Rezension über:

Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Eberhard Weis / Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns durch Hermann Rumschöttel (Hgg.): Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799 bis 1817. Band I: 1799 bis 1801. Bearbeitet von Reinhard Stauber unter Mitarbeit von Esteban Mauerer, München: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2006, 552 S., ISBN 978-3-929691-08-5, EUR 42,00
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Rezension von:
Dietmar Grypa
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Dietmar Grypa: Rezension von: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Eberhard Weis / Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns durch Hermann Rumschöttel (Hgg.): Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799 bis 1817. Band I: 1799 bis 1801. Bearbeitet von Reinhard Stauber unter Mitarbeit von Esteban Mauerer, München: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 12 [15.12.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/12/12373.html


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Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Eberhard Weis / Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns durch Hermann Rumschöttel (Hgg.): Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799 bis 1817

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Bei dem äußerlich ausgesprochen ansprechend gestalteten Buch handelt es sich um den ersten Band einer von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns getragenen Reihe, in der die Protokolle des Bayerischen Staatsrates vom Regierungsantritt des bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph bis zur Entlassung Montgelas' publiziert werden sollen. Finanziell wurde die Arbeit in den Jahren 2001 bis 2006 zum Hauptteil von der Bayerischen Landesstiftung getragen. Das Unternehmen steht im Zusammenhang mit der Edition der Protokolle bayerischer Regierungen im 20. Jahrhundert. [1] Während die von der Kommission für bayerische Landesgeschichte vorbereiteten Bände für die Epoche der Weimarer Republik derzeit noch neben- und ehrenamtlich bearbeitet werden, liegen für die Nachkriegszeit, deren Bearbeitung ebenfalls von der Historischen Kommission getragen wird und der sich Karl-Ulrich Gelberg von 1991 bis 2006 hauptamtlich widmen konnte, bereits sechs mustergültige Bände vor.

Der im Wesentlichen von Reinhard Stauber bearbeitete Band der bayerischen Regierungsprotokolle (vgl. 8) - der im Eigenverlag der Historischen Kommission erschien - beschränkt sich keineswegs auf die im Titel genannten Niederschriften über Sitzungen des bayerischen "Staatsrates" von 1799 bis 1801, sondern bezieht darüber hinaus die Protokolle der "Geheimen Staatskonferenz" mit ein. In den Bänden für die Jahre 1809 bis 1817 ist geplant, auch die Protokolle des "Geheimen Rats" abzudrucken. Damit folgt die Edition der Entwicklung der obersten bayerischen Regierungsbehörden sowie der archivalischen Überlieferungslage, die von Stauber in seiner profunden Einleitung (9-47) eingehend geschildert und mit Hilfe einer Tabelle, einem Balken- und einem Kreisdiagramm veranschaulicht wird (25-30).

Max IV. Joseph hat am 25. Februar 1799, bereits wenige Tage nach dem Einzug in seine neue Residenzstadt München, eine neue Organisation der obersten bayerischen Zentralbehörden verfügt, die auf das sogenannte "Ansbacher Mémoire" vom 30. September 1796 aus der Feder von Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas zurückging. [2] Es wurde nun ein Gesamtministerium mit vier Ressortsministerien (Finanzen, Auswärtige Geschäfte, Geistliche Sachen und Justiz) eingerichet. Im neugeschaffenen "Staatsrat" sollten die Minister mit ihren engsten Mitarbeitern, den "Referendarien" (13), einmal in der Woche zusammenkommen, um über die laufenden Geschäfte ihrer Verwaltungen zu beraten. Dazu sollte der jeweils federführende Referendar seinen Bericht und seine Empfehlungen vorlegen, auf deren Basis die Minister nach dem Mehrheitsprinzip über Annahme oder Ablehnung der Vorschläge entschieden.

Neben dem Staatsrat, dessen Organisation bereits 1801 eine erste Revision erfuhr, wurde 1799 die "Geheime Staatskonferenz" errichtet. Sie bestand nur aus dem Kreis der Minister und beriet in Anwesenheit des Fürsten alle jene Angelegenheiten, die im Staatsrat nicht behandelt wurden, vor allem alle politischen und militärischen Angelegenheiten. 1808 wurde dann zur Beratschlagung über die wichtigsten inneren Angelegenheiten des Königreiches ein "Geheimer Rat" errichtet. Dieses Gremium griff den alten Titel der Institution von 1582 wieder auf. Es bestand aus den Ministern und 12 bis 16 vom König ernannten Mitgliedern. Den Vorsitz führte der König oder der Kronprinz. Die Räte wurden im Herbst jeden Jahres neu ernannt, eine dauernde Mitgliedschaft konnte man erst durch sechs aufeinander folgenden Berufungen erwerben.

