André Uzulis: Der vergebliche Krieg - 20 Jahre Bundeswehr in Afghanistan. Geschichte und Bilanz, Berlin: Carola Hartmann Miles-Verlag 2024, 180 S., 26 Farb-Abb., ISBN 978-3-9677-6038-5, EUR 24,80
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Der vorliegende schmale Band des Journalisten und Historikers André Uzulis, Oberstleutnant der Reserve der Bundeswehr, annonciert sich als der erste Gesamtüberblick über den 2021 unrühmlich zu Ende gegangenen Afghanistaneinsatz der Bundeswehr. An wissenschaftlichen Analysen dieser bedeutendsten deutschen Auslandsmission gibt es jedoch keinen Mangel, insbesondere auch von politikwissenschaftlicher Seite und in der Form von Analysen aus außenpolitischen Think-Tanks. Vor allem die parlamentarischen Debatten sowie die Folgen des Kriegs für Afghanistan sowie die heimkehrenden Bundeswehrangehörigen standen dabei im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Auch die Aufarbeitung der gescheiterten Mission hat längst begonnen, insbesondere in Form des umfangreichen ersten Zwischenberichts der Enquetekommission des Deutschen Bundestags. [1] Insofern präsentiert der mit farbigen Abbildungen und langen Anhängen ergänzte Band (unter anderem eine namentliche Auflistung der 59 Soldaten, die der Einsatz das Leben kostete), weniger eine neue wissenschaftliche Perspektive auf die Ursprünge, den Verlauf und die Folgen dieses Einsatzes, sondern vielmehr eine Einführung in den Konflikt für allgemein Interessierte.
Folgerichtig setzt die Darstellung mit einem knappen Überblick über die Geschichte Afghanistans bis zum 11. September ein, und schildert dann chronologisch den Ablauf des deutschen Einsatzes. Dabei verdeutlicht der Autor die durchaus gewichtige Rolle Deutschlands bei der Ausweitung der Zielsetzung von einer Anti-Terror-Operation hin zu einer State-Building-Mission. Bei dieser Initiative ging es auch ganz wesentlich um die Positionierung Deutschlands als globale Verantwortungsmacht. Sie brachte es mit sich, dass Deutschland bei der territorialen Ausweitung des "Staatsaufbauprojekts" (36) eine führende Rolle anstrebte und auch bekam. Deutlich macht der Autor dabei immer wieder, wie realitätsfern gerade die deutschen (und insgesamt die westlichen) Strategien von Beginn an waren, insbesondere als mit der Einrichtung von sogenannten Provincial Reconstruction Teams (PRT) endgültig der Schritt zum Versuch, ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen, getätigt wurde und die Stationierung westlicher Einheiten in der Fläche mit sich brachte. Deutschland übernahm dabei die Verantwortung für den vermeintlich sicheren nördlichen Sektor um Kunduz und Mazar-i-Sharif.
Die sich immer weiter verschlechternde Sicherheitslage und viele unsinnige bürokratische Regeln führten dazu, dass alle oft gutgemeinten Bemühungen von Seiten der deutschen Einsatzkräfte völlig ineffektiv blieben. Konzise zeichnet das Buch die einzelnen Etappen und Tiefpunkte des Einsatzes, wie den Tanklasterangriff von Kunduz 2009 oder das Karfreitagsgefecht 2010 nach, bis hin zum unrühmlichen Ende der Intervention im August 2021. Dabei wird immer wieder jene Diskrepanz zwischen unrealistischen politischen Vorgaben und den Leistungen der vor Ort eingesetzten Bundeswehrangehörigen aufgezeigt, die von Beginn an ein nahezu unverzichtbarer Topos von Darstellungen des Einsatzes war. So erscheint es dem Autor letztlich unvermeidlich, dass das Land nach 2021 "wieder in die archaische Umnachtung, aus der es kam" (112), zurückfiel.
Insgesamt bietet das Buch eine konzise und gut lesbare Beschreibung der Genese und Mängel des Einsatzes in Afghanistan. Wissenschaftliches Neuland wird zwar nicht betreten, auch die wissenschaftliche Literatur wird nur relativ selektiv herangezogen, wer sich aber schnell, gut lesbar und präzise über die Grundzüge und Probleme des größten und verlustreichsten deutschen Auslandseinsatzes informieren will, wird mit Gewinn zu diesem Band greifen.
Anmerkung:
[1] Deutscher Bundestag, Zwischenbericht der Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan, 19.2.2024; [https://dserver.bundestag.de/btd/20/104/2010400.pdf].
Hubert Zimmermann