Matthias Bath: Danebrog gegen Hakenkreuz. Der Widerstand in Dänemark 1940-1945, Neumünster: Wachholtz Verlag 2011, 368 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-529-02817-5, EUR 32,00
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Werner Best, zentrale Figur in Heydrichs SS- und Gestapo-Führung und der "Bevollmächtigte des Deutschen Reiches" in Kopenhagen von 1942 bis 1945, bezeichnete Dänemark wiederholt als "politisches Paradepferd" der nationalsozialistischen Besatzungspolitik in Europa. Bereits sein Vorgänger Cecil von Renthe-Fink war bemüht gewesen, das Land unter dem Primat der Minimierung des Personalaufwands, der Maximierung des propagandistischen Nutzens und des landwirtschaftlichen Exports zu einem "Musterprotektorat" auszubauen. Dänemark war am 9. April 1940 primär aus militär- und geostrategischen Überlegungen besetzt worden, und das NS-Regime hatte diese Aggression notdürftig mit dem Begriff der "Friedensbesatzung" verschleiert - mit der Eingliederung in ein rassisch definiertes Großgermanisches Reich könne man sich jedoch Zeit lassen, so der Konsens in Berlin. Die Politik der Zurückhaltung war einige Jahre lang erfolgreich, mit dem sinkenden Stern der deutschen Vorherrschaft in Europa zerbröckelte aber diese Konstruktion, und auch in Dänemark wuchs seit 1943 allmählich der Unmut gegen die Besatzer.
Der anzuzeigende Band bietet eine vorzügliche Einführung in die Geschichte des Widerstands gegen die deutsche Besatzung Dänemarks. Der Bogen ist weit gespannt, reicht er doch von der außenpolitischen und innenpolitischen Konstellation am Vorabend des Zweiten Weltkriegs bis hin zur Abrechnung mit den Kollaborateuren und dem Wiederaufbau einer demokratischen Ordnung 1945. In beeindruckender Weise werden die kulturelle, die politische und die ereignisgeschichtliche Dimension miteinander verschränkt. Das Werk gliedert sich in fünf unterschiedlich lange Kapitel und ist weitgehend chronologisch strukturiert.
Im ersten Teil stellt der Autor das Vorspiel und den Ablauf der Invasion selbst sowie die Grundlagen der "Zusammenarbeitspolitik" dar. Besonderes Augenmerk gilt hierbei den zentralen Milieus und Persönlichkeiten, die sich bereits am Anfang der Besatzung für die Eigenstaatlichkeit und möglichst weitgehende Selbstständigkeit einsetzten. Dies schließt selbstredend auch die symbolisch gewichtige Position des Monarchen, Christian X., ein.
Daraufhin beleuchtet Bath die Vorformen eines organisierten Widerstands in der frühen Phase der Besatzung: Die Formierung antideutscher Kreise, die Anfänge einer illegalen Presse, erste Sabotageaktivitäten sowie die wachsende Infragestellung von Kollaboration und Anpassung waren Facetten dieser relativ ruhigen Übergangsphase von 1940 bis 1942, wie sie im zweiten Kapitel geschildert wird.
Einen wirklichen Einschnitt markierte erst das Jahr 1943, bedingt durch die Schlachten um El-Alamein und Stalingrad sowie durch erste britische Bombenangriffe auf Kopenhagen. Die Aufrufe vereinzelter kommunistischer und auch konservativer Politiker wie Christmas Møller, aktiven Widerstand zu leisten, fanden nun mehr Gehör, und die Verschränkung der besatzungspolitischen Frage mit den sozialen Spannungen, die sich aus der wirtschaftlichen Kollaboration ergaben, tat ein Übriges, um das Fass endgültig zum Überlaufen und die Politik der Zusammenarbeit zum Einsturz zu bringen. Der dritte Teil des Bandes schildert diesen Prozess einer allmählichen Zuspitzung sehr eindrucksvoll. Die wachsende Konfliktbereitschaft auf allen Seiten mündete in der Ausrufung des militärischen Ausnahmezustands als Reaktion auf die Streikwellen des Sommers 1943.
