Andrew N. Buchanan: From World War to Postwar. Revolution, Cold War, Decolonization, and the Rise of American Hegemony, 1943-1958 (= New Approaches to International History), London: Bloomsbury 2024, XV + 269 S., ISBN 978-1-3502-4020-9, GBP 21,99
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Der von Donald Trump seit Beginn seiner zweiten Amtszeit praktizierte Bündnisbrutalismus eröffnet ein neues Kapitel in den transatlantischen Beziehungen. Hatten sich die europäischen Alliierten der Vereinigten Staaten bislang auf deren nukleare Garantien im Rahmen eines von US-Interessen geprägten Systems kollektiver Sicherheit verlassen können, so bedeuten Trumps Annäherung an den Kreml und seine ebenso protektionistische wie erratische Handelspolitik einen disruptiven Schlag für jahrzehntealte Gewissheiten. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass westliche Kritiker der amerikanischen Hegemonie, die für eine regelbasierte, wertegeleitete Multipolarität plädierten, diese nun ohne jegliche wohlmeinenden Attribute bekommen könnten. Oder um eine Formulierung Andrew N. Buchanans zu zitieren: Anfang 2025 ist die Welt in eine "fluid period of contingency, movement, and opportunity" (2) eingetreten.
Buchanan wendet diesen Dreiklang auf die Jahre bis 1958 an. Er definiert diesen historischen Abschnitt als die Epoche, in der es den USA einerseits gelang, die Tür zum so genannten amerikanischen Jahrhundert aufzustoßen und dank einer kriegsbedingt massiven Ausweitung ihrer Produktionskapazitäten die "physical infrastructure of a coming world order" (16) zu erschaffen. Andererseits arbeitet Buchanan die Grenzen amerikanischer Hegemonie heraus und möchte die aus seiner Perspektive künstlich anmutende, aber historiographisch zementiert erscheinende Trennung zwischen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte überwinden. Er bemüht Robert Seeleys Bonmot von jenem "Akt der Geistesabwesenheit", in dem angeblich Großbritannien sein Empire erworben habe, und projiziert es auf die Translatio Imperii, in deren Verlauf das finanziell ausgelaugte Königreich nach 1945 allmählich den Staffelstab an "their powerful but naive ally" (22) übergeben habe. Mit Anklängen an Immanuel Wallersteins Weltsystemtheorie deutet Buchanan den amerikanischen Expansionismus nicht zuletzt als die Durchsetzung des Kapitalismus im globalen Maßstab, die für US-Unternehmen ihre "wartime profits bonanza" (26) nahtlos in die Nachkriegszeit verlängerte. Begleitet wurde diese ökonomische Durchdringung der hegemonial erschlossenen Räume von einer "uplifting vision of disinterested benevolence" (30), die sich in den Bretton-Woods-Institutionen ebenso manifestierte wie in den von Hollywoodstudios popularisierten Weltbildern und Konsumgewohnheiten.
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs waltete eine "privileged bureaucratic elite" (40), die den alten russischen Chauvinismus in ein neues Gewand kleidete. Im Sinne der Revisionisten attestiert Buchanan dem Kreml im frühen Kalten Krieg eine insgesamt defensive Strategie, die im Umgang mit Finnland "in many ways Moscow's ideal solution" (49) gefunden habe. Ökonomisch sei der staatliche Dirigismus frühzeitig in ein "historic dead end" (58) gemündet, während sich das sicherheitspolitische Glacis der sowjetischen Zwangsverbündeten in Europa bereits ab 1953 als "fractious borderland" (61) entpuppte.
