Rezension über:

Jacob Burckhardt: Die Zeit Constantin's des Großen. Herausgegeben von Hartmut Leppin, Manuela Keßler und Mikkel Mangold unter MItarbeit von Ernst Ziegler (= Jacob Burckhardt Werke. Kritische Gesamtausgabe; Bd. 1), München: C.H.Beck 2013, 641 S., ISBN 978-3-406-62978-5, EUR 148,00
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Rezension von:
Raphael Brendel
München
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Raphael Brendel: Rezension von: Jacob Burckhardt: Die Zeit Constantin's des Großen. Herausgegeben von Hartmut Leppin, Manuela Keßler und Mikkel Mangold unter MItarbeit von Ernst Ziegler, München: C.H.Beck 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/23849.html


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Jacob Burckhardt: Die Zeit Constantin's des Großen

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Jacob Burckhardts "Zeit Constantin's des Großen" gehört zu den Klassikern unter der Literatur zu Konstantin. Vor allem aufgrund seiner Quellenkenntnis hat das Werk nicht nur für den Burckhardt-Forscher, sondern auch für den Althistoriker auch heute noch immer seinen Wert. Da sich die Benutzung dieses Werkes für einen heutigen Forscher als nicht immer ganz einfach erweist, ist es zu begrüßen, dass nunmehr eine kritische Edition im besten Wortsinne vorliegt, für deren Bearbeitung der gleichermaßen in der Spätantike und in der Wissenschaftgeschichte bewanderte Hartmut Leppin, der althistorische Lehrstuhlinhaber in Frankfurt, gewonnen werden konnte.

Der Text (5-368) ist derjenige der ersten Auflage von 1852/1853 (zum Erscheinungsjahr 1853 und der tatsächlichen Publikation Ende 1852 siehe kurz 574). Ergänzungen aus Burckhardts Handexemplar und Änderungen der zweiten Auflage von 1880 werden im später folgenden Apparat dokumentiert.

Das Verzeichnis der Quellen (371-396) und das der Literatur (397-409) berücksichtigt drei Arten von Werken: 1) Von Burckhardt benutzte und zitierte Quellenausgaben und Forschungsliteratur, 2) Von Burckhardt benutzte, aber nicht zitierte Quellenausgaben und Forschungsliteratur, 3) Moderne Quellenausgaben und Forschungsliteratur, wo diese zum Verständnis der Inhalte oder zur Dokumentation des (mittlerweile abweichenden) Forschungsstandes notwendig sind; dass die Inhalte der dritten Kategorie auf das Notwendigste beschränkt werden, ist angesichts der endlosen Flut von Publikationen zu Konstantin sehr zu begrüßen.

Der Kommentar (415-456) ist fast ausschließlich direkt mit dem Text verbundenen Aspekten gewidmet. Ein häufiges Problem, das im Kommentar entsprechend oft auftritt, ist die aus heutiger Sicht oft lückenhafte und ungenaue Zitierweise Burckhardts. Der Kommentar muss hier in mehrfacher Hinsicht eingreifen: Wo Burckhardt für eine Aussage, eine Paraphrase oder ein Zitat den Quellenbeleg schuldig bleibt, wird dieser nachgetragen.[1] Ergänzungen finden sich auch dann, wenn der Beleg vorhanden, aber unvollständig[2], mittlerweile unüblich[3] oder durch Abweichungen neuerer Editionen nur noch schwer nachvollziehbar[4] ist. Dasselbe Verfahren wird ebenso bei den Literaturangaben angewandt.[5] Wo Burckhardt Quellentexte nur im Original zitiert, werden diese im Kommentar übersetzt.[6] Gelegentlich erfolgt eine Erklärung einzelner Begriffe oder historischer Hintergründe.[7] Kleinere Versehen und Irrtümer Burckhardts werden richtiggestellt.[8] Gelegentlich wird auf von Burckhardt abweichende Lesarten neuerer Editionen hingewiesen.[9]

Bereits diese wertvollen Hilfestellungen zur besseren Nachvollziehbarkeit des Textes würden den Kommentar zu einem unverzichtbaren Arbeitsinstrument machen, doch geht er nochmals darüber hinaus. So werden auch Parallelbelege aus anderen Werken Burckhardts[10] und verschiedene weiterführende Bemerkungen, die auch über den heutigen Forschungsstand informieren[11], geboten.