Es haben sich von genannten Regierungsgremien im Zeitraum von 1799 bis 1817 insgesamt 537 Protokolle erhalten. Die für die Edition bereits bearbeiteten 281 Niederschriften der Jahre bis 1807 umfassen etwa 2800 handschriftliche Folioseiten. Angesichts dieser Quantitäten haben sich die Editoren dazu entschieden, die Tagesordnung der Sitzungen der Regierungsorgane wiederzugeben und zumeist nur einzelne Punkte der Protokolle im Volltext abzudrucken. Die im Volltext gebotenen Passagen werden durch prägnante Überschriften sowie knappe Kopfregesten erschlossen. Durch diese komprimierte Form soll das Material in seiner ganzen Breite und Fülle dargeboten werden, zugleich aber der Abschluss der Edition in einem absehbaren Zeithorizont gewährleistet werden. Man hat also einen Mittelweg zwischen einer Volltext-Edition und einer Regesten-Edition gewählt, wie sie zuletzt mustergültig für die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums umgesetzt wurde, wo die Regesten-Bände mit ihren Indizes die auf Mikrofiches vervielfältigten Protokolle erschließen.

Kritisch anzumerken ist, dass die Benutzung des vorliegenden Bandes durch das Druckbild unnötig erschwert wird. So wird durch die Hervorhebung der Überschriften der wörtlich wiedergegebenen Passagen und das Regest der Lesefluss bei der Lektüre der einzelnen Dokumente eher unterbrochen als gefördert, ohne dass durch die editorischen Zusätze ein wesentlich schnellerer Zugriff auf die zahlreichen dargebotenen Informationen gewonnen wird oder durch das Regest Lesezeit gespart würde. Exemplarisch sei hier etwa auf das Protokoll Nr. 23 verwiesen, dessen abgedruckter erster Punkt drei Textzeilen umfasst, aber mit einer Überschrift und einem einzeiligen Regest versehen wurde; der abgedruckte dreizehnte Punkt desselben Protokolls erstreckt sich über sechs Textzeilen, seine Überschrift und das Regest über fünf Zeilen (120-121).

Noch stärker als die editorischen Einschübe stört den Lesefluss aber die Gestaltung des Zeilenumbruchs der hinzugefügten Überschriften und aller Fußnoten, eine Gestaltung, die stark von anderen von der Historischen Kommission bisher erstellten Editionen wie etwa den Briefen und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges oder den Akten der Reichskanzlei abweicht. In dem vorliegenden Band werden die Zeilen der Überschriften und Fußnoten nach nicht nachvollziehbaren Kritierien so umgebrochen, dass der Text etwa in der Mitte einer Zeile endet und in die nächste Zeile wechselt. Dies ist gerade bei den Fußnoten nicht sehr benutzerfreundlich, da eine halbgefüllte letzte Zeile einer Seite keineswegs darauf hinweist, dass hier die Information endet, sondern vielmehr der Text der Fußnote sich wiederholt auf der folgenden Seite fortsetzt.

Die Kritik am Layout der Texte mindert aber nicht die Qualität der gebotenen Informationen. Die von Reinhard Stauber ausgewählten Schriftstücke und Passagen gewähren tiefe Einblick in die Planung, Konzeption und Umsetzung der politischen Entscheidungen in dieser für den bayerischen Staat so prägenden Reformzeit. Wie Stauber in seiner Einleitung zu Recht betont, wurde bisher im Blick auf den Amtsantritt des "allmächtigen" Ministers Montgelas häufig übersehen, dass die personelle Kontinuität im Regierungsapparat über die Zäsur des Regentenwechsels von 1799 hinweg ausgesprochen hoch war; das betraf keineswegs nur die Minister, sondern auch die Ebene der ihnen nachgeordneten Beamten (35-38). Dies wird in den dargebotenen Quellen besonders anschaulich und greifbar. So wäre nur zu wünschen, dass das verdienstvolle Unternehmen in Zukunft eine langfristige und ausreichende finanzielle Absicherung findet.


Anmerkungen:

[1] Zur Konzeption des Gesamtprojekts und den Stand der einzelnen Serien vgl. die "Werkstattberichte" in Dietmar Willoweit (Hg.): Grundlagen der modernen bayerischen Geschichte. Staat und Politik im Spiegel der Regierungsprotokolle des 19. und 20. Jahrhunderts (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 78), Göttingen 2007.

[2] Eine Übersetzung des Textes ist abgedruckt in: Michael Henker / Margot Hamm / Evamaria Brockhoff (Hgg.): Bayern entsteht. Montgelas und sein Ansbacher Mémorie von 1796. Katalog zur Ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in Ansbach und München 1996/97 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 32), Regensburg 1996, 23-34.

Dietmar Grypa