Rezension über:

Felicity Hill: Excommunication in Thirteenth Century England. Communities, Politics, and Publicity, Oxford: Oxford University Press 2022, X + 344 S., ISBN 978-0-1988-4036-7, GBP 75,00
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Rezension von:
Katharina Mersch
Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Étienne Doublier
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Mersch: Rezension von: Felicity Hill: Excommunication in Thirteenth Century England. Communities, Politics, and Publicity, Oxford: Oxford University Press 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 1 [15.01.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/01/37043.html


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Felicity Hill: Excommunication in Thirteenth Century England

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Der Kirchenbann wurde in den letzten Jahren intensiver in der Forschung behandelt. Felicity Hills 2022 publizierte Dissertation befasst sich allerdings mit einem für die englische Geschichte wenig beachteten Zeitraum. Der Fokus auf das 13. Jahrhundert und die Fragen danach, was die Exkommunizierten bewegte und wie sich ihr Zustand sozial auswirkte, verbindet die Dissertation mit der von der Rezensentin 2020 publizierten Studie über exkommunizierte Laien. [1] Diese findet keine Beachtung, obwohl sich hier ähnliche Fragen und zahlreiche Parallelen im Material hätten finden lassen. Dass die Exkommunikation primär Angelegenheit der Öffentlichkeit sei, Hills zentrale These (17), hat Heike Johanna Mierau 2002 in einem wegweisenden Aufsatz vertreten. [2] Diesen Titel sucht man vergeblich, obwohl andere deutschsprachige Publikationen im Literaturverzeichnis begegnen.

Hill arbeitet mit edierten bischöflichen sowie den päpstlichen Registern. Außerdem zieht sie öfter Matthew Paris' Werke heran sowie Quellen zum Konflikt um König Johann und zum ersten und zweiten Krieg der Barone. Ausgehend vom oft kritisierten Topos, die Exkommunikation habe durch eine inflationäre Anwendung an Bedeutung verloren, möchte die Autorin herausfinden, wie der etwaige Missbrauch der Zensur wahrgenommen wurde. Implizit geht sie dabei mentalitätsgeschichtlich vor, spricht häufiger über Gefühle und von anthropologischen Konstanten.

Das Buch gliedert sich in drei Abschnitte, deren erster mit "Belief, Fear, and Conscience" betitelt ist. Hill argumentiert gegen die Auffassung, die Exkommunikation sei seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr als Bedrohung für das Seelenheil aufgefasst worden. Das ist richtig, wie die von ihr zusammengetragenen Exempla über das schlimme jenseitige Schicksal von unter dem Kirchenbann Verstorbenen zeigen. Allerdings finden einige Dekrete und Konstitutionen, die im 13. Jahrhundert die Handlungsspielräume von Exkommunizierten und ihrem sozialen Umfeld erweiterten, an dieser Stelle keine Beachtung. Sie hätten geholfen, das Bedrohungsszenario etwas nüchterner zu beschreiben. Anders als die Autorin annimmt (36), ist nämlich nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass Laien die Exkommunikation eher über angsteinflößende Exempla als über das Kirchenrecht kennenlernten, zumal wenn sie sich mithilfe Rechtskundiger gegen einen Bann wehrten. [3] An anderer Stelle verweist Hill selbst darauf, dass den Menschen die Gefahren der Zensur nahegebracht wurden, wenn feierliche Exkommunikationen verkündet wurden (44-50, 57) und Priester Generalsentenzen mit exkommunikationswürdigen Vergehen vortrugen (273-279, 283). Im nächsten Schritt behandelt Hill die Einschränkungen, die der Bann mit sich brachte. Wenn sie dabei und an anderen Stellen (93, 165) behauptet, 'die Kirche' habe Laien nicht erlaubt, die Urteile von Klerikern in Frage zu stellen und zu appellieren, dann übersieht sie, dass man den kirchenrechtlichen Verordnungen zufolge wegen einer drohenden ungerechten Exkommunikation appellieren konnte. [4] Hill zitiert sogar selbst auf den folgenden Seiten und im weiteren Verlauf der Arbeit (zum Beispiel 204, 208f., 249) aus einigen Appellationsschriften aus England sowie indirekt auch aus den allseits bekannten Berufungen Friedrichs II. (202).

