Rezension über:

Stefan Weisshampel: Bilingualer Geschichtsunterricht. Methoden und Perspektiven (= Methoden Historischen Lernens), Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2024, 176 S., ISBN 978-3-7344-1503-6, EUR 18,90
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Rezension von:
Corinna Link
Institut für Geschichte, Technische Universität, Dresden
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Corinna Link: Rezension von: Stefan Weisshampel: Bilingualer Geschichtsunterricht. Methoden und Perspektiven, Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 3 [15.03.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/03/39482.html


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Stefan Weisshampel: Bilingualer Geschichtsunterricht

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Stefan Weißhampel, Fachausbildungsleiter für das Fach Geschichte in Halle, widmet sich in seinem Werk dem Ziel, Eckpfeiler für einen bilingualen Geschichtsunterricht zu bestimmen, der fachdidaktische Standards erfüllen soll. Auf 174 Seiten verbindet er theoretische Reflexionen mit praxisnahen Anregungen und zeigt, wie sich fach- und sprachdidaktische Aspekte gegenseitig beeinflussen. Dabei schöpft er aus 15 Jahren Unterrichtserfahrung, die er stellenweise anschaulich einfließen lässt. Doch stellt sein Buch alles andere dar als eine rein anekdotische Tipps- und Trickssammlung. Vielmehr bietet es einen fundierten Einblick in wesentliche Aspekte der spezifischen bilingualen Unterrichtsform im Fach Geschichte.

Wie in der Reihe "Methoden des historischen Lernens" üblich, gliedert sich das Werk in einen ersten theoretischen und einen zweiten unterrichtspraktischen Teil. Zuerst kontextualisiert Weißhampel die bilinguale Unterrichtsform historisch (Woher kommt sie?) und (schul)politisch (Was soll sie leisten und in welcher Form tritt sie auf?), um dann auf inhaltlicher Ebene einschlägige Überlegungen aus der Geschichts- und der Fremdsprachendidaktik einzubeziehen, zu gewichten und auf der so gewichteten Grundlage zu integrieren. Dabei priorisiert er in der Regel historische Ziele. Das ist selten, entspricht aktuellen Trends und ist aus geschichtsdidaktischer Warte ganz besonders zu begrüßen.

Der klassischen historischen Kontextualisierung dieser besonderen Unterrichtsform fügt er als zusätzliche Reflexionsschleife den Verweis auf den früheren Gebrauch von Latein und Arabisch als Instruktions-/Immersionssprache sowie auf die Rolle des Englischen als Kolonialsprache hinzu. Interessant ist seine Beobachtung, dass entsprechende historische Vergleiche heute nicht (mehr) hierauf gerichtet werden, sondern dass in der Regel der Elysée-Vertrag als Traditionspunkt dient (13).

Besonders hervorzuheben ist sein konzeptionelles Modell "zur Anreicherung des bilingualen Geschichtsunterrichts". (26) Ausgehend von Wolfgang Hallets dominierendem bilingual triangle entwickelt er die Vorstellung von "kulturellen Fachdidaktiken", die es im bilingualen Unterricht zu erschließen gelte (27f.). [1] Durch diese Akzentuierung setzt er gegenüber Hallets triangle neue, weiterführende Impulse. Damit bietet sein Buch mehr als eine "Methodik": Es regt zur Methodenreflexion an und erläutert, wie diese durch das bilinguale Prinzip initiiert und konkretisiert wird. Auf die sprachlich-kulturell gefasste Vielfalt fachdidaktischer Kulturen, die diese spezifische Methodenreflexion veranlassen könne, verweist der Autor nicht nur theoretisch, sondern er untermauert sie mit Beispielen aus Spanien, Frankreich, Kanada, den USA und dem Vereinigten Königreich (28-32). Diese Einblicke sind inspirierend, fokussieren jedoch weniger darauf, wie Geschichtswissenschaft oder -didaktik jeweils anders betrieben wird. Vielmehr schildert Weißhampel eher inhaltlich orientiert die verschiedenen als vorherrschend empfundenen Forschungsinteressen. Natürlich können sich diese aus unterschiedlichen Zugängen herausgeschält haben. Auch können sie unterschiedliche Zugänge nach sich ziehen. Einen Schlüssel zu methodischen Reflexionen jedoch bietet dieses ganz auf Inhalte gerichtete Referat noch nicht. Dennoch liefert der Ansatz wertvolle Impulse für die disziplinäre Weiterarbeit.

Ein besonderer Wert des Buches liegt darin, dass es sowohl fachdidaktische Kernelemente in den bilingualen Unterricht integriert (Kap. 6: Geschichtskultur) als auch - anders herum - spezifische Aspekte für den regulären Unterricht aus dem bilingualen ableitet (Kap. 4: Sprachsensibilität/Scaffolding). Damit verbindet der Autor das seit einigen Jahren verstärkt sichtbare geschichtsdidaktische Interesse an sprachsensiblem Geschichtsunterricht plausibel mit Spezifika des bilingualen Prinzips.

