Stephan Faust / Florian Leitmeir (Hgg.): Repräsentationsformen in severischer Zeit, Berlin: Verlag Antike 2011, 311 S., ISBN 978-3-938032-48-0, EUR 54,90
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Der anzuzeigende Band geht auf einen Workshop im Jahr 2008 am Institut für Klassische Archäologie der LMU München zurück. Thema des Workshops waren Repräsentationsformen in severischer Zeit (193-235 n.Chr.), Teilnehmer Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die überwiegend aus ihren Dissertations- und Habilitationsprojekten berichteten. Die Severerzeit steht seit einigen Jahren im Focus der Altertumswissenschaften, da sie als eine Zeit begriffen wird, in der sich tiefgreifende Transformationen der römischen Gesellschaft vollziehen oder zu Tage treten, die bereits auf die Spätantike verweisen. Der Band versammelt mehrere Beiträge, die sich mit Bildzeugnissen der Severerzeit beschäftigen und stellt damit einen willkommenen Beitrag der Klassischen Archäologie zur Thematik dar. Dabei werden sowohl Zeugnisse berücksichtigt, welche das Kaiserhaus thematisieren, als auch solche des Privatbereichs.
Nach einer knappen Einleitung der Herausgeber (7-9) bietet Florian Leitmeir einen Überblick über "Brüche im Kaiserbildnis von Caracalla bis Severus Alexander" (11-34). Der Beitrag ist recht allgemein gehalten was dazu führt, dass Forschungsdiskussionen nicht angemessen abgebildet werden und etwa im Zusammenhang mit dem Porträt des Macrinus behauptet wird, dass nur K. Fittschen und P. Zanker severische Bildnisse zum Verständnis der Porträtprogrammatik herangezogen hätten (18 Anm. 36). Leitmeir vergisst dabei die grundlegenden Beiträge von M. Bergmann (Studien zum römischen Porträt des 3. Jahrhunderts n. Chr. [Bonn 1977], 19-22) und D. Salzmann zu dem Thema (Archäologischer Anzeiger 1989, 559-568).
Der Beitrag von Thoralf Schröder (34-76) behandelt severerzeitliche Privatporträts in Athen und kann aufzeigen, dass die Porträts sowohl altertümliche Rückgriffe auf Bildnisse von Geistesgrößen vornehmen, als auch im Sinne des 'Zeitgesichts' auf kaiserliche Bildnisse rekurrierten.
Jochen Griesbachs Beitrag (77-110) betrachtet private Ehren- und Porträtstatuen im 3. Jahrhundert n.Chr. im imperium Romanum. Hatte man bislang angenommen, dass der quantitative Einbruch solcher Zeugnisse in der Mitte des 3. Jahrhunderts mit veränderten, ephemeren Repräsentationsformen zu erklären ist, betont Griesbach stärker gewandelte Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Konsenses über Gründe für die Aufstellung von Ehrenstatuen.
Stephan Faust untersucht in seinem Beitrag (111-145) die Durchgangsreliefs des severischen Quadrifrons von Lepcis Magna. Er kann dazu bislang unpublizierte Fragmente berücksichtigen und erarbeitet eine überzeugende Deutung, wonach sich in den Durchgangsreliefs das von V. M. Strocka (AntAfr 5, 1972, 147-172) für die Attikareliefs herausgearbeitete Programm einer harmonischen Nebeneinanderstellung von Rom und Lepcis Magna fortsetzt.
Der Beitrag von Christian Russenberger widmet sich stadtrömischen Sarkophagen (146-178) und betrachtet das Verhältnis von lebensweltlichen Szenen zu mythologischen Themen. Er kann nachzeichnen, dass in frühseverischer Zeit Emotionen der Trauer und des Todes zurückgenommen wurden und dafür stärker private Eigenschaften der Verstorbenen ins Bild gesetzt wurden, bis schließlich seit spätseverischer Zeit Mythenbilder immer mehr verschwinden. Russenberger erklärt dies mit einer gewandelten moralisch-philosophischen Grundhaltung, wonach Emotionen und Affekte beherrscht werden sollten.
Nele Schröder behandelt in ihrem kurzen Beitrag die Skulpturenausstattung der Caracallathermen in Rom (179-192) und weist darauf hin, dass diese insofern außergewöhnlich ist, als sie stark von imperialer Thematik geprägt ist. Vereinzelt ist das Eindringen kaiserlicher Bilder auch anderenorts in Thermen im imperium Romanum in severischer Zeit zu beobachten. Schröder ist sich selbstverständlich dessen bewusst, dass wir wenig über die Statuenprogramme weiterer "Kaiserthermen" Roms wissen, so dass ihre Beobachtungen provisorisch bleiben.
