Helen J. Nicholson (ed.): On the Margins of Crusading. The Military Orders, the Papacy and the Christian World, Aldershot: Ashgate 2011, XIII + 209 S., ISBN 978-1-4094-3217-3, GBP 60,00
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Der hier anzuzeigende Sammelband vereint 11 Aufsätze, die der 7. internationalen Konferenz der Society for the Study of the Crusades and the Latin East beziehungsweise der 5. internationalen Tagung des Londoner Zentrums für Kreuzzugsforschung entsprungen sind, aber keinen Eingang in die diesbezüglichen Veröffentlichungen finden konnten. [1]
Bedenken gegenüber einem derartigen Produkt vermeintlich disparaten Inhalts haben angesichts einer innerhalb der stark anglo-amerikanisch geprägten Kreuzzugsforschung an Proceedings und Festschriften überbordenden Publikationslandschaft durchaus ihre Berechtigung. Die einzelnen Beiträge, welche die Geschichte der geistlichen Ritterorden betreffen und die Bandbreite des Forschungsfeldes aufzeigen, machen allerdings deutlich, dass sich ihr Abdruck sehr wohl gelohnt hat, da es sich größtenteils um Detailstudien handelt, auf die der interessierte Leser nur ungern verzichtet hätte.
Ein chronologisch-thematischer Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Geschichte des Templerprozesses und seiner Quellen, die sich nicht erst seit dem 700-jährigen Jubiläum der Inhaftierung der Ordensmitglieder anhaltender Beliebtheit erfreut. [2] David Morrow Bryson (61-73) untersucht in diesem Zusammenhang das Itinerar Bertrands de Got/Clemens V. in den Jahren 1304-1309 und gibt zu bedenken, dass Kontakte zu Philipp IV. und späteren Hauptbelastungszeugen bereits vor Beginn der Festnahmen eine Erörterung des Problemkreises ermöglicht sowie die päpstliche Meinungsbildung über die Anschuldigungen gegen die Templer geprägt haben dürften. Während Anne Gilmour-Bryson (75-88) den Wortlaut der berühmten Bulle Vox in excelso analysiert und Ernst, Gewissenhaftigkeit, Betroffenheit und Unsicherheit Clemens' V. im Umgang mit den Vorwürfen gegen die Templer betont, wendet Helen Nicholson (89-100) den Blick auf das Prozessschrifttum. Dabei befragt sie die britischen und irischen Testimonien nach dem Wissen von Angeklagten und Zeugen über die politisch-militärische Situation im Heiligen Land an der Wende zum 14. Jahrhundert und stellt fest, dass zwar ein generelles Interesse für, aber lediglich vereinzelte direkte Kontakte in den östlichen Mittelmeerraum zu verzeichnen sind. Dadurch zeichneten sich die insularen Zeugnisse mehr durch althergebrachte Vorurteile gegenüber den Templern aus als durch persönliche Erfahrung oder informierte Kenntnis. Jean-Marc Roger (101-137) bewertet schließlich die Reform des Johanniterordens unter Papst Johannes XXII. nach der Inkorporation des Templerbesitzes und der Krisenerscheinungen des Jahres 1317. Deren Überwindung mittels der Reorganisation der Prioratsstruktur, der päpstlichen Nomination von 25 Prioren und Komturen sowie der Festschreibung ihrer jährlich zu begleichenden Schulden sieht Roger als insgesamt gelungen, was zum Teil auf die sachkundigen ordensinternen Lösungsvorschläge zurückzuführen sei. Dem Urteil, dass es sich um einen für die Geschichte des Johanniterordens exzeptionellen Vorgang handelte, der das Überleben des Ordens für weitere 200 Jahre sicherte, wird man sich anschließen können.
