Marc van Alphen / Jan Hoffenaar / Christiaan van der Spek / Alan Lemmers: Military Power and the Dutch Republic. War, Trade and the Balance of Power in Europe 1648-1813 (= Military History of the Netherlands; Bd. 2), Leiden: Leiden University Press 2021, 549 S., zahlr. Abb., ISBN 978-90-8728-365-0, EUR 89,00
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Alexander Schmidt: Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im Alten Reich (1555-1648), Leiden / Boston: Brill 2007
Robert Rebitsch: Die Englisch-Niederländischen Seekriege, Wien: Böhlau 2014
Femke Deen / David Onnekink / Michel Reinders (eds.): Pamphlets and Politics in the Dutch Republic, Leiden / Boston: Brill 2011
Die Niederlande gelten in Gegenwart und Erinnerung nicht als eine bedeutende europäische Militärmacht. Diese Wahrnehmung täuscht allerdings, denn in der Frühmoderne haben sich niederländische Streitkräfte seit der Staatsbildung im Zuge des Aufstands gegen Spanien vielfach militärisch betätigt bzw. betätigen müssen. Von der Entstehung der niederländischen Militärmacht und ihrer Behauptung handelt der vorliegende Band, dessen Kapitel von den vier Herausgebern verfasst worden sind. Es ist ein Handbuch geworden, klein gedruckt und zweispaltig gesetzt und dennoch mehr als 500 Seiten stark. Im Original erschien das Buch 2019 in niederländischer Sprache unter dem Titel "Krijgsmacht en Handelsgeest. Om het machtsevenwicht in Europa, 1648-1813". Tragende Institution ist das Netherlands Institute of Military History.
Die Herausgeber stellen fest, dass die Geschichte der Niederlande in der Frühneuzeit gut erforscht ist, das gilt für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Perspektive. Auf der Basis dieses Forschungsstands wollen sie die Militärgeschichte darstellen, um dabei die Bezüge zu den anderen historiographischen Kategorien zu verdeutlichen. Viel Geld und viele Kulturhervorbringungen schützen einen Staat nicht im Fall einer militärischen Herausforderung, das bleibt der Wehrhaftigkeit vorbehalten. Für die Niederlande bestand ein zentrales Problem, die Land- und Seestreitkräfte zu koordinieren. Die wichtigsten Rivalen - Großbritannien, Frankreich und Dänemark - hatten je ein Schwergewicht auf einer der beiden Teilstreitkräfte, die Vereinigten Niederlande mussten beide gleichermaßen auf hohem Niveau halten.
Das Buch besteht aus zwei Hauptteilen zu je vier Kapiteln. Zunächst geht es um den politisch-militärischen Zusammenhang in seiner internationalen, politischen, wirtschaftlichen und teilweise sozialen Entwicklung. Alle Kriege, an denen die Republik beteiligt war, kommen vor, ebenso die politischen und militärischen Protagonisten der niederländischen Staatsführung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Zielen der Operationen, auf dem Einsatz der militärischen Macht und der Frage, inwieweit diese Ziele erreicht oder verfehlt wurden. Nach 1648 richtet sich der Blick erst einmal auf die See (1648-1689). Es folgt die Reaktion auf territoriale Bedrohungen (1689-1748). Nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg wurde die Republik eine zweitklassige Macht genannt (1748-1795). Der letzte Abschnitt behandelt die Zeit der französischen Fremdherrschaft (1795-1813). In diesem Hauptteil werden die einzelnen militärischen Zusammenstöße vor allem mit Großbritannien und Frankreich behandelt, am Schluss die Ausübung geringer Handlungsoptionen unter dem französischen Dominat, als die niederländischen Provinzen und späteren Départements vor allem als Lieferanten von Soldaten und als Steuerquellen dienten.
Der zweite Hauptteil geht auf Organisation und Strukturen der Streitkräfte ein. Die Kapitel heißen "Organisation and Finances", "Military Action", Soldiers and Sailors" und "Civilians and the Military". In Kapitel 5 steht die Ausweitung und Schrumpfung der militärischen Kapazitäten hinsichtlich der Entwicklung von Führung, Organisation und Finanzierung sowie die Personalpolitik und die Verfügbarkeit von Personal im Vordergrund. Kapitel 6 untersucht, wie die Streitkräfte operierten unter Berücksichtigung von Aspekten wie Taktik, Material, Führung und Fachwissen; auch kommen hier Festungsbau und Flussbefestigungen vor. In den beiden abschließenden Kapiteln wollen die Herausgeber vor allem der Sozialgeschichte der Soldaten und Seeleute ein eigenes Gewicht geben, daneben die Beziehungen zwischen Militärs und Zivilbevölkerung beleuchten.
Der Band ist prachtvoll gestaltet und enthält neben den Texten zahlreiche farbige, teils ganzseitige Abbildungen und Karten zur Illustration der Forschungsergebnisse. Nur kleine Unrichtigkeiten sind anzumerken, etwa die Kalenderreform von 1582, die von Gregor XIII. und nicht Gregor III. angestoßen wurde (9), oder das Kaisertum Josefs II., der nicht seiner Mutter, sondern seinem Vater 1765 im höchsten Reichsamt nachfolgte (133). Dessen ungeachtet ist es ein Standardwerk geworden, auf das die Forschung lange zurückgreifen wird. Besonders gibt es den Interessenten, die nicht der niederländischen Sprache mächtig sind, Einblicke in die niederländische Quellenlage, auch dafür hat sich die Übersetzung in die lingua franca der Gegenwart gelohnt. Die Fußnoten stehen als Endnoten hinter dem Textblock, es folgt eine ausführliche Bibliographie und ein integriertes Personen-, Orts- und Sachregister. Mehr kann man bei einem Handbuch kaum erwarten.
Johannes Arndt