Korana Deppmeyer untersucht Spolienbauten severischer Zeit in Rom (193-219). Sie kann aufzeigen, dass nun erstmals seit augusteischer Zeit wieder Spolien verwendet wurden. Sehr hypothetisch ist es allerdings, das Septizonium des Septimius Severus, von dem faktisch nichts erhalten ist, als Spolienbau zu identifizieren. Gezwungen wirkt Deppmeyers Versuch anhand des Nymphäums des Severus Alexander, eine Programmatik in der Verwendung von Spolien in severischer Zeit zu formulieren (206-207).
Ilse Rollé Ditzler diskutiert in ihrem Beitrag das Verhältnis zwischen den Severern und dem Senat (220-252). Sie stellt mehrere Monumente zur Diskussion, in denen das Verhältnis thematisiert wird. Bemerkenswert ist ihre Würdigung der Zeugnisse der Arvalbrüder. Dagegen vermag ihre Deutung des Sacchetti-Reliefs als Visualisierung einer Bogenmonumentstiftung durch ein Kollegium nicht überzeugen.
Björn Schöpe nimmt sich in seinem Beitrag Pertinax an (253-269) und diskutiert die Handlungsoptionen des Kaisers, der nach Commodus für einige Monate regierte. Schöpe beobachtet, dass Pertinax nicht darauf aus war, eine Dynastie zu etablieren und eine Trennung von Amt und Person anstrebte, die zu diesem Zeitpunkt einmalig war und konzeptionell bereits auf die Tetrarchie verwies.
Fleur Kemmers betrachtet in ihrem Beitrag das Verhältnis von Geta und Caracalla aus numismatischer Perspektive (270-290). Sie wählt dazu einen quantifizierenden Ansatz, der auf einer Fundmünzenauswertung beruht und ein Korrektiv zu den literarischen und sonstigen archäologischen Überlieferungen ermöglicht. Kemmers kann zeigen, dass Geta als der gegenüber Caracalla formal untergeordnete Prinz so auch in der numismatischen und epigraphischen Überlieferung erscheint. Fast durchgängig gibt es mehr Prägungen für Caracalla als für Geta. Nur in den Jahren 200-202 n.Chr. ist es plötzlich umgekehrt. Kemmers erklärt dies damit, dass das Kaiserhaus in jenen Jahren im Osten unterwegs war und in Rom eine Geta freundliche Fraktion verstärkt Einfluss auf die Bildgestaltung der Münzen nahm. Die Autorin vermutet dahinter den Gardepräfekten Plautianus. Auch wenn dies noch mit weiteren Zeugnissen untermauert werden müsste, so zeigt doch die numismatische Beobachtung, dass Getas Position in dem Brüderverhältnis stärker war, als es uns die literarischen Quellen, insbesondere Cassius Dio, suggerieren.
Der letzte Beitrag stammt aus der Feder von Danny Schlumpf, der den "Kindkaisern" seit Caligula nachgeht (291-303). Schlumpf weist darauf hin, dass das Anlegen der toga virilis mit 14 Jahren eine entscheidende Voraussetzung für Mitglieder des Kaiserhauses war, um Kaiser zu werden. Schlumpf kann darüber hinaus aufzeigen, dass das Alter von Kaisern aus Sicht der Zeitgenossen immer stärker zu einem "Interpretationsschlüssel" für die Befähigung zum Kaiseramt wurde und jungen Kaisern, die ihre libidines nicht unter Kontrolle hatten, diese Befähigung abgesprochen wurde.
Die Lektüre der Beiträge ist insgesamt anregend und eröffnet unterschiedliche Zugänge zu der Severerzeit aus archäologisch-althistorischer Sicht. Man muss an diesem bunten Strauß allerdings auch bemängeln, dass die Beiträge disparat sind und eine ausführlichere Einleitung als Klammer und als fachwissenschaftliche Kontextualisierung wünschenswert gewesen wäre. Gerade deswegen könnte man vorsichtig die Frage aufwerfen, welchen bleibenden Wert der gedruckte Sammelband hat, wenn eines Tages all die darin versammelten Qualifikationsarbeiten abgeschlossen und in Buchform erschienen sind.
Achim Lichtenberger