Rezension über:

Magda Martini: La cultura all'ombra del muro. Relazioni culturali tra Italia e DDR (1949-1989), Bologna: il Mulino 2007, 463 S., ISBN 978-88-15-11445-7, EUR 30,00
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Rezension von:
Fiammetta Balestracci
Istituto storico italo-germanico, Trient
Empfohlene Zitierweise:
Fiammetta Balestracci: Rezension von: Magda Martini: La cultura all'ombra del muro. Relazioni culturali tra Italia e DDR (1949-1989), Bologna: il Mulino 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 2 [15.02.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/02/14238.html


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Magda Martini: La cultura all'ombra del muro

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Die DDR ist für italienische Historiker nach wie vor ein mehr oder weniger unbekanntes Land. Magda Martini hat nun eine Studie vorgelegt, die zumindest auf dem Feld der Kulturbeziehungen zwischen dem sozialistischen Teil Deutschlands und der Republik Italien Licht in dieses Dunkel bringt. Die Autorin befasst sich zunächst mit dem Kulturaustausch zwischen den beiden Staaten, die einander feindlich gesonnenen Machtblöcken angehörten. Dies konnte auch für die Kommunikation zwischen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und dem Partito Comunista Italiano (PCI) nicht ohne negative Folgen bleiben, zumal beide Parteien auch ideologisch nicht immer auf einer Linie lagen und in ihrem Verhältnis zueinander zwischen Solidarität und Kritik schwankten. Das zeigte sich insbesondere seit Mitte der Sechziger Jahre, als die Kulturpolitik der DDR immer repressivere Züge annahm, während sich viele linke italienische Intellektuelle auf die Seite von kritischen Geistern wie Robert Havemann stellten. Ein erster Bruch in den Beziehungen zwischen der SED und dem PCI war die Folge, so dass skeptische Stimmen im Konzert der italienischen Linken, wo man bislang sogar den Bau der Mauer zumindest zähneknirschend hingenommen hatte, lauter wurden. Wie tief der Riss zwischen der SED und dem PCI ging, zeigt nicht zuletzt der im Anhang des Buches abgedruckte Briefwechsel zwischen Enrico Berlinguer und Erich Honecker über die Ausbürgerung von Wolf Biermann und die Maßnahmen des DDR-Regimes gegen Havemann.

Die Entfremdung der beiden kommunistischen Parteien bot jedoch die Chance, die Kulturbeziehungen der beiden Staaten jenseits von Ideologie und Propaganda zu intensivieren. Tatsächlich gehörten die beiden Jahrzehnte zwischen 1960 und 1980 zu den fruchtbarsten - allen Missverständnissen und politischen Differenzen zum Trotz. Wichtigste Träger der Kulturbeziehungen waren neben den kommunistischen Parteien die Vereinigungen der Künstler und Literaten sowie halb staatliche, halb private Institutionen. Zu nennen wären hier etwa das Centro Thomas Mann (CTM) in Rom, die Deutsch-Italienische Gesellschaft und die Società di amicizia Italia - Repubblica Democratica Tedesca. Schließlich gab es seit November 1961 eine italienische Parlamentariergruppe, die sich das Ziel gesetzt hatte, der DDR zur Anerkennung zu verhelfen.

Unter den Pionieren, die Kulturbeziehungen zwischen den beiden Ländern anknüpfen wollten, war auf italienischer Seite der neorealistische Maler Gabriele Mucchi, der seine Werke bereits Anfang der Fünfziger Jahre in Ost-Berlin ausstellte und ab 1956 für sieben Jahre an der Hochschule für Bildende Kunst lehrte. Ein anderer Protagonist war der Komponist Luigi Nono, den sein Freund und Kollege Paul Dessau in der DDR eingeführt hatte und der 1966 in die Akademie der Künste berufen wurde. Zu nennen ist weiterhin der Theaterregisseur Giorgio Strehler, der die Werke seines Freundes Bert Brecht in Italien bekannt machte, der so zum vielleicht bekanntesten Vertreter der DDR-Kultur südlich der Alpen aufstieg. Freilich gab es auch in dieser Phase kritische Stimmen, zu denen der Germanist Cesare Cases zählte, welcher sich vom PCI abwandte, nachdem er während eines Aufenthalts in Leipzig erfahren hatte, wie schwer sich die DDR damit tat, das Erbe des Stalinismus abzustreifen.

