Markus Krzoska / Paweł Zajas: Kontinuität und Umbruch. Deutsch-polnische Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg (= WBG Deutsch-Polnische Geschichte; Bd. 5), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2021, 269 S., ISBN 978-3-534-24766-0, EUR 39,95
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Dieses Buch ist der chronologisch letzte Band der fünfteiligen Reihe Deutsch-Polnische Geschichte, die seit 2012 vom Deutschen-Polen Institut in Darmstadt herausgegeben worden ist und sich zum Ziel gesetzt hat, keine rein zwischenstaatliche Beziehungsgeschichte, sondern eine vielfältige Verflechtungsgeschichte zu präsentieren. Der hier vorliegende Band wurde - wie stets in dieser Reihe - von einem deutsch-polnischen Autorenduo, dem Historiker Markus Krzoska und dem Literaturwissenschaftler Paweł Zajas, verfasst und konzentriert sich auf gesellschaftliche und kulturelle Begegnungen, insbesondere im Bereich der Literatur und Kunst, sowie auf das kollektive Gedächtnis.
In der Einleitung charakterisieren die Verfasser ihre Arbeit als "pädagogisch" (7). Sie verfolge das Ziel, die eher alltäglichen und positiven Elemente der deutsch-polnischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorzuheben. Anstatt sich auf Konflikte und Tragödien zu konzentrieren, wie es laut der Autoren in der aktuellen polnischen Erinnerungspolitik geschehe, präsentieren sie eine Vision, in der die deutschen und die polnischen Gesellschaften in historische Umstände verwickelt gewesen seien und auf Faktoren hätten reagieren müssen, die sie nicht selbst verursacht hatten. Angesichts des methodisch geschickten und sprachlich behutsamen Vorgehens frage ich mich, ob diese "pädagogische" Leitlinie, die in bester Absicht und mit Verweis auf den Historiker Hayden White benutzt wird, hier glücklich gewählt ist. Wer soll wen erziehen und worüber? Welche Art von Geschichte soll das Ergebnis dieses pädagogischen Prozesses sein?
In einigen Passagen lassen die Autoren ihre Skepsis gegenüber den bestehenden, auf "Versöhnung" oder "Aussöhnung" zwischen den beiden Ländern fokussierten Narrativen erkennen. Sie beobachten die jüngste Karriere "manch paternalistischer, teilweise auch kolonialisierender Argumente, zum Beispiel in den Diskussionen zur Gefährdung der Demokratie in Polen" (159). Gleichzeitig neigen sie dazu, die Ursachen der polnisch-deutschen Missverständnisse vor allem in unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen und mangelndem Dialog zu sehen. Auch scheinen sie die kommunistische Propaganda und allgemein die Zeit des Kalten Krieges in der polnischen Haltung gegenüber Deutschland zu überschätzen. Das führt dazu, dass Interessen (zum Beispiel, juristische und materielle Konsequenzen des Zweiten Weltkriegs) und strukturelle Unterschiede (das Ungleichgewicht der wirtschaftlichen Potenziale) sowie die längere Geschichte jenseits des 20. Jahrhunderts unterschätzt werden. Dieses Buch bewegt sich deshalb zwischen der Suche nach neuen Erzählungsmustern und althergebrachten Argumenten, die auf Kultur oder dem ungünstigen Einfluss der politischen Rhetorik auf die deutsch-polnischen Beziehungen basieren. Es verbindet - zwischen diesen zwei Tendenzen verortet - einen historischen Überblick mit neuen Einsichten und Interpretationen.
In dem Kapitel über die DDR versuchen die Verfasser zu argumentieren, dass für "zahlreiche" ostdeutsche Studenten die Erfahrungen im Polen der 1970er Jahren prägend gewesen seien und möglicherweise Auswirkungen bis in die heutige Zeit hinein hätten (52). Beispiele werden jedoch nicht genannt (mit Ausnahme solch bekannter Dissidenten wie Wolfgang Templin oder Ludwig Mehlhorn). Solches Phänomen existierte wahrscheinlich, ist aber unvergleichbar mit offizieller und gesellschaftlich verbreiteter Sympathie zu der Sowjetunion, bzw. Russland, die bis heute kulturelle und politische Instinkte im Osten Deutschlands beeinflusst. Auch der Vorbildcharakter Polens beim Aufstieg der Dissidenz in der DDR wird überbetont. Die Aktivitäten waren ihrer Form nach wohl ähnlich, aber die Ansichten und politischen Programme waren sehr unterschiedlich, was besonders im Zuge der politischen Wende 1989 sichtbar wurde.
