Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. Gelehrt, mutig und glaubensfest, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010, 157 S., ISBN 978-3-525-55012-0, EUR 16,90
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John Martin / Dennis Romano: Venice Reconsidered. The History and Civilization of an Italian City-State, 1297-1797, Baltimore / London: The Johns Hopkins University Press 2000
John Jeffries Martin: Myths of Renaissance Individualism, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2004
Die Geschichtsschreibung der biografischen Sammlungen hat eine lange Tradition. Plutarch entwickelte das Modell einer biografischen Historiographie. Frauen erhielten auf diesem Weg die Möglichkeit, in die "die Sphäre der Memorabilia" (Gianna Pomata: L'Homme, 1991, 11) einzutreten. Diese Gattung Vitae berühmter Frauen ist die älteste Form der Frauengeschichte, die in der westlichen historiografischen Tradition anzutreffen ist. Bedient hat sich dieser historiografischen Gattung auch die Reformationsgeschichtsschreibung. Publikationen wie die Werke von Roland Bainton über die Women of the Reformation in Germany and Italy (1971) und Alice Zimmerli-Witschi, Frauen in der Reformationszeit (1981) sind Legion; sie konstituierten eine Frauengeschichtsschreibung, die sich auf exemplarische Frauengestalten konzentrierte, die durch Schriften, Taten oder Predigten von sich reden machten. [1]
In dieser Tradition steht auch das hier anzuzeigende Buch der Pastorin, Pressesprecherin und Kommunikationsmanagerin Sonja Domröse. Ziel der Publikation ist es, die Beteiligung von Frauen am Reformationsgeschehen in das "Bewusstsein einer interessierten Öffentlichkeit zu rücken" (7) und zu zeigen, "dass es bereits vor 500 Jahren Aufbrüche zu einer Gleichberechtigung von Frauen in Kirche und Gesellschaft gegeben hat" (9). Zudem versteht sich das Buch als Beitrag zur "Lutherdekade" der Evangelischen Kirche Deutschlands, die 2008 in Wittenberg startete und 2017 mit den Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum ihren Abschluss finden wird.
Die acht Biographien der bürgerlichen und adeligen Frauen, die Sonja Domröse versammelt, behandeln ganz unterschiedliche Lebenswege. Dem Buch ist eine kurze Einführung in die Reformationszeit vorangestellt; beschlossen wird es durch eine Diskussion über Luthers Frauenbild und die Auswirkungen der Reformation auf das Leben der Frauen. Dadurch wird schon deutlich, dass es der Autorin auch um eine historische Verortung der Frauengestalten geht. Über das exemplarische Leben hinaus sollen wesentliche reformatorische Aussagen und gesellschaftliche Impulse für die "Emanzipationsmöglichkeiten" (148) von Frauen zur Darstellung gebracht werden. Große Bedeutung misst Domröse dem Schriftprinzip (sola scriptura) der Reformation bei, da nach Martin Luther Christen allein durch die Schrift zur Erkenntnis gelangen konnten und keiner Vermittlung und Auslegung mehr bedurften. Durch die ins Deutsche übersetzte Lutherbibel war zudem ein Medium für eine theologische Auseinandersetzung auch unter Laien geschaffen.