In Ostasien galt das von einem blutigen Bürgerkrieg und einer menschenverachtenden Besatzungspraxis geschundene China als "great prize of the Pacific War" (73), den die USA jedoch verpassten, da die Kommunisten unter Mao Zedong - zur Überraschung Stalins - die Truppen der Kuomintang nicht zuletzt dank umfassender Sozialreformen aus dem Feld schlugen. Buchanan beschreibt eindrücklich die Bemühungen der europäischen Kolonialmächte, unter Inkaufnahme von "episodes of shocking violence" (99) ihre Besitzungen in Fernost zurückzuerobern. Das weckte in Washington gemischte Gefühle, da es einerseits das "ideological packaging" (103) seiner europäischen Alliierten beim Wort nahm und den von diesen mit hehren Versprechungen eingeleiteten Prozess der Dekolonisation begrüßte. Andererseits stützten sich die Vereinigten Staaten auf die "US-British global dyarchy" (251), die ihnen nach 1945 die globalen Erfahrungen und Netzwerke des in einem relativen Niedergang begriffenen Vereinigten Königsreichs erschloss. Buchanan resümiert folgerichtig, dass es "no simple teleological path from colony to nation-state" (107) gegeben habe. Das lasse sich auch daran ablesen, dass blockfreie Staaten wie Indien, die nach außen Solidarität gegen die alten Kolonialmächte propagierten, nach innen ein straffes Regiment gegen nationale oder religiöse Minderheiten führten.
Am Beispiel Italiens veranschaulicht Buchanan, wie die von Moskau diktierte Zurückhaltung des Partito Comunista Italiano die Etablierung eines stabilen, kapitalistischen Nationalstaats ermöglichte, der politisch von einem "solid but uninspiring centrism" (134) geprägt wurde - auch dies eine europäische Gewissheit, die sich unter dem Einfluss populistischer Kräfte in den vergangenen zehn Jahren verflüchtigte. Unterdessen trieb Amerika die wirtschaftliche Integration Europas voran, die heute von Trump als ein gegen US-Interessen gerichtetes Projekt denunziert wird. Eher nach seinem Geschmack dürfte die neokoloniale Öldiplomatie der Vereinigten Staaten im Iran und in Saudi-Arabien gewesen sein, die strategische mit geschäftlichen Vorteilen zu verquicken suchte. Außerdem sah Washington geflissentlich darüber hinweg, wie das verlässlich antikommunistische Apartheidregime Südafrika zu einer "junior imperialist power in its own right" (187) avancierte.
Getreu der Monroe-Doktrin beobachtete Washington mit Argusaugen tatsächliche oder vermeintliche Einmischungen anderer Mächte in Lateinamerika. Buchanan hebt die sozialen Folgen einer raschen Urbanisierung, der kriegsbedingt gedeckelten Löhne sowie einer massiven Inflation hervor. Bereits ab 1946 befanden sich indes demokratische Bewegungen auf dem Rückzug - eine Entwicklung, die 1954 in dem von der CIA orchestrierten Sturz des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Árbenz Guzmán kulminierte, der nicht zuletzt für US-Konzerne zu einem Ärgernis geworden war. Die von Rohstoff- und Lebensmittelexporten abhängigen Volkswirtschaften im sogenannten Hinterhof der USA gerieten nun in "permanent cycles of debt and underdevelopment" (214). Auch in Amerika erhöhte sich bereits vor den McCarthy-Jahren der Druck auf linke Gruppierungen und insbesondere auf Gewerkschaften, deren Spielraum durch den Taft-Hartley Act von 1947 merklich beschnitten wurde. Gleichzeitig verbreiteten die USA unter dem Signum der Modernisierungstheorie die Botschaft vom Wirtschaftswachstum als "self-evident measure of human progress" (237) erfolgreich in der Welt, während die Sowjetunion der durch attraktive Softpowerangebote unterfütterten ökonomisch-technologischen Potenz der USA nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen hatte.
Buchanan verdichtet die weltgeschichtlichen Ereignisse zwischen 1943 und 1958 zu einer Lesart, die zwar keine grundlegend neuen Erkenntnisse zutage fördert, jedoch auf eingängige Art dazu anregt, diese aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Im Mittelpunkt seiner Interpretation steht zum einen die von den USA nach deren Kriegseintritt vorangetriebene Expansion kapitalistischer Geschäftspraktiken. Zum anderen deutet er plausibel, wie sich Großbritannien teils in Abgrenzung, teils in enger Kooperation mit den USA in den Prozess der Dekolonisation fügte. Und schließlich erscheint die Sowjetunion - nicht immer überzeugend - bisweilen wie ein Zaungast des globalen Geschehens, der sich im Wesentlichen auf die Bewahrung des 1945 Erreichten kaprizierte.
Gerhard Altmann