Die textkritischen Anmerkungen (459-568) bestehen aus einer Edition des Vorwortes der zweiten Auflage und den Abweichungen von Burckhardts Handexemplar und/oder der zweiten Auflage gegenüber der ersten. Die Akribie und Sorgfalt, die in diesen Apparat investiert wurden, sind auf jeder Seite zu bemerken. Erfasst wurden nämlich auch Änderungen in der Schreibweise (540 zu 267,30 und 34), die Korrektur kleinster Druckfehler (546 zu 280,5), abweichende Abkürzungen (544 zu 272,38 und 43) und Änderungen in der Zeichensetzung (540 zu 267,19 und 542 zu 270,2). Stellenweise finden sich in diesem Apparat Mikroeditionen von relevanten Dokumenten, etwa 508-511 von vier Einlageblättern, die sich mit der Stelle 191,39-192,7 (über die Wirklichkeit religiöser Erscheinungen) auseinandersetzen.

Im editorischen Nachwort (569-582) werden die Quellen und Testimonien zur "Zeit Constantin's" kommentiert (jedoch bedauerlicherweise verhältnismäßig selten im Volltext angeführt) und die Prinzipien der Edition dargelegt. Streng genommen wieder Teil der Edition ist das Register der Erstauflage (583-589), das "aufgrund seines dokumentarischen Wertes" (581-582) angefügt wurde. Für die Ausgabe selbst sind die darauffolgenden gründlichen Register (591-637) zu verwenden.

Die Edition weist eine durchgehend hohe Qualität auf. Lediglich einige wenige Punkte der Detailkritik ließen sich finden: Zwar wird wiederholt auf gefälschte Inschriften hingewiesen, die Burckhardt noch als authentische Quellen ansah (siehe Anm. 11), doch bleibt dies bei unzweifelhaften Erfindungen der antiken Literatur aus. Weder zur sklavischen Abkunft Diokletians (39,5-6) noch zu dem isaurischen Usurpator Trebellianus (101,5-8) erfolgt eine Bemerkung, dass es sich dabei um reine Fiktion handelt. Ebenfalls unkorrigiert bleibt, dass Burckhardt 101,9 von dem (wohl ebenfalls fiktiven und nur durch die Historia Augusta bekannten) General Causisoleus spricht, der aber tatsächlich Camsisoleus heißt. 451 zu 322,38 wird für Anmerkungen des Valesius zu Sozomenus auf Readings Ausgabe von 1720 verwiesen; erheblich leichter zugänglich sind diese PG 67, Sp. 1069-1070, Anm. 99. 447 zu 277,38 wird übergangen, dass auch Dufraignes Edition des Aurelius Victor (Paris 1975) an der Stelle 41,15 wie bereits Burckhardt adsistentibus liest. Die Edition des Vorwortes des Handexemplares (460-461) ist in der vorhandenen Form etwas unübersichtlich; Zeilenangaben hätten die Benutzbarkeit vor allem des Apparates deutlich verbessert. 422 zu 66,37 wäre noch Martins Dexippos-Ausgabe zu zitieren gewesen (so geschehen 441 zu 229,35). 427 zu 117,38 ist "Suda" statt "Suida" zu lesen (siehe etwa 445 zu 258,41).

Kurz gesagt: Eine exzellente Edition, in die mit großem Erfolg viel Arbeit investiert wurde. Jeder, ob Althistoriker oder Burckhardt-Forscher, der sich mit der "Zeit Constantin's" befasst, wird von nun an von dieser Ausgabe ausgehen müssen.[12]


Anmerkungen:

[1] Beispielsweise 415 zu 12,6 und 18; 443 zu 245,9 und 445 zu 260,6 (wo nur auf "einzelne Heiden und Christen" verwiesen wird).

[2] Unter anderem 445 zu 258,22, 26 und 37; 449 zu 295,34; 453 zu 342,33 (zum von Althistorikern nur selten benutzten Chronisten Glykas) und 455 zu 360,7.