Argula von Grumbach und Ursula Weyda, mit denen das Buch seinen Anfang nimmt, waren beide Verfasserinnen von Flugschriften - die Publikationen ersterer erreichten dank Buchdruck in den Jahren 1523/24 immerhin eine Auflage von 30.000 Exemplaren. Sie argumentierten in ihren Schriften mit dem biblischen Text versiert gegen das im 1. Korintherbrief formulierte Schweigegebot von Frauen und forderten die Gelehrten zum öffentlichen Disput. Auch die Forderung zu einem "selbstverantworteten Glauben" (23) findet sich als roter Faden immer wieder in den weiblichen Biographien, wie etwa bei der Publizistin und Predigerin Katharina Zell, aber auch bei der ehemaligen Nonne Ursula von Münsterberg, die ihre Klosterflucht in einer Schrift verteidigte. Wibrandis Rosenblatt hat zwar selbst nicht publiziert, allerdings als Ehefrau von vier Reformatoren das neue Rollenbild der evangelischen Pfarrfrau entscheidend mitgeprägt. Die Regentin Elisabeth von Calenberg-Göttingen führte in ihrem Herrschaftsgebiet die Reformation ein, erließ eine neue Kirchen- und Klosterordnung und verfasste ein Regierungshandbuch sowie ein Ehestandsbuch. Mit Olympia Fulvia Morata wird eine Frau vorgestellt, die schon zu ihrer Zeit als Wunderkind am Hof von Ferrara betrachtet wurde, Vorlesungen über Cicero hielt, Kommentare zu Homer sowie Briefe und Gedichte verfasste und als eine ausgezeichnete Kennerin der griechischen und lateinischen Sprache galt. Als Glaubensflüchtling kam sie mit ihrem Mann nach Heidelberg, wo sie 1555 verstarb. Lediglich Elisabeth Cruciger, die als Autorin mehrerer Kirchenlieder gilt, fällt etwas aus dem Rahmen, da sie sich in ihrer Zeit nicht explizit für das weibliche Geschlecht einsetzte und eigene theologische Argumente formulierte, wie dies die anderen in diesem Buch vorgestellten Frauen taten.
Insgesamt ist Sonja Domröse ein gut lesbareres Buch gelungen, das seinem Ziel - die interessierte Öffentlichkeit für die Beteiligung von Frauen am Reformationsgeschehen zu sensibilisieren - gerecht wird. Die konfessionelle Zugehörigkeit der Autorin ist an einigen Stellen am Überschwang zu bemerken, mit dem sie die "Emanzipationsmöglichkeiten" von Frauen auf den protestantischen Glauben zurückführt. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass Domröse auch eine knappe Verlustgeschichte schreibt. Im Zusammenhang mit der Klosterflucht Ursula Weydas wird erwähnt, dass Schließungen von Klöstern durch Reformatoren auch gegen den Willen der Nonnen und mit Gewalt und Zwang durchgeführt wurden (etwa Caritas Pickheimer, Nürnberg) und dass den ehemaligen Nonnen - im Unterschied zu den Mönchen - keine neue Lebensform geboten wurde. "Hatte in der katholischen Kirche die Äbtissin eines Frauenklosters auch weiterhin ein kirchliches und geistliches Amt, so gab es über Jahrhunderte hinweg nichts Vergleichbares in der evangelischen Kirche" (83). Das Schlusskapitel führt diese Aspekte zusammen und diskutiert kurz die "Auswirkung der Reformation auf Leben und Stellung der Frau". In diesem Kontext findet auch die Ambivalenz des lutherischen Frauenbildes Erwähnung. Der Aufwertung der Frau als Ehefrau folgte die Unterordnung unter den Ehemann - eine Patriarchalisierung der frühneuzeitlichen Gesellschaft, die von der historischen Frauen- und Geschlechterforschung als "Domestizierung" der Frau in der Reformationszeit bewertet wurde, da gesellschaftliche Handlungsfelder für Frauen mit der Reformation durch die Beschränkung / Einengung auf den familiären Bereich verringert wurden (Lyndal Roper: The Holy Household, 1989). Auch wenn Sonja Domröse diese Diskussion als solche nicht zu kennen scheint - es findet sich kein bibliographischer Verweis - ist der Autorin ein kenntnisreiches Buch gelungen, das jedem zu empfehlen ist, der sich kurz und knapp über Frauen in der Reformationszeit informieren möchte.
Anmerkung:
[1] Ein neueres Beispiel ist Kirsi Stjerna: Women and the Reformation, Oxford 2009.
Daniela Hacke