Wie aus Magda Martinis Buch klar ersichtlich wird, hatten die Kulturbeziehungen zwischen Italien und der DDR viel der Initiative einzelner bekannter Intellektueller zu verdanken, die trotz des politisch-ideologischen Klimas der Zeit das jeweils andere Land kannten und diese Kenntnisse weitergeben wollten. Der Ost-West-Konflikt und die damit verbundene ideologische Auseinandersetzung überlagerten jedoch die Bemühungen um den kulturellen Austausch immer wieder, wie sich insbesondere bei Veranstaltungen zeigte, die auch politischen Charakter hatten. In der DDR sah man Italien überwiegend als kapitalistisches Land, in dem Klassenkampf herrschte; wie getrübt dieser ideologisch deformierte Blick war, zeigte sich an der Interpretation des 25. Juli 1943 als Erhebung des Volkes unter der Führung des PCI, die mit der Niederwerfung des faschistischen Regimes geendet habe.

Was die selektive Rezeption und die Zensur italienischer Literatur und italienischer Filme in der DDR anging, so kam es den Verantwortlichen in Ost-Berlin vor allem auf Antifaschismus und Kapitalismuskritik an. In diesem Sieb verfing sich etwa ein Schriftsteller wie Giuseppe Fenoglio, der in seinen Romanen zwar die Resistenza thematisierte, aber der Zensur zu anglophil war. Vasco Pratolini dagegen stieß mit seinen Werken sofort auf Zustimmung, weil er Bürgertum und Faschismus angriff. Zahlreich waren überdies die italienischen Autoren, die in der DDR aus strategischen Gründen (sprich: wegen ihrer Kritik an der Bundesrepublik) gedruckt wurden, darunter Curzio Malaparte, der sich in Westdeutschland dafür einiges anhören musste. Ähnlich gelagert war der Fall im so genannten Kino-Krieg um Nanni Loys Film "Le quattro giornate di Napoli", der in der DDR wohlwollend aufgenommen wurde, nachdem man sich in der Bundesrepublik darüber erregt hatte, wie negativ die Deutschen in diesem und in anderen italienischen Filmen dargestellt wurden.

Aus diesen und anderen Episoden, die Magda Martini schildert, wird klar, dass es der beste Weg ist, die deutsch-italienischen Beziehungen der Nachkriegszeit im Dreieck Rom - Ost-Berlin - Bonn zu analysieren. Man sollte diesen Aspekt bei künftigen Forschungen unbedingt stärker beachten als bisher, und zwar nicht nur, weil die auswärtige Kulturpolitik beider deutscher Staaten bei der eigenen Selbstdarstellung jeweils den anderen Teil Deutschlands fest im Blick hatte, sondern auch, weil in Italien die Wahrnehmung des einen deutschen Teilstaats eng mit der Wahrnehmung des anderen verknüpft war. Für viele Intellektuelle, die mit Wehmut nach der Erfahrung des Nationalsozialismus (und der Besetzung Italiens durch die Wehrmacht) die deutschen Tugenden wiederzufinden hofften, galt die DDR lange Jahre als das andere Deutschland, als Heimat jener philosophisch-literarischen Tradition, der die moderne Kultur Italiens, ja ganz Europas viel zu verdanken hatte. Die Bundesrepublik haftete dagegen für die blutigen Jahre zwischen 1943 und 1945. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, an der sich auch die DDR beteiligte, begannen die Scheuklappen jedoch langsam zu fallen, und auch die Intellektuellen oder Antifaschisten, die bisher streng zwischen gut und böse unterschieden hatten, öffneten nun die Augen für die reale Lage in beiden Teilen Deutschlands. Dennoch - und auch das zeigt die Autorin - sollte man sich vor übereilten Urteilen und vor stereotypbeladener Schwarz-Weiß-Malerei hüten. Trotz der geschilderten Verblendungen, Konflikte und Enttäuschungen kam es immer wieder zu einem fruchtbaren Austausch, von dem beide Seiten profitierten und der wichtige direkte Kontakte zwischen Intellektuellen und Kulturschaffenden beförderte.

Magda Martinis Buch, das zu viele Informationen, anregende Schilderungen und reflektierende Einsichten enthält, um hier alles zu referieren, geht auf eine sorgfältig recherchierte, materialreiche Dissertation zurück, für die die Autorin auch viele persönliche Zeugnisse (nicht zuletzt auf der Basis von Oral History) südlich und nördlich der Alpen gesammelt hat. Diese subjektiven Quellen sind letztlich deshalb so wichtig, weil von den befragten Akteuren heute einige bereits verstorben sind. Diese Studie ist deshalb für jeden unverzichtbar, der sich ernsthaft mit den deutsch-italienischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen will. Sie hilft, um die Herkunft von Stereotypen zu begreifen, die einem fruchtbaren Kulturaustausch zwischen Deutschland und Italien lange Zeit im Wege standen, und sie trägt entscheidend dazu bei, den mühevollen Aufbau der deutsch-italienischen Kulturbeziehungen auf verschiedenen Feldern (mit einer Präferenz für Literatur und Film) nachzuvollziehen. So wird ein wichtiger Teil deutsch-italienischer Geschichte wieder lebendig.

Aus dem Italienischen übersetzt von Thomas Schlemmer.

Fiammetta Balestracci