Rezension über:

Víctor Manuel Lafuente: Die Beziehungen zwischen Argentinien und der DDR 1945-1990. Internationale Akteure im Spannungsfeld des Kalten Krieges, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2022, 594 S., ISBN 978-3-412-52425-8, EUR 80,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Angela Abmeier
Bundesarchiv, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Dierk Hoffmann / Hermann Wentker im Auftrag der Redaktion der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Stellungnahmen zu dieser Rezension:
Empfohlene Zitierweise:
Angela Abmeier: Rezension von: Víctor Manuel Lafuente: Die Beziehungen zwischen Argentinien und der DDR 1945-1990. Internationale Akteure im Spannungsfeld des Kalten Krieges, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 2 [15.02.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/02/36924.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Víctor Manuel Lafuente: Die Beziehungen zwischen Argentinien und der DDR 1945-1990

Textgröße: A A A

Víctor Manuel Lafuente widmet sich in seiner Dissertation den Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien von 1945 bis 1990. In den ersten vier Jahren des Zeitraums nimmt Lafuente verschiedene Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersönlichkeiten in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in den Blick. 1954 gründete die DDR eine Handelsvertretung in Buenos Aires, die jedoch nie eine offizielle Anerkennung durch Argentinien erhielt und 1962 wieder geschlossen werden musste. 1973 nahmen die beiden Staaten offizielle diplomatische Beziehungen auf. Diese bestanden bis zum Untergang des zweiten deutschen Staates.

Lafuente gliedert seine Arbeit in sechs chronologische Abschnitte. Im ersten Kapitel geht er auf die deutsche Einwanderung nach Argentinien sowie die Tätigkeit der deutschen Exilanten während des Zweiten Weltkrieges in dem südamerikanischen Land ein. Danach betrachtet er die ersten Kontakte zwischen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) beziehungsweise der DDR und Argentinien während der beiden Amtszeiten des argentinischen Präsidenten Juan Domingo Perón 1946 bis 1955. In diesen Zeitraum fällt neben der Gründung der DDR auch die erste bilaterale Handelsvereinbarung. Das dritte Kapitel wird vom Sturz der Regierung Perón bis zur Schließung der ersten Handelsvertretung der DDR in Buenos Aires 1962 gespannt. Es folgt das Kapitel, das sich mit der Zeit der geringsten Intensität der Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien befasst: der Jahre von 1962 bis zur Anerkennung der DDR auf internationaler Ebene 1973. Unter der Regierung von Juan Carlos Onganía (1966-1970), die sich als eindeutig antikommunistisch verstand, erreichten die Beziehungen zum gesamten Ostblock ihren Tiefpunkt: Hier war auch die DDR - zumal ohne diplomatische Vertretung - keine Ausnahme. Während dieser Zeit verstärkten sich jedoch die Beziehungen zwischen der Kommunistischen Partei Argentiniens und der SED. Ein fünftes Kapitel behandelt die Zeit von der Aufnahme der bilateralen Beziehungen 1973 bis zum Ende der argentinischen Militärdiktatur 1983. Die DDR war bestrebt, Handelsbeziehungen auf- und auszubauen, was sich aufgrund der wirtschaftlich instabilen Situation Argentiniens als schwierig erwies. Die von den argentinischen Militärs begangenen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur spielten für Ost-Berlin kaum eine Rolle. Das letzte Kapitel nimmt die Zeit von 1983 bis 1990 in den Blick, die Lafuente als "Höhepunkt der Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien" bezeichnet (18). Die lebhafte Interaktion auf politischer Ebene begünstigte Wirtschaftsprojekte, die zum Teil wiederum hohe politische Bedeutung hatten.

Während Ost-Berlin über den gesamten Zeitraum stets an einer Ausweitung der Beziehungen zu Buenos Aires sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht interessiert war, galt dies nicht für die argentinische Seite: Die verschiedenen Akteure am Río de la Plata verfolgten gegenüber dem deutschen Staat keine einheitliche Linie und waren - wenn überhaupt - vor allem an wirtschaftlichem Austausch interessiert. (Geo-)politische Aspekte spielten erst im letzten Jahrzehnt, ab 1982, eine Rolle.

Lafuente wertet Unterlagen aus verschiedenen deutschen und argentinischen Archiven aus. Dabei ist es ihm gelungen, erstmals auch Zugang zu einigen Akten zu erlangen, die noch in der argentinischen Botschaft in Berlin liegen. Archivgut aus dem Bundesarchiv und der Stiftung Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) wurden aufgrund einer "30-jährigen Sperrfrist" größtenteils nur bis 1986 ausgewertet (24). Dies verwundert bei einem 2022 erschienenen Werk - auch weil die grundsätzlich nach Bundesarchivgesetz geltende Schutzfrist von 30 Jahren für die Bestände der DDR im Interesse einer möglichst uneingeschränkten Forschung in der Regel verkürzt wurde und auf Unterlagen der SAPMO nicht angewendet wurde. Hier hätte Lafuente unproblematisch die Akten des gesamten ihn interessierenden Zeitraums bis zum Ende der DDR auswerten können. Gleichwohl ist die Arbeit sehr quellengesättigt und quellennah geschrieben. Teilweise wäre eine etwas stärkere Quellenkritik wünschenswert gewesen. Die Quellennähe - und zum Teil sehr ausführliche Quellenzitate - führen allerdings auch zum oftmals stark deskriptiven Charakter des Werks und dazu, dass mitunter der rote Faden aus dem Blick gerät. Eine Straffung hätte dem Buch gutgetan. Hilfreich wären auch zusammenfassende Abschnitte am Ende der jeweiligen Kapitel gewesen. Dies hätte eine klare Analyse ermöglicht. Trotz dieser Kritik ist die Arbeit aber gut und flüssig zu lesen.

Lafuente stützt die Erkenntnisse der (wenigen) vorliegenden Forschungen zu einzelnen Zeiträumen der bilateralen Beziehungen weitgehend. [1] Das große Verdienst der Arbeit ist, die Beziehungen zwischen DDR und Argentinien über die gesamte Dauer des deutschen Staates beschrieben und analysiert zu haben. Hier wurde eine Forschungslücke geschlossen.

Anmerkungen:

[1] Vgl. Angela Abmeier: Kalte Krieger am Rio de la Plata? Die beiden deutschen Staaten und die argentinische Militärdiktatur (1976-1983), Düsseldorf 2017. Die in einem nur kurzen Beitrag von Musacchio festgehaltenen Erkenntnisse zu den Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien im Zeitraum von 1955 bis 1964 werden hingegen deutlich vertieft, vgl. Andrés Musacchio: La otra Alemania: las relaciones de Argentina con la República Democrática Alemana (1955-1964), in: Iberoamericana 11 (2011) H. 43, S. 79-99.

Angela Abmeier