Rezension über:

Clare Rowan: Under Divine Auspices. Divine Ideology and the Visualisation of Power in the Severan Period, Cambridge: Cambridge University Press 2012, XVI + 303 S., 98 s/w-Abb., ISBN 978-1-107-02012-2, GBP 65,00
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Rezension von:
Achim Lichtenberger
Institut für archäologische Wissenschaften, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Achim Lichtenberger: Rezension von: Clare Rowan: Under Divine Auspices. Divine Ideology and the Visualisation of Power in the Severan Period, Cambridge: Cambridge University Press 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/01/22974.html


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Clare Rowan: Under Divine Auspices

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Das 3. Jahrhundert n. Chr. ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Fokus der klassischen Altertumswissenschaft gerückt. Mehrere Studien der letzten Jahre beschäftigen sich dabei mit der kaiserlichen Selbstdarstellung in einem Aushandlungsprozess zwischen dem Kaiser und anderen Akteuren im Imperium Romanum. [1] Insbesondere die Münzprägung ist in diesem Zusammenhang als eine Schlüsselquelle zum Tragen gekommen, da sie eine dichte Quellenüberlieferung bietet, da durch sie die Zeugnisse gut chronologisch eingeordnet werden können, sie reiche Informationen in Text und Bild liefert und die verantwortlich Zeichnenden (etwa der Kaiser oder lokale Städte) bekannt sind.

Die anzuzeigende Arbeit von Clare Rowan untersucht die Selbstdarstellung der severischen Kaiser Septimius Severus, Caracalla, Elagabal und Severus Alexander. Sie beschränkt sich auf die Kaiser; Kaiserinnen und die Rolle von Geta werden nur am Rande berührt. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Beobachtung, dass in der Münzprägung unter den severischen Kaisern die Abbildung von Gottheiten im Verhältnis zu Personifikationen und allgemeinen militärischen Themen erheblich zunimmt und die Severer offenkundig stärker als ihre Vorgänger göttlichen Schutz inszenierten.

In den ersten beiden Kapiteln (1-6, 7-31) führt Rowan zunächst in das Thema ein, diskutiert die literarischen Zeugnisse für die Epoche und behandelt Münzen als Quellenmaterial. Ihr methodischer Ansatz ist es, die Münzen mit ihren Bildern nicht nur als Einzelzeugnisse auszuwerten, sondern quantifizierend. Das heißt, dass sie nicht alle Münztypen gleichwertig nebeneinander betrachtet, sondern häufiger geprägte Münzen anders bewertet als seltenere. Um herauszubekommen, welche Typen häufiger als andere sind, wertet sie Hortfunde aus, ein Verfahren, welches jüngst auch von Carlos F. Noreña angewandt wurde. [2] Damit kann auf statistischer Basis ermittelt werden, in welcher relativen Häufigkeit Münzen umliefen. Allerdings kann dieses Verfahren nur für Denare angewendet werden, da sowohl für Gold als auch für unedle Nominale keine ausreichende statistische Basis vorhanden ist. Die methodische Voraussetzung der Untersuchung wird folgendermaßen formuliert (5): "A coin type that occurs only once in a hoard in Britain, for example, must be treated very differently to a coin type that is found in quantity in hoards all over the empire." Mit dieser Aussage ist allerdings eine Problematik verbunden, die Rowan nicht ausreichend diskutiert. Die von ihr einbezogenen Hortfunde (260-264) stammen eben nicht von "all over the empire", sondern fast ausnahmslos aus den Balkan- und Westprovinzen. Nur sehr wenige kommen aus Italien oder dem Osten. Wenn man die einbezogenen Hortfunde als repräsentativ für das ganze Imperium Romanum nehmen möchte, muss man einen homogenen Geldumlauf postulieren. [3] Allerdings hat eine Fundmünzenuntersuchung von Fleur Kemmers in den Nordwestprovinzen gezeigt, dass in der Verteilung der Münztypen durchaus mit zielgruppenspezifischen lokalen Schwerpunkten zu rechnen ist [4] und daher nicht grundsätzlich von einer homogenen Verteilung ausgegangen werden darf. So wünschenswert eine objektive Quantifizierung der Münztypen ist, muss man sich doch der Problematik der von Rowan angewandten Methodik bewusst sein. Wirklich möglich ist eine Annäherung an die einstmals geprägte Menge nur über eine Zählung der Stempel, was für die Reichsprägung ein außerordentlich mühseliges Unterfangen ist. Aus dieser methodischen Kritik ist nicht abzuleiten, dass die Ergebnisse von Rowan falsch sind, doch muss man sich bewusst sein, dass die Genauigkeit der Tabellen und Diagramme mit exakten Zahlen eine vermeintliche ist.