Die Autoren stellen fest, dass Westdeutschland ab den 1970er Jahren zu einem der wichtigsten Kreditgeber des staatssozialistischen Polens wurde, verkennen aber die Folgen dieser Entwicklung für das Land. Die finanzielle Abhängigkeit schränkte Polens Handlungsspielraum ein. Auf westdeutscher Seite wurden Kredite und humanitäre Hilfe, finanzielle und moralische Leistungen miteinander verwoben. Helmut Kohl vermischte, zum Beispiel, in den Verhandlungen mit Tadeusz Mazowiecki um 1990 diese beiden Sphären sehr gekonnt. Die Autoren tragen nicht dazu bei, dieses Rätsel zu entwirren, da sie nicht erklären, was genau "Kredit", "Hilfeleistung" oder "humanitäre Hilfe" jeweils bedeuteten und gewesen sind.
Das Buch zeigt seine Stärken, wenn es von der teleologischen optimistischen Geschichte einer allmählichen deutsch-polnischen Aussöhnung abweicht. Nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags 1970 führte die kompromissbereite Haltung gegenüber Westdeutschland nicht zu einer Veränderung in den bilateralen Beziehungen. "Die polnischen offiziellen Anstrengungen, als eigenständiger und gleichberechtigter Akteur wahrgenommen zu werden, fielen kaum auf fruchtbaren Boden" (115), so die Autoren.
Die Frage der deutsch-polnischen Grenze wird aus der Perspektive der Kultur diskutiert und als ein Überrest der kommunistischen Vergangenheit gesehen, das von Akteuren in beiden Ländern missbraucht worden sei: auf polnischer Seite durch Władysław Gomułka und die antideutsche Propaganda (148), auf westdeutscher Seite durch den Einfluss der Vertriebenenverbände (gerade auch hinsichtlich ihrer Wählerstimmen), wobei die Autoren sich schwer damit tun, deren tatsächliches politisches Gewicht einzuschätzen (134). Dass die polnische Westgrenze 1970 in einem bilateralen Vertrag und nicht nur in einem sowjetisch-westdeutschen Abkommen anerkannt wurde, war meines Erachtens ein wesentlicher Unterschied, der die polnische Souveränität stärkte (107). Die unklare Haltung zur Anerkennung der Nachkriegsgrenzen in der deutschen Rechtsprechung hatte auch Auswirkungen auf die Frage der Staatsangehörigkeit. Die Autoren tendieren dazu, die Deutschlandpolitik der Volksrepublik Polen mit sowjetischem Druck und ideologischen Vorgaben zu erklären. Dies spielte gewiss eine Rolle. Propagandistische Attacken wurden im Vokabular der damaligen Zeit formuliert, waren aber ein Mittel zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele (wie zum Beispiel der Anerkennung der Grenze oder der Festigung der deutschen Teilung) und somit Teil der Staatsräson. Man kann nur spekulieren, ob sich ein nicht-kommunistisches polnisches Regime nach 1945 anders oder ähnlich verhalten hätte.
In mehreren Abschnitten wird die westdeutsche Wahrnehmung der Entwicklungen in Polen, insbesondere der Krisen in der Volksrepublik, dargestellt. Warum finden sich keine analogen Passagen über die polnischen Reaktionen auf westdeutsche Ereignisse? Geeignete Quellen aus der Zeit des Staatssozialismus für eine solche Perspektive liegen vor: Bücher, journalistische Berichte und Meinungsumfragen, weit davon entfernt, als staatlich gelenkte Propaganda eingestuft werden zu müssen. Die Analyse der Präsenz polnischer Kultur, insbesondere Literatur, in beiden deutschen Staaten (wie auch der umgekehrte Fall) ist faszinierend, aber es fehlen Schlussfolgerungen, wie genau dieser kulturelle Austausch die gegenseitigen Wahrnehmungen und Beziehungen beeinflusst hat.
An den abschließenden Kapiteln schätze ich besonders den Fokus auf die Kontinuitäten in den deutsch-polnischen Beziehungen, auch auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene, und die realistische Einschätzung der gegenwärtigen Lage. Die Polen wanderten zunächst in die DDR und nach Westdeutschland und später in das vereinigte Deutschland als Arbeitskräfte ein: als Arbeiter in der Industrie, Erntehelfer, Reinigungs- und Pflegepersonal. "Die Wahrnehmung Polens veränderte sich allmählich von den schlecht gekleideten Bauarbeitern und Autodieben hin zu fleißigen Arbeitskräften, um gegen Ende der 2010er-Jahre sich in die Richtung 'Demokratiefeinde' zu entwickeln" (142), konstatieren die Autoren.
Trotz dieser Bemerkungen liegt eine sehr gelungene Synthese vor, die nicht an der sicheren Oberfläche der staatlichen Kontakte verbleibt, sondern neue Fragen stellt und bestehende Erzählungen revidiert. Der implizit vertretene Anspruch, ein neues Narrativmuster zu etablieren, wird von den Verfassern allerdings nicht in Gänze umgesetzt - immer wieder greifen sie auf kulturalistische oder politikzentrierte Argumente zurück. Das Buch eignet sich aber zweifellos sehr gut als Überblick für Studierende, die sich für das Thema interessieren, da es die Politik- und Demokratiegeschichte um fundierte Reflexionen über menschliche und künstlerische Kontakte ergänzt.
Jakub Szumski