekt umformte, das über die amerikanischen Überseeterritorien hinaus Wirkung entfalten konnte. Während der klassische Imperialismus weltweit in Bedrängnis geriet, war für die Politik des Ministeriums entscheidend, dass die Ressourcensicherung in Übersee unter der Betonung von "scientific and technical assistance" (54) geschah und damit eine neue Legitimationsstruktur erhielt.

Das Beispiel Südamerika zeigt, wie sich während des Zweiten Weltkriegs eine als "Good Neighbor policy" (89) bezeichnete Zusammenarbeit etablierte, die nach 1945 zu einem Einfallstor für amerikanische Unternehmen weiterentwickelt wurde. Geologische Missionen, vom Innenministerium entsandt, bereiteten dabei den Abbau von Bodenschätzen durch US-Unternehmen vor. Die Monroe doctrine, so Black, erwies sich also auch nach 1945 als lebendig.

Black zeichnet anschließend nach, wie diese Politik in der Hochphase des Kalten Kriegs im Nahen Osten und Afrika weitergeführt wurde. Um die Ressourcenextraktion im globalen Süden zu rechtfertigen, bediente man sich einer Doppelargumentation. Erstens definierte man die Ressourcen des Planeten als nicht an Nationen gebundene Güter. Zweitens bezeichnete man den Abbau von Rohstoffen in Ländern des globalen Südens als ineffektiv und stellte erfolgreichere Verfahrensweisen in Aussicht. Beide Argumente dienten dazu, die Bedeutung nationaler Grenzen herunterzuspielen und so das Eingreifen US-amerikanischer Akteure zu rechtfertigen.

In den Kapiteln fünf und sechs werden unbewohnte Räume zum Zielort der Bemühungen des Interior. In den 1960ern und 1970ern wurde zunächst das Schelf, also die relativ flachen Gewässer in Küstennähe, zu einer "new frontier" (148) gemacht; darüber hinaus rückte auch der Weltraum in den Fokus. Mit dem Satellitenprojekt Landsat wurde ein Mittel geschaffen, das die geologische Datengewinnung forcierte. Zwei neue Dimensionen lassen sich an diesen Bemühungen ablesen: Erstens schufen die USA mit der Erschließung von zuvor nicht zugeteilten Räumen neue rechtliche Voraussetzungen für die Nutzung dieser Gebiete. Hier zeigte sich der Pioniergeist des 19. Jahrhunderts im neuen Gewand - allerdings unter der argwöhnischen Beobachtung der Weltöffentlichkeit und insbesondere der Sowjetunion. Zweitens wurden Umweltschutzthemen anhand dieser Projekte prominenter diskutiert, so etwa anlässlich einer verheerenden Ölpest vor Kalifornien 1969 (Santa Barbara oil spill). Die Folge war die Gründung der US Environmental Protection Agency und der Verlust von Kompetenzen des Interior im Bereich Umweltschutz.

Das siebte Kapitel kehrt zum Ausgangspunkt der Studie zurück und wechselt die Perspektive. Hier werden die Bemühungen der Ureinwohner Nordamerikas nachverfolgt sowie die in den 1970ern neu entflammte Debatte um Ressourcenabbau. Nach dem Fund von großen Vorkommen an Bodenschätzen in Reservaten wurden Rufe nach einer schnellen Erschließung laut. Diesen Stimmen traten die Native Americans mit dem Council of Energy Resource Tribes entgegen, das sich medienwirksam als "Indian-OPEC" (216) vermarktete und, ähnlich den Ölfördernationen, eine größere Beteiligung an den Gewinnen aus Rohstoffen einforderte. Verschiedene Akteure stimmten zeitgleich in den Chor der Kritiker ein und prangerten wahlweise die mangelhafte Umweltpolitik oder die unökonomische Entwicklung von rohstoffreichen Gebieten an. Mit dem Department of Energy wurde eine weitere Behörde etabliert, die dem Interior Kompetenzen streitig machte. In den 1980er Jahren setzte sich damit die Fragmentierung der institutionellen Macht des Departments fort.

Megan Black ist mit dieser Studie vor allem eine überraschende Interpretation des American empire geglückt. Das Innenministerium, so ihr Argument, war entscheidend an der Herstellung von Hegemonie beteiligt und nutzte dazu Themen, die sich aus der US-amerikanischen Geschichte speisten und immer wieder transformiert wurden. Das ist sehr überzeugend gedacht und formuliert. Der Kürze der Studie, die den Anforderungen des angelsächsischen Wissenschaftsmarkts entspricht, ist geschuldet, dass Details manchmal zu kurz kommen. Gerne würde man etwa noch mehr über die Schnittstellen zwischen den Einzelthemen erfahren. Diese Kritik soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Black ein besonders anregendes Buch gelungen ist, das sich zudem als ein Plädoyer für intensive Archivarbeit lesen lässt.


Anmerkung:

[1] Norah O'Donnell: Interior Secretary Deb Haaland on the emotional moment Joe Biden offered her the job, in: CBS News, 01.04.2021; www.cbsnews.com/news/deb-haaland-interior-department-goals/ [21.07.2021].

Clemens Huemerlehner