Das längste Kapitel (32-109) behandelt Septimius Severus. Rowan diskutiert das Vorkommen von Liber Pater und Hercules, die beiden Göttern der Heimatstadt des Kaisers Lepcis Magna in der Africa Proconsularis. Die Autorin zeigt auf, wie die beiden Gottheiten in der Selbstdarstellung des Kaisers abgebildet und wie sie bei der Reichsbevölkerung rezipiert wurden. Sie argumentiert dafür, dass die Gottheiten unterschiedliche Bedeutungsdimensionen hatten und neben dem Aspekt, dass sie kaiserliche Schutzgottheiten waren und Hercules auch auf Commodus verweisen konnte, beide auch für Eroberungen im Westen (Hercules) und Osten (Liber Pater - Bacchus) standen (41-47). Letzteres scheint dem Rezensenten nicht zwingend. Zwar kann Bacchus über den Mythos sehr gut mit Siegen im Osten verbunden werden, doch lässt sich ein solches Image für Hercules im Westen nicht nachweisen. Wie problematisch diese Aufteilung ist, zeigt das Bildprogramm des Severus-Bogens auf dem Forum Romanum, auf dem Hercules abgebildet wurde, "obwohl" gerade Kriege im Osten thematisiert wurden.

Rowan diskutiert ausgiebig die Bilder der Säkularspiele von 204 n. Chr. Dabei vergleicht sie die Bilder mit denen der Spiele unter Augustus und Domitian und kann wahrscheinlich machen, dass die severischen Münzbilder unter Kenntnis der über 100 bzw. 200 Jahre früheren entstanden sind. Rowan rekonstruiert daraus die Existenz von offiziellen Münzarchiven in Rom, was wiederum die bereits in der Antike vorhandene programmatische Signifikanz von Münzbildern unterstreichen würde.

Eine der großen Stärken der Arbeit ist an verschiedenen Stellen die tiefere zeitliche Einbettung von Prozessen und Erscheinungen der Severerzeit. Das gelingt nicht nur sehr anschaulich bei den Säkularfeiern, sondern auch bei der Behandlung des Phänomens der kaiserlichen persönlichen Schutzgottheiten. Rowan diskutiert kritisch, inwiefern bestimmte Münzbilder des Septimius Severus für eine kaiserliche Afrikareise genommen werden können (77-84) und behandelt zudem ausführlich weitere nicht-numismatische Zeugnisse. Beachtenswert sind zudem ihre Überlegungen zur Rolle von Neptun als Schutzgottheit während des Britannienfeldzugs (107-109).

Das folgende Kapitel zu Caracalla ist deutlich kürzer als das zu seinem Vater (110-163). Zunächst stellt Rowan anhand ihrer quantitativen Analyse heraus, dass unter Caracalla eine weitere Steigerung des Anteils an Gottheiten in der Münzprägung gegenüber Personifikationen und militärischen Themen festzustellen ist. Gerade Letzteres ist bemerkenswert, zeichnet die Forschung doch sonst häufig ein Bild des militärisch-soldatischen Charakters des Kaisertums des Caracalla. Rowan betrachtet insbesondere das Phänomen, dass Caracalla Heilgottheiten propagierte. Zwar kann auch sie keine schlüssige Erklärung anbieten, warum Caracalla gerade Sarapis, Asklepios und Apollon favorisierte, doch überzeugt ihre Interpretation eines Apollontyps auf Denaren des Kaisers als Apollon von Klaros (117-124). Dies ist ein Beispiel von mehreren, an denen Rowan sehr schön nachzeichnen kann, dass in der Severerzeit provinzielle Bilder in die römische Reichsprägung eingegangen sind; ein Phänomen, welches bislang noch nicht ausreichend von der Forschung Berücksichtigung fand. Nicht überzeugt ist der Rezensent von der Datierung einer Bronzeprägung Nikaias mit dem Vorderseitenbild Caracallas in die Regierungszeit des Septimius Severus (159). Zwar sind auf der Rückseite Herakles und Dionysos abgebildet, doch dürfte der Porträttypus Caracallas auf der Vorderseite nach 211 n. Chr. anzusetzen sein. Das Stück wäre dann ein bemerkenswerter Beleg für die Rezeption der Götter von Lepcis Magna nach der Regierungszeit des Septimius Severus.