Der Ausnahmezustand und der Rücktritt der dänischen Regierung im August 1943, die bisher um einen mäßigenden Einfluss bemüht gewesen war, boten wiederum den Anlass, um auch in Dänemark die lange hinausgezögerten Maßnahmen zu einer "Endlösung der Judenfrage" zu ergreifen. Best schlug im September 1943 eine entsprechende "Judenaktion" vor, informierte jedoch zugleich den Schifffahrtssachverständigen der deutschen Gesandtschaft, Georg Ferdinand Duckwitz, über die bevorstehende Deportation. Die Motive des Reichsbevollmächtigten sind bis heute nicht eindeutig geklärt; es muss aber davon ausgegangen werden, dass er sich darüber im Klaren war, dass Duckwitz dem deutschen Widerstand nahestand und über sehr gute Kontakte zu dänischen Politikern verfügte. Über diese Kontakte wurde die Leitung der jüdischen Gemeinschaft gewarnt, die den Großteil der jüdischen Bevölkerung rechtzeitig veranlassen konnte, unterzutauchen. Im Laufe der ersten Oktobertage 1943 entstand ad hoc ein weit verzweigtes Netzwerk von Fluchthelfern, die ca. 95 Prozent der dänischen Juden in das sichere Schweden verhalfen. Die Rettung fast aller dänischen Juden markierte vielleicht die eigentliche Geburtsstunde eines nationalen Widerstands.
Im vierten Hauptteil erzählt der Autor die Geschichte der blutigen Eskalation im Laufe des Jahres 1944, wie sie sich aus der Spirale wechselseitiger Vergeltung ergab - der systematischen Ermordung von Widerstandskämpfern und anderen NS-kritischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durch die Handlanger der Besatzer einerseits und der Liquidierung von tatsächlichen oder vermeintlichen Informanten des Besatzungsregimes andererseits. Mittlerweile war der Widerstand zu einer Volksbewegung angewachsen und manifestierte sich eindrucksvoll im so genannten Kopenhagener Volksstreik im Sommer 1944.
Im Schlusskapitel widmet sich Bath der Rolle der Widerstandskämpfer in den Tagen der Befreiung Anfang Mai 1945 und der heiklen Frage einer "Rechtsabrechnung" mit den exponierteren Teilen der dänischen Bevölkerung, die in den Augen der Mehrheit gemeinsame Sache mit den Besatzern und sich somit des Vaterlandsverrats oder ähnlicher Verbrechen schuldig gemacht hatten. Wenig Raum nimmt dabei jedoch die Frage ein, wie kontrovers Kollaboration und Widerstand im Laufe der letzten 10 bis 15 Jahre sowohl in der dänischen Forschung als auch in der Populärkultur und in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert worden sind und welche vielfältigen Neubewertungen sie erfahren haben.
Die Bibliographie ist etwas knapp geraten, und auf einen Fußnotenapparat wird gänzlich verzichtet. Das so detail- und kenntnisreiche Werk leidet somit doch etwas unter dem Verzicht auf eine explizite Diskussion des Forschungsstandes. Auch werden keine divergierenden Positionen oder Kontroversen in der Forschung thematisiert, und dies, obgleich sich seit Jahrzehnten - schon seit den grundlegenden Werken von Aage Trommer und Hans Kirchhoff - immer wieder gerade an der Frage von Kollaboration und Widerstand Diskussionen über Kernfragen des dänischen Geschichtsbildes und Selbstverständnisses entzündet haben. So sehr das Werk sich dadurch auszeichnet, dass es flüssig geschrieben ist und sich auch einem interessierten Laien erschließt, wird kein expliziter Anschluss an die neuere Widerstandsforschung oder an breitere europäische Debatten um Kollaboration und Mittäterschaft geleistet.
Auch auf eine Perspektivenerweiterung durch die Einbeziehung der sich auf den Widerstand und die Besatzung beziehenden Erinnerungskulturen wird verzichtet, obgleich mit den Arbeiten von Therkel Stræde, Annette Warring oder Claus Bryld mittlerweile Standardwerke vorliegen. Zudem kommt die Forschung John T. Lauridsens zum dänischen Nationalsozialismus etwas zu kurz.
Das vorliegende Werk besitzt eher den Charakter einer synthetisierenden Gesamtdarstellung ohne klar ersichtliche eigene Forschungsansätze oder thesenhafte Zuspitzungen. Umstrittene Kernfragen, warum der Widerstand in Dänemark so spät und insgesamt so schwach blieb, werden immer wieder aufgeworfen, gehen jedoch etwas in der Fülle des anregend präsentierten und spannend erzählten Narrativs unter. Ähnliches lässt sich über die Ermordung vermeintlicher Verräter oder die Anpassungsbereitschaft der dänischen politischen Eliten sagen. Unter dem Strich bleibt jedoch festzustellen, dass der Autor insgesamt eine äußerst lesenswerte Darstellung eines höchst spannenden Kapitels europäischer Geschichte in der Zeit des Zweiten Weltkriegs vorgelegt hat, das erfreulicherweise nun auch einer breiteren deutschen Leserschaft zugänglich ist.
Thorsten Wagner