In diesem Zusammenhang geht Weißhampel - wie allgemein üblich - auch auf den Spracheinsatz im bilingualen Geschichtsunterricht ein (allein Englisch oder - zweisprachig - Deutsch und Englisch?). Wie die meisten Autor:innen entscheidet er sich mit Blick auf einen flüssigen Unterrichtsverlauf für einen gelegentlichen Einsatz der Schulsprache (nach B. Diehr Typ B). [2] Bezogen auf das Fach Geschichte scheint der wesentliche Grund für die Forderung nach Zweisprachigkeit jedoch zu sein, dass in dieser zweiten Sprache eine eigene Geschichte steckt (nach B. Diehr Typ C). Diese (vergleichend) erschließen zu können ist das große Versprechen der bilingualen Unterrichtsform im Fach Geschichte. Grundsätzlich betont auch Weißhampel diesen Punkt, weicht aber hier (wie auch im folgenden Materialteil) wiederholt davon ab.

Den Theorieteil abschließend definiert der Autor fünf Säulen eines guten, historisch ausgerichteten, bilingualen Geschichtsunterrichts. Auch wenn sie in theoretischer Hinsicht möglicherweise nicht alle auf ein und derselben Ebene stehen, sind sie für die praktische Orientierung, als Handreichung zu "Eckpfeilern" für einen konkret durchzuführenden Unterricht, gut geeignet (65).

Im zweiten Teil stellt Weißhampel konkrete Unterrichtsmaterialien vor (70ff.). Ein Anliegen ist es ihm dabei, Materialien und Methoden zu präsentieren, die ein bilinguales Unterrichten der im Lehrplan gesetzten Regionalgeschichte ermöglichen ohne allzu gekünstelt zu erscheinen. Das setzt er kreativ und überzeugend um, indem er geschichtskulturelle Repräsentationen zur Grundlage für die Untersuchung der jeweils betrachteten historischen Gegenstände macht. So werden hier nicht - wie sonst durchaus üblich - Fake-Übersetzungen zur Grundlage eines fremdsprachlich stattfindenden Unterrichts gemacht; Übersetzungen also, die für den bilingualen Unterricht aus dem Deutschen für ein mehrheitlich deutschsprachiges Schülerpublikum ins Englische vorgenommen wurden. Vielmehr kann Weißhampel durch diesen geschichtskulturellen Kunstgriff aktuelle englischsprachige und in diesem sprachlichen Sinne authentische Materialien zur Grundlage für einen zweisprachigen Unterricht machen - sei es im Rahmen von Denkmalsdebatten zum Thema Imperialismus, sei es in Hinsicht auf die Analyse medialer Repräsentationen im Let's Play Video zum Thema "Sturm auf die Bastille".

In theoretischer Hinsicht anregend sind die "Performanzraster", die Weißhampel entwickelt, indem er fachliche Paradigmen (z.B. Narrativität) für die schulische Benotungspraxis operationalisiert (153-159). Deutlich zeigt sich hier der Bedarf, zentrale theoretische Modelle (z.B. Sinnbildung und Triftigkeiten) in praktisch anwendbare Instrumente zu übersetzen.

Insgesamt legt Weißhampel eine informative Handreichung vor, die nicht nur eine konzise Einführung ins Feld bietet, sondern auch einige konzeptionelle Impulse setzt. Empirische Forschung wird zwar kaum rezipiert, das aber ist auch nicht der Anspruch des Werks, das - wie im Untertitel versprochen - "Methoden und Perspektiven" für das bilinguale Prinzip im Geschichtsunterricht beleuchtet und eröffnet. Die Lektüre eignet sich daher für bilingual unterrichtende Lehrkräfte und Fachausbildungsleiter:innen ebenso wie für Dozierende und Studierende, die sich einen gut strukturierten Zugang zum Feld etwa im Seminarkontext erhoffen.


Anmerkungen:

[1] Wolfgang Hallet: The Bilingual Triangle. Überlegungen zu einer Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts, in: Praxis des Neusprachlichen Unterrichts 45, (1998), H. 2, 115-125, hier 119.

[2] Bärbel Diehr: What's in a name? Terminologische, typologische und programmatische Überlegungen zum Verhältnis von Sprachen im Bilingualen Unterricht, in: Bilingualen Unterricht weiterdenken. Programme, Positionen, Perspektiven, hgg. von Bärbel Diehr / Lars Schmelter, Frankfurt am Main 2012, 17-36.

Corinna Link