Das Kapitel zu Elagabal (164-218) verändert nicht grundlegend unser Bild von dem Kaiser, der durch eigenwillige Maßnahmen den Zorn des stadtrömischen Establishments erregte. Rowan kann allerdings einige wichtige Detailbeobachtungen formulieren. So kann sie wahrscheinlich machen, dass im Zuge der damnatio memoriae des Kaisers seine Münzen eingeschmolzen wurden (177). Ebenso bemerkenswert scheint mir ihr Urteil zu sein, dass Elagabal keineswegs versuchte, den Kult des Gottes von Emesa reichsweit zu etablieren, sondern dass einige Gemeinden diesen bereitwillig (um dem Kaiser nahe zu sein) einführten (183-184). Wichtig ist auch ihr Hinweis darauf, dass das in der Reichsprägung belegte "Horn" des Elagabal, bei dem sich Rowan gegen eine Deutung als Stierpenis ausspricht (209), kein einziges Mal auf Lokalprägungen zu finden ist. Bei solchen Beispielen der lokalen Rezeption des Kaiserbildes werden sehr schön die Grenzen der kaiserlichen "Propaganda" deutlich. Es unterstreicht, dass die Städte große Freiheit besaßen, ihre Bilder des Kaisers selbst zu wählen.

Das Kapitel zu Severus Alexander (219-245) kann quantitativ aufzeigen, dass nach Elagabal, der sich als Priester darstellen ließ und den Sonnengott in der Reichsprägung propagierte (vor dem der traditionelle Kaisergott Iuppiter zurücktrat) nun unter Severus Alexander wieder massiv Iuppiter auf den Münzen erscheint. Es gelingt Rowan gut, diesen Kurswechsel, der auch von Tempeldedikationen in Rom begleitet wurde, nachzuzeichnen. Weniger überzeugt ist der Rezensent davon, dass Severus Alexander sich als neuer Romulus habe inszenieren lassen (233-236). Die konkrete Identifikation des Kaisers mit Romulus in der Münzprägung ist zu schwach.

Es folgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse (246-252), mehrere Appendices sowie eine erschöpfende Bibliographie und ein Index.

Insgesamt ist es Rowan gelungen, ein sehr gut lesbares Buch zur den Severern und ihren immer wichtiger werdenden Schutzgottheiten zu schreiben. Die Behandlung ist keineswegs erschöpfend, doch die Verfasserin legt sehr schön zentrale Themen der jeweiligen Kaiser dar und verortet diese in einer Tradition, die einerseits langfristige Trends der römischen Kaiserzeit umfasst, die andererseits aber auch kurzfristige Entwicklungen der Severerzeit aufzeigt. Das Buch ist anregend und liest sich mit Gewinn.


Anmerkungen:

[1] Vgl. zuletzt etwa Erika Manders (ed.): Coining Images of Power. Patterns in the Representation of Roman Emperors on Imperial Coinage, A.D. 193-284, Leiden / Boston 2012; Martijn Icks: The Crimes of Elagabalus. The Life and Legacy of Rome's Decadent Boy Emperor, Cambridge 2012; Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193-211 n. Chr.), Leiden / Boston 2011.

[2] Carlos F. Noreña: The Communication of the Emperor's Virtues, in: JRS 91 (2001), 146-168.

[3] Vgl. zu dem Problem Noreña a.O., 150-152.

[4] F. Kemmers: Coins for a Legion. An Analysis of the Coin Finds from the Augustan Legionary Fortress and Flavian Canabae Legionis at Nijmegen, Mainz 2006.

Achim Lichtenberger