[3] So werden den "Anonymus Bandurii" auf Anhieb nur Spezialisten der byzantinischen Literatur als die von Theodor Preger herausgegebenen "Scriptores originum Constantinopolitanarum" identifizieren (440 zu 222,40 und 223,41; 452 zu 334,36). Auch den Breviator Festus kennen wohl nur wenige als Sextus Rufus (426 zu 96,40). Themistios wird nun für gewöhnlich nach der Nummerierung seiner Reden, nicht nach deren Kurztitel zitiert (442 zu 237,42; 450 zu 313,42); das gilt ebenso für Julian (446 zu 268,38) und Eunapios (438 zu 194,40). Die Ausgabe der Reden des Libanios von Reiske, nach deren Paginierung Burckhardt zitiert, dürfte kaum noch benutzt werden (444 zu 248,29). Burckhardt zitiert nach der einzelnen Usurpatorenvita der Historia Augusta, während die Angabe nunmehr nach den Sammelviten erfolgt (426 zu 107,36; 440 zu 218,40). Besonders umständlich macht es Burckhardt dem Leser bei der Zitation von Gesetzen: Werden diese nicht ohnehin nur etwa als "Ehegesetz vom Jahre 295" (245,8-9) genannt, werden für gewöhnlich nur Buch und Titel des Gesetzescodex sowie das Jahr, in dem das zitierte Gesetz erlassen wurde, genannt (446 zu 273,41; 448 zu 292,41; 449 zu 294,13). Noch schwieriger sind Angaben zu Malalas, da hier alleine das Buch angegeben wird (429 zu 126,30; 434 zu 166,38).

[4] Dies trifft insbesondere auf das fragmentarisch überlieferte Geschichtswerk des Johannes Antiochenus (417 zu 33,40), Inschriften (426 zu 104,39 und 104,40; 430 zu 133,35 und 133,39) und Münzen (419 zu 45,40) zu. Weitere Beispiele: 426 zu 98,42 und 102,40; 454-455 zu 356,40.

[5] Etwa 420 zu 59,40; 447 zu 276,35 und 36.

[6] So etwa 440 zu 214,41; 441 zu 234,40; 446 zu 269,42; 453 zu 344,41; 455 zu 357,39. Übersetzt werden Quellentexte zudem dann, wenn ein wörtliches Zitat des Originalwortlautes im Kommentar notwendig ist (448 zu 288,37).

[7] 421 zu 62,9 (agentes in rebus); 425 zu 95,18 (zum Tod des Carus); 445 zu 257,39; 451 zu 325,40 (Vitae Sanctorum patrum).

[8] Meist fehlerhafte Wiedergabe der Quellen: 417 zu 34,39 (Vorname Mommsens); 418 zu 41,32; 425 zu 96,40; 426 zu 98,42; 427 zu 113,42; 438 zu 197,35 (Zahlendreher); 443 zu 247,38; 447 zu 274,36; 450 zu 320,39; 452 zu 335,39; 453 zu 344,38; 454 zu 350,38 (fehlerhaftes Zitat moderner Literatur). Siehe auch 429 zu 121,9 und 10 (zu Zitaten aus zweiter Hand).

[9] 423 zu 73,41; 439 zu 198,40; siehe auch 454 zu 347,41.

[10] 419-420 zu 50,36; 422 zu 69,4; 444 zu 250,30.

[11] Zu gefälschten Inschriften: 417 zu 29,40; 434 zu 162,19; 443 zu 246,38. Daneben 420 zu 60,40; 425 zu 89,17; 431-432 zu 145,16; 438 zu 193,41; 448 zu 288,29.

[12] Der Forschungsbericht von Raimund Schulz und Uwe Walter, Altertum VI, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 65 (2014), 382-396, der 391 mit Anm. 330 auch kurz auf Burckhardt eingeht, nennt dieses Werk eine "sorgfältig edierte Ausgabe" und eine "literarisch glanzvolle Darstellung"; die Sammelrezension von Stefan Rebenich, Kalkül und Bekenntnis. Die Religionspolitik Konstantins des Grossen, in: Neue Zürcher Zeitung vom 8. Januar 2014 (http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur/kalkuel-und-bekenntnis-1.18216416) charakterisiert es als "vorbildlich herausgegeben, eingeleitet und kommentiert".

Raphael Brendel