Claudia Opitz-Belakhal (Hg.): Geschichte Frankreichs in Quellen und Darstellung. Band 1: Vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution, Stuttgart: Reclam 2013, 429 S., 45 s/w-Abb., ISBN 978-3-15-017066-3, 12,80
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Heinz Dieter Kittsteiner: Die Stabilisierungsmoderne. Deutschland und Europa 1618-1715, München: Carl Hanser Verlag 2010
Giuseppe Acerbi: "Terreur" und "Grande Terreur". Zum Strafrecht der Französischen Revolution, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2011
Julian Swann / Joel Félix (eds.): The Crisis of the Absolute Monarchy. France from Old Regime to Revolution, Oxford: Oxford University Press 2013
Analog zur elfbändigen Quellenreihe zur deutschen Geschichte, die im Reclam-Verlag 1995-1998 erschienen ist und erst kürzlich eine Neuauflage erfahren hat, liegt nunmehr der erste Teil eines zweibändigen Quellenlesebuches zu Frankreich vor. Der behandelte Zeitraum reicht von den Teilungsverträgen des 9. Jahrhunderts bis zum Staatsstreich vom Brumaire 1799; der zweite, noch ausstehende, soll bis in die Gegenwart führen.
In neun größeren Kapiteln, jeweils durch ein knappes Essay eingeleitet, werden über hundert Quellentexte in deutscher Übersetzung inklusive kurzer Kontextualisierung präsentiert. Ausgiebig wurden Anleihen bei älteren Sammlungen und Darstellungen gemacht, etwa bei jenen von Arno Borst, Julien Coudy (Übers. Hildegard Krage) oder Urs Bitterli. [1] Doch finden sich auch zahlreiche neu eingeführte Dokumente, teilweise in Erstübersetzung durch die Herausgeberin oder durch Anja Rathmann-Lutz. Ein interessanter Bericht über interne Beratungen zum Frieden von Madrid 1526 aus dem Pariser Nationalarchiv wird beispielsweise überhaupt erstmals zugänglich (175-177). Zahlreiche Illustrationen mit eigenen Erläuterungen sorgen für eine kurzweilige Zeitreise durch rund tausend Jahre französischer Geschichte von der Krönung Karls des Kahlen 875 bis zur Kanonade vor Saint-Roch 1795 (404; der hier verewigte sog. "Vendémiaire"-Aufstand royalistischer Kräfte wird im Kommentar allerdings mit dem vorhergehenden "Prairial" der Sansculotten verwechselt).
Insgesamt gelingt es vorzüglich, in einer Mixtur aus Quellentexten des politischen, wirtschaftlichen, höfischen, religiösen und sozialen Lebens die Vielschichtigkeit der Entwicklungen vor Augen zu führen. Das chronologische Schema orientiert sich dabei weitgehend an den politischen Zäsuren, bietet jedoch immer wieder Raum für die Hervorhebung langfristiger Tendenzen und Wandlungsprozesse. Auf Texte zu den Kreuzzügen folgt ein Überblick über religiöse Bewegungen im Hoch- und Spätmittelalter (Katharer, Beginen, Waldenser). Dem Hundertjährigen Krieg ist ebenso ein größerer Abschnitt gewidmet wie dem "italienischen Abenteuer" ab 1494 oder den Religionskriegen des späteren 16. Jahrhunderts. Treffend werden Kontinuitäten der Außenpolitik von Heinrich IV. zu Richelieu benannt, dessen Rolle für die entscheidende Stärkung der Zentralgewalt gegen innere und äußere Widerstände auf dem Weg zum "Absolutismus" in Anführungszeichen allerdings nach wie vor prägend scheint. Hochadel, Hugenotten, Parlamente, Städte und Provinzen widersetzten sich teilweise gewaltsam, aber: "Die Krone hielt indes allen Anfechtungen stand, nicht zuletzt unter dem Einfluss des Kardinals Richelieu [...]" (240). Vielleicht hätte im Abschnitt zur Fronde ein Auszug aus den Memoiren der Mme de Motteville oder des Cardinal de Retz den Vorzug vor Saint-Simon verdient (249-251); doch fällt die Auswahl verständlicherweise nicht leicht, wo Mengen von glänzenden Darstellungen überliefert sind.
Differenziert und doch anschaulich werden auch in den kurzen Einführungen die strukturellen Probleme des "Ancien Régime" zwischen dynastischer Kontingenz und Ämterkäuflichkeit, Kriegsbelastung und Finanznot geschildert, so dass die Texte bekannter Autoren wie Saint-Simon oder Montesquieu, Rousseau und Condorcet in ihrem Zusammenhang verständlich werden. Besonders interessant sind die Dokumente zur frühen Kolonialgeschichte, die von Marquettes berühmter Erkundung des Mississippi 1673 bis zur amtlichen Aufhebung der Sklaverei durch den Konvent im Februar 1794 reichen. Ausdrücklich gewürdigt werden auch verschiedene Zeugnisse des Kampfes für die gesellschaftlichen und politischen Rechte der Frauen, etwa in den Texten von François Poullain de la Barre (346-350) oder Olympe de Gouges (386-390).
Kritisch ließe sich allerdings manches Detail betrachten. Liselottes bittere Briefe von 1717/18 über die politischen Nöte ihres Sohnes und Regenten Frankreichs hätten z.B. durchaus Erläuterung verdient, etwa im Hinblick auf die Schlüsselrolle des Duc du Maine als natürlichem Sohn des Sonnenkönigs oder die Anspielung auf Mme de Maintenon ("die alte zott" und ihr "pupil", 297). Verschiedene sachliche Fehler trüben stellenweise die Freude an einem einführenden Quellenhandbuch, das gerade auch für Schüler und Studenten konzipiert wurde: Machiavelli war kein Venezianer (150); dass neben Cellini auch Bellini am Hof Franz' I. gewirkt haben soll (167), ist neu; der Gesandte in Versailles hieß Mercy d'Argenteau (305), die Constitution de l'an III stammt von 1795 (318), das 'Maximum' zur Festsetzung der Lebensmittelpreise erging nicht erst im September 1794 (375), sondern begleitete die "Terreur" und wurde nach der Hinrichtung Robespierres ja gerade abgeschafft; der Krieg des revolutionären Frankreich gegen Österreich und Preußen schließlich begann nicht erst nach dem Sturz der Monarchie (391), sondern gehört zu dessen unmittelbarer Vorgeschichte im Frühjahr und Sommer 1792.
Anmerkung:
[1] Arno Borst: Lebensformen im Mittelalter, Frankfurt a.M. [u.a.] 1973; Die Hugenottenkriege in Augenzeugenberichten, hg. v. Julien Coudy, übers. v. Hildegard Krage, Düsseldorf 1965; Die Entdeckung und Eroberung der Welt. Dokumente und Berichte, hg. v. Urs Bitterli, 2 Bde., München 1980-1981.
Bernd Klesmann