Der zweite Hauptteil ("Communities") beschäftigt sich mit der ansteckenden Wirkung der großen Exkommunikation und dem Umgangsverbot. Leider geben die gesichteten Quellenbestände wenig für die Frage her, wie sich Exkommunizierte zu ihrem Ausschluss vom Gottesdienst verhielten. Sie bieten jedoch interessante Anhaltspunkte dafür, wie sich Menschen in der Ausübung ihrer Ämter eingeschränkt sahen. Außerdem werden weitere potenzielle Folgen der excommunicatio maior behandelt. Dazu zählt Hill auch Kreuzzüge, was überrascht, da nicht die Exkommunikation an sich, sondern der Häresievorwurf Kreuzzüge gegen Christen legitimierte. Allerdings handelt es sich bei den im Folgenden (126-135) beschriebenen Plänen für ein gewalttätiges Vorgehen gegen Exkommunizierte scheinbar auch gar nicht um einen Kreuzzug. Im Anschluss vermutet Hill, dass Exkommunikationen oft nicht beachtet wurden, weil der Ausschluss schwierig umzusetzen war und soziale Beziehungen auf lokaler Ebene wichtiger waren als Religion. Was die Quellen aus der Exklusionspraxis darüber verraten, erfährt man leider nicht. Doch die Verfasserin kann herausarbeiten, dass das Umgangsverbot häufiger ignoriert wurde.

Im dritten Abschnitt ("Publicity") beschäftigt sich Hill zuerst mit der Publikation von Exkommunikationssentenzen sowie Versuchen, diese in politisch schwierigen Zeiten zu unterbinden. Sie stellt danach einen Streit zwischen zwei Klerikern um eine Pfründe in Thame (Oxfordshire) ausführlicher dar. "Excommunication was about winning over the people" (252), dies zeige sich hier deutlich, so Hill. Das überzeugt allerdings nicht, da sich die Missetäter in diesem Fall durch Übergriffe auf Kleriker und Kirchengebäude und sogar einen Mord die excommunicatio latae sententiae zugezogen hatten, also automatisch ohne Zutun eines Richters gebannt waren. Gewiss hätten sich Beispiele finden lassen, die mehr über machtpolitische Kalküle von Bischöfen verraten. Zuletzt stellt Hill übersichtlich die Vergehen dar, die im England des 13. Jahrhunderts in Generalsentenzen erfasst wurden und bietet hierzu im Appendix auch Tabellen und Transkriptionen. Interessant sind ihre Ausführungen über die Publikation dieser Sentenzen.

Hill spricht alle im Zusammenhang mit der Exkommunikation relevanten Aspekte kurz an, wie man auch am Register ablesen kann, und wertet hierfür verschiedene Quellen aus. Hierin liegt der Wert des Buchs. Statt thematischer Breite wäre aber an einigen Stellen inhaltlicher Tiefgang zielführender gewesen. So hätte man sich mehr quellenkritische Sensibilität gewünscht, da Quellen zum Kirchenbann im hohen Maße tendenziös und rhetorisch durch das Kirchenrecht geprägt sind. Letzteres wurde über das Jahrhundert hinweg immer wieder angepasst, was sich auch auf die Praxis auswirken müsste. Die Quellen sind im gleichen Maße durch die sozialen und politischen Situationen geformt, in denen ein Bann ausgesprochen wurde. Hierüber hätte man oft gern mehr erfahren, zumal die Wahrnehmung der Exkommunizierten kaum über Exkommunikationssentenzen und Exempla rekonstruiert werden kann.


Anmerkungen:

[1] Katharina Ulrike Mersch: Missachtung, Anerkennung und Kreativität. Exkommunizierte Laien im 13. Jahrhundert, Ostfildern 2020 (Mittelalter-Forschungen 65).

[2] Heike Johanna Mierau: Exkommunikation und Macht der Öffentlichkeit. Gerüchte im Kampf zwischen Friedrich II. und der Kurie, in: Hruza, Karel (Hgg.): Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.-16. Jahrhundert), Wien 2002 (Denkschriften/Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse/Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 6), 47-80.

[3] Mersch: Missachtung, besonders 157-306.

[4] Richard H. Helmholz: The Spirit of Classical Canon Law, Athens, Ga. 1996, 380; Hans-Jürgen Becker: Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Köln / Wien 1988 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 17); Mersch: Missachtung, 187-235.

Katharina Mersch