Die Überblicksdarstellung von Rafaël Hyacinthe (177-193) zur Geschichte des Lazaritenordens nach 1291 betrachtet ähnliche Problemstellungen, indem sie die krisenbehafteten Transformationsprozesse skizziert, welche letztlich alle geistlichen Institutionen der Kreuzfahrerstaaten spätestens nach dem endgültigen Verlust von Akkon zu meistern hatten. Auch wenn der fehlende Verweis auf die maßgebliche deutsche Aufarbeitung der Ordensgeschichte durch Kay-Peter Jankrift stutzig macht [3], gelingt es Hyacinthe aufzuzeigen, wie der Verlust des übergreifenden Bezugspunktes über die Adaption an lokale Gegebenheiten, die Dezentralisierung der Ordensstrukturen und die nationale Vereinnahmung zur Herausbildung mehrerer voneinander unabhängiger und ausschließlich karitativer "Lazaritenorden" führte.
Was die Sichtung und sorgfältige Lesung sowohl längst bekannten als auch vernachlässigten Quellenmaterials für die Erforschung der Ritterorden erbringen kann, das verdeutlichen die ersten vier Aufsätze des Sammelbandes. Anthony Luttrell (5-11) etwa vermag anhand der Originalhandschrift einer frühen Indulgenz der lateinischen Kirche von Jerusalem die konfliktreiche Geschichte der Division von Johannesspital und Heiliggrabkapitel näher zu beleuchten. Wichtige neue Erkenntnisse zum Ritterorden von Montjoye weiß Elena Bellomo (13-29) aus nordwestitalienischen Archivalien beizusteuern. So kann sie erstmals dokumentarisch gesichert ein Hospital des Ordens nachweisen, nämlich außerhalb der Mauern von Savona, wodurch der vermutete karitative Charakter der bekannten Niederlassungen des Ordens in Piemont unterstrichen wird. Peter Edbury (45-60) gibt einmal mehr Einblick in die komplexe Überlieferungssituation der französischen Über- und Fortsetzungen der Chronik Wilhelms von Tyrus und beweist, dass ein vergleichendes Studium der einzelnen Manuskripte eine nuancierte Beurteilung vermeintlich wohlbekannter Narrative, hier der Schlacht von Cresson 1187, erlaubt. Im Anschluss an die Forschungsimpulse Cristina Dondis zur Liturgiegeschichte der geistlichen Institutionen der Kreuzfahrerstaaten plädiert Sebastián Salvadó (31-43) für eine konsequente Aufarbeitung der lokal praktizierten Templerriten. Mithilfe aragonesischer Beispiele liefert Salvadó einen inspirierenden Problemaufriss für liturgiegeschichtliche Mikrostudien, in dem sowohl die vielschichtigen konditionierenden Faktoren vor Ort sowie die Aussagekraft verschiedenster Quellentypen berücksichtigt werden.
Zum Schluss sei auf die beiden archäologisch-topografischen Spezialstudien von Michael Heslop (139-165) und Christer Carlsson (167-175) hingewiesen, die den Leser an die äußersten Grenzen des spätmittelalterlichen christlichen Europa entführen. Heslop erläutert das Verteidigungssystem der Johanniter im Dodekanes, welches auf einem Netzwerk an Befestigungsanlagen basierte, die in Sichtweite voneinander als Frühwarnsystem funktionierten und unbemerkte Angriffe auf die Inseln verhinderten. Carlsson stellt die 2007 durchgeführten Grabungsarbeiten an der südostschwedischen Johanniterkommende Kronobäck des ausgehenden 15. Jahrhunderts vor, deren Kirche auf Grund ihrer Größe auf die Pilgerfürsorge und die Ausübung von Pfarrechten seitens der Brüder hindeutet.
Anmerkungen:
[1] Michel Balard (éd.): La papauté et les croisades. Actes du VIIe Congrès de la Society for the Study of the Crusades and the Latin East (= Crusades-Subsidia; 3), Farnham 2011; Peter Edbury (ed.): The Military Orders, Volume 5: Politics and Power, Farnham 2012.
[2] Siehe die Versammlung der Beiträge zweier großer Jubiläumstagungen in: The Debate on the Trial of the Templars 1307-1314, ed. by Jochen Burgtorf / Paul F. Crawford / Helen J. Nicholson, Farnham 2010.
[3] Kay-Peter Jankrift: Leprose als Streiter Gottes. Institutionalisierung und Organisation des Ordens vom Heiligen Lazarus zu Jerusalem von seinen Anfängen bis zum Jahre 1350 (= Vita regularis; Bd. 4), Münster 1996.